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In achtzehn wunderbar poetischen Geschichten richtet sich der Blick der Frau auf den Mann, neugierig geheimen Bindungen auf der Spur, die sich jenseits aller Geschlechterdiskurse immer wieder durchsetzen. Der Blick umkreist den 'Prototyp', die Geschichten erzählen den Alltag und die Träume. Es treten auf: Ein Verführer, ein Mann der Ferne, ein belauerter Sohn, ein Vater aus Papier, ein Flüchtiger, ein Träumer... Männer und Rollen, die uns ein Leben lang begleiten.

Produktbeschreibung
In achtzehn wunderbar poetischen Geschichten richtet sich der Blick der Frau auf den Mann, neugierig geheimen Bindungen auf der Spur, die sich jenseits aller Geschlechterdiskurse immer wieder durchsetzen. Der Blick umkreist den 'Prototyp', die Geschichten erzählen den Alltag und die Träume. Es treten auf: Ein Verführer, ein Mann der Ferne, ein belauerter Sohn, ein Vater aus Papier, ein Flüchtiger, ein Träumer... Männer und Rollen, die uns ein Leben lang begleiten.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.08.1996

Bevor der Kellner kam
Aber mit Gefühl: Grazia Livi guckt durch den Weichzeichner

Ein Mann sitz im Straßencafé, löffelt Eis, blättert in Journalen und beobachtet den vorüberziehenden Menschenstrom. Seine dunkle Brille verbirgt, daß er ein heimliches Spiel spielt: Er registriert die reizvollsten Attribute hübscher Passantinnen, als da sind Haarschöpfe, Muttermale, Brüste, Fesseln, Unterarme oder Hüften, ferner Fußkettchen, Schleifen, enge Gürtel und lose Träger. Die visuellen Beutestücke häufen sich, so malt es uns die italienische Autorin Grazia Livi aus, auf seinem Tisch, bis sie vom Kellner mitsamt dem Eisbecher abgeräumt werden. Einsam bleibt der Gast zurück, "ein wenig verloren, wie ein Zugvogel, der weiß, was ihm fehlt: Stabilität und Liebe".

Ja, sie sind arm dran, die Trophäensammler, die das andere Geschlecht nur aus der unverbindlichen Don-Juan-Perspektive betrachten können. Grazia Livis Blick auf die Spezies Mann hingegen, gefühlvoll variiert in achtzehn mehr oder weniger alltäglichen Beziehungsgeschichten, sucht unter dem Motto "Geheime Bindungen" das Wesentliche, das Typische und das Allgemeine. Die Frau als Jägerin, lautet die Botschaft dieser Begebenheiten, will nicht bloß erotische Signale erbeuten, sondern den Seelenfunken mit Ewigkeitswert. Wo Männer fliehen und sich entziehen, spannt weibliche Wahrnehmung unsichtbare Fäden, die Entfernungen und Gegensätze überbrücken, Trennungen und Verluste überdauern.

Das ist ein Klischee, aber es wird hier mit ausgesuchter Grazie bedient. Die Florentinerin Livi, im Erstberuf Journalistin, schreibt so, daß ihre Erzählungen jederzeit in Hochglanzmagazinen den Platz zwischen teurer Dessousmode und exquisiter Gartenkultur ausfüllen könnten: sinnlich, gefällig, in weichgezeichneten Bildern und einer Sprache, die Gegenstände und Personen wie mit einem Kokon duftiger Unschärfe umhüllt. Besonders gern verwendet sie Adjektive, für die sich das deutsche Äquivalent "sanft" anbietet.

Die kleinen Dramen um treulose Liebhaber, unsensible Gatten und rebellierende Söhne spielen sich im Milieu von Karrierefrauen, Professorengemahlinnen oder wohlbestellt alleinerziehenden Müttern ab, die bei aller Beanspruchung doch Muße finden, zwischen Tag und Traum, Erinnerung und Gegenwart den feinsten Regungen ihres Gemüts nachzuspüren. Das eben unterscheidet sie von den Männern, die stets auf dem Sprung sind, in Projekte vertieft, "vom Übermaß an Arbeit betäubt" oder von unbändigem Freiheitsdurst getrieben, ohne Kontakt zur eigenen Seele und deshalb um so mehr auf das empfindsam psychologisierende Verständnis der Autorin und ihrer Frauengestalten angewiesen.

Sogar der auf dem Friedhof ruhende Ehemann, der gestorben ist, ohne richtig gelebt zu haben, wird dieser grenzenlosen Einfühlung noch teilhaftig: "Unsere nichtkörperliche Verbindung", versichert die Witwe am Grab, "geht nach deinem Tod weiter." Vollends vergeistigt - die originellste Variante - ist die geheime Zuneigung, die eine ungläubige Kirchgängerin einem Priester entgegenbringt. Und komplizenhaft verbunden weiß sich Grazia Livi, hier ganz unverhohlen sie selbst, mit dem alten Tasten-Schwerenöter Arthur Rubinstein, den sie am Anfang ihrer Laufbahn interviewen durfte und der ihr anvertraute: "Das Wesen meines Talents ist das Gefühl."

In der letzten Geschichte, einem rührenden Einblick in das Dilemma schriftstellernder Kleinkind-Mütter, gibt die Verfasserin ihre eigene Arbeitsdevise preis: "Verstand und Herz. Die Wahrheit entstand aus dieser möglichen Vereinigung." So läßt sich ein frauenliterarisches Programm mit operettenreifem Pathos auf den einfachsten Nenner bringen. Wie lautet noch gleich der Werbespruch einer Traditionsfirma für edle Sitzmöbel: "Es gibt ein paar Dinge, die schafft man nur in Italien." KRISTINA MAIDT-ZINKE

Grazia Livi: "Geheime Bindungen". Aus dem Italienischen übersetzt von Maja Pflug. Verlag Antje Kunstmann, München 1996. 234 S., geb., 38,- DM.

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