Diese Biografie ist ungewöhnlich im doppelten Sinn des Begriffs, der sowohl eine Lebensgeschichte meint als auch ein literarisches Genre. So entspricht weder Margarethe Hardeggers Leben dem gängigen Lebenslauf einer kleinbürgerlichen Frau in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch das Buch mit seinem Aufbau einer konventionellen biografischen Darstellung. Das eine hat mit dem anderen zu tun: Darstellung und Lebensgeschichte gehören eng zusammen.Margarethe Hardegger war eine aussergewöhnliche Frau. Sie lebte den Sozialismus hier und jetzt. Sie predigte und praktizierte die freie Liebe. Sie verkehrte in der Münchner Boheme und in der Berliner Anarchistenszene. Sie agitierte für Empfängnisverhütung und half bei Abtreibungen. Sie engagierte sich gegen den Faschismus und kämpfte für den Frieden. Sie lebte viele Jahrzehnte im Tessin im Schatten des Monte Verità und war international vernetzt. Sie hielt zu ihren Freunden und sass deswegen im Gefängnis. Zudem war sie Ehefrau und Mutter, die erste Arbeiterinnensekretärin des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, Geliebte der anarchistischen Schriftsteller Gustav Landauer und Erich Mühsam, Freundin des Arbeiterarztes Fritz Brupbacher und der Chemikerin und Pazifistin Gertrud Woker. Sie verkörperte die sozialen und politischen Ideale einer Szene, die man heute links nennt. Sie war kompromisslos, deprimiert, idealistisch. Und sie war vor allem eines: eine Frau, die Ideen und Menschen zusammenbrachte, die auf den ersten Blick nicht zusammengehören, eine unermüdliche Aktivistin, die überall dabei war, mit dem Ziel, die Gesellschaft zu verbessern und einen neuen Menschen zu schaffen.In Margarethe Hardeggers Biografie kommen sozialistische, lebensreformerische und friedenspolitische Lebensentwürfe zusammen. Das Augenmerk gilt darum ihrer Biografie und diesen Entwürfen, ihrer Lebensgeschichte und der Geschichte der Organisationen, in denen sie aktiv war. Deshalb hat die Autorin nicht nur einen Zugang gewählt, um sich Margarethe Hardeggers Biografie zu nähern, sondern zwei; sie konzentriert sich nicht allein auf eine Erzählung, sondern bietet viele Erzählungen.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Ina Boeschs Biografie der Schweizer Sozialistin Margarethe Hardegger (1882-1963) hat den "lx." zeichnenden Rezensenten durchaus überzeugt. Er lobt das Buch als "einfühlsam" und mit "bestrickender Energie" geschrieben. Nah am Menschen und mit den Methoden einer "empathischen Spurensicherung" schildere Boesch darin die Lebens- und Interessenwege der Nonkonformistin Hardegger, die neben Clara Zetkin, Lily Braun und Rosa Luxemburg zur Creme der Internationalen Sozialistinnen gehörte. Der Rezensent hebt hervor, dass Boesch in ihrer Hardegger-Biografie zugleich ein "reichhaltiges Kapitel" der jüngeren Schweizer Sozialgeschichte aufblättert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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