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Sie ist 21, Literaturstudentin und in der Liebe nicht allzu erfahren. Doch dann lernt Ana Steele den reichen und attraktiven Unternehmer Christian Grey kennen - die Begegnung mit ihm hat sie zutiefst verwirrt, aber sie kommt von ihm nicht los. Denn Christian hat etwas in ihr berührt. Und als er einige Zeit später wieder vor ihr steht, kann sie nicht anders, als ihren Gefühlen nachzugeben. Von da an ist nichts mehr wie zuvor. Denn Christian führt Ana ein in eine dunkle, gefährliche Welt der Liebe - in eine Welt, vor der sie zurückschreckt und die sie doch mit unwiderstehlicher Kraft anzieht ...
Hochwertig veredelte Geschenkausgabe (Umschlag mit Soft-Touch-Haptik, Lesebändchen).
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.07.2012Dieses rätselhafte Ziehen im Unterleib
E. L. James' sadomasochistisch angehauchte Romantrilogie "Shades of Grey" sorgt für Diskussionen, jetzt auch auf Deutsch
Als ich "Pretty Woman" zum ersten Mal gesehen habe - lange her, es war, als der Film eben in den Kinos war -, musste ich weinen, vor Wut. Ich konnte darin keine Liebe entdecken, kein Märchen über ein magisches Zusammentreffen zweier Menschen und schon gar keine Romantik - ich sah nur eine Geschichte über Geld. Die Macht, die Geld auf Menschen ausübt. Eine junge, nahezu mittellose Frau, die ihren Körper verkaufen muss, um die Miete zu zahlen, gerät in den Bann eines reichen und damit mächtigen Mannes, der sie mit materiellen Dingen wie Hubschrauberflügen oder Shopping in Luxusboutiquen beeindruckt, was ein Kinderspiel ist, da sie ja weder Ausbildung noch ein geregeltes Einkommen hat.
Das derzeit weltweit erfolgreichste Buch, genauer: die derzeit weltweit erfolgreichste Romantrilogie, erfolgreicher noch als seinerzeit "Harry Potter" oder die "Twilight"-Trilogien, erzählt im Grunde dieselbe Geschichte: "50 Shades of Grey". Jetzt erscheint der erste Band unter dem Titel "Shades of Grey - Geheimes Verlangen" auf Deutsch.
Geschrieben hat es die Engländerin Erika Leonard, 49, unter dem Pseudonym E. L. James. Der Erfolg von Stephenie Meyer, der Autorin der "Twilight"-Saga, habe sie zum Schreiben inspiriert, erzählt sie in Interviews. Innerhalb von 18 Monaten habe sie die drei Bände fertiggehabt, keine schmalen Bücher, sie schrieb abends und am Wochenende, während sie ansonsten ihrem normalen Beruf als Angestellte eines TV-Senders nachging. Sie ist verheiratet, Mutter zweier Söhne, "Shades of Grey" ist das Erste, was sie je geschrieben hat.
Fesseln
Der Roman erzählt von der Beziehung einer 21-jährigen Studentin, zu Anfang der Handlung noch Jungfrau, zu einem superreichen, sexuell erfahrenen 27-jährigen Geschäftsmann. Sie ist blass, braunhaarig und hat "viel zu große Augen" (was ist das?); er sieht umwerfend gut aus und hat "wahnsinnig graue Augen". Clou dieser Trilogie, wie es bei "Harry Potter" das Zaubern war und bei "Twilight" das Vampirthema, diesmal: Sadomasochismus. Christian Grey, der gutaussehende Millionär, steht nämlich auf unterwerfenden Sex, auf Fesseln, Knebeln und das Benutzen von Hilfsmitteln, wie es sie in Baumärkten oder Sexshops zu kaufen gibt; als Vorspiel erregt es ihn, Frauen zu schlagen.
Dass Christian Grey einen "beachtlichen Penis" hat, versteht sich an dieser Stelle von selbst, dennoch ist die Mühelosigkeit, mit der Anastasia Steele, die junge Studentin, von Orgasmus zu Orgasmus segelt, nachdem sie auf Seite 133 des 600 Seiten umfassenden Werkes einmal damit angefangen hat, zumindest beachtlich. Einmal gelingt es ihr sogar im Schlaf - dass ihr Christian Grey im Traum erscheint, genügt.
Typische Sätze des aus Sicht der Studentin geschriebenen Werks: "Plötzlich ziehen sich mir bisher unbekannte Muskeln im Unterleib zusammen." Oder: ". . . die Muskeln in meinem Unterleib ziehen sich auf köstliche Weise zusammen." Oder: "In meinem Unterleib ziehen sich sämtliche Muskeln zusammen." Oder: "Dieses Ziehen tief in meinem Unterleib." Oder: "Wieder spüre ich dieses Ziehen im Unterleib." Oder: "Ich stöhne auf, spüre das Ziehen in meinem Unterleib." Oder: "Ich stöhne, als sich die Lust mit einem scharfen Ziehen in meinem Unterleib bemerkbar macht." Oder: ". . . dieses vertraute Ziehen tief in meinem Unterleib, immer schneller, immer heftiger." Oder auch: "Sämtliche Muskeln in meinem Unterleib spannen sich an." Irgendwann scheint sich die Heldin allerdings an ihre neue Muskeltätigkeit gewöhnt zu haben, ab Seite 420 findet sie keine Erwähnung mehr.
Schlagen
Zur ersten Penetration kommt es auf Seite 135. Auf Seite 177 etwa hätte ich es normalerweise weggelegt und wäre erschöpft und genervt eingeschlafen. Doch, Himmel, dann hätte ich ja das erste Schlagen verpasst, zu dem es erst auf Seite 312 kommt und das unserer großäugigen Heldin sogar Vergnügen bereitet, einfach deshalb, weil es dieser "absolut göttlich" aussehende Typ ist, der da seine Hand (später auch Gürtel und Gerten) auf ihr entblößtes Hinterteil niedersausen lässt. Und da sie so unschuldig und unerfahren ist, kennt sie es ja auch gar nicht anders.
Lässt man den sadomasochistischen Aspekt einmal beiseite, was nicht schwer ist, weil er so zahm und lieb aufbereitet ist, dass man das Buch auch Kindern in die Hand drücken könnte, ohne nachhaltige Schäden befürchten zu müssen, erzählt "Shades of Grey" die klassische Geschichte vom Reiz der Gegensätze. Hier eben so: Sie steht nicht so aufs Fisten, er nicht auf Berührungen. Oder auch, noch ein Klassiker: Sie will etwas, das er nicht geben kann - Liebe.
Bislang wurden weltweit etwa zehn Millionen Exemplare der Romanserie verkauft, das Buch führt seit März die Bestsellerliste der "New York Times" an, die Buchrechte wurden in 37 Länder verkauft. Während der bisherige Rekordhalter im Absetzen von Taschenbüchern, "Der Da Vinci Code", 36 Wochen benötigte, um es auf eine Million Exemplare zu schaffen, genügten "Shades of Grey" dafür gerade mal elf. Am größten aber ist der Erfolg als elektronischer Download. Natürlich, es handelt sich ja nicht um die Memoiren eines männlichen Politikers, ist die Leserschaft vor allem weiblich, und ein Grund für den gewaltigen Absatz als E-Book könnte sein, dass Frauen sich nicht gerne in Bus oder Bahn beim Lesen eines sadomasochistisch angehauchten Buchs erwischen lassen wollen - da ist so ein E-Reader doch viel diskreter.
Absahnen
Das Interessanteste an "Shades of Grey", das sich trotz der SM-Szenen überraschend bieder liest, ist wohl, wie es überhaupt zu einem solchen Riesenerfolg werden konnte. In den amerikanischen Medien ist eine Diskussion darüber entbrannt, was das Thema einer sich vollkommen einem Mann unterwerfenden Frau über unsere Zeit aussagt. Einige Journalistinnen waren der Ansicht, dass dies bedauernswert rückständig sei, andere erklärten eine Sehnsucht nach Kontrollverlust und totaler Auslieferung, wenigstens im Bett (beziehungsweise in der Folterkammer), mit den gestiegenen Anforderungen an Frauen in der heutigen Berufswelt. Wieder andere glaubten, es sage gar nichts über Männer und Frauen heute aus, sondern der Erfolg erkläre sich schlicht und einfach durch geniales Marketing. Zunächst war die Trilogie nämlich nur schwer erhältlich, weil es darin aber, wie rasch durchsickerte um Hardcore-Spielarten von Sex ging, wurde Neugierde geweckt, wurde über das zunächst im Internet publizierte Werk viel gemunkelt, wurde es noch vor der offiziellen Veröffentlichung zu einer Art Mythos - und als es dann endlich auf den Markt kam, war das Interesse bereits so groß, dass jeder beziehungsweise jede sich ein eigenes Bild machen wollte. Ein Selbstläufer, erfolgreich wegen seines Erfolgs, das typische Paris-Hilton-Phänomen.
Es ist im Grunde dieselbe, langweilig zu lesende Erfolgsgeschichte, wie man sie seit Jahren aus der Musikindustrie kennt. Jemand veröffentlicht etwas auf eigene Faust im Internet, es findet sein Publikum - und schließlich seinen Weg in die althergebrachten Vertriebswege. Zunächst hatte E. L. James ihre erotischen Phantasien gratis als nicht jugendfreie Fortsetzung der "Twilight"-Saga auf eine Fan-Fiction-Website gestellt. 37 000 Leserkommentare später tilgte sie die Referenzen an "Twilight" und stellte das Werk kostenpflichtig auf eine eigene Website, wo die Nachfrage wiederum so riesig war, dass sie irgendwann einen (angeblich siebenstelligen) Buchvertrag bekam. Inzwischen sind auch die Filmrechte verkauft (für angeblich fünf Millionen Dollar), Bret Easton Ellis, der in letzter Zeit vor allem auf Twitter publiziert, vermeldete eben dort, dass er sich anerböte, das Drehbuch zu schreiben, und nahezu minütlich werden neue Schauspielernamen als mögliche Besetzung ins Gespräch gebracht. Sogar Tom Cruise, soeben 50 geworden, können sich einige in der Rolle des 27-jährigen Christian Grey vorstellen.
Trotz aller gutgemeinten Warnungen: "Shades of Grey" ist bestimmt keine Absage an den Feminismus, kein Rückschritt in Sachen Gleichberechtigung, keine Bedrohung für nichts und niemanden. Es ist eine unbeholfen geschriebene Liebesgeschichte, die ziemlich viel davon erfüllt, was Frauen sich gemeinhin so wünschen, unter anderem einen Mann, der so gut wie nichts unversucht lässt, seiner Partnerin Freude zu bereiten, oder sagen wir ruhig: Lust.
Der Roman ist eine Mischung aus "Pretty Woman" (bis hin zum vom Helden geflogenen Hubschrauber), "91/2 Wochen" (Champagner im Bauchnabel) und eben "Twilight", wo das Beißen des männlichen Vampirs ja auch etwas dringend Sexuelles hat. Wer ein gutes Buch lesen möchte, sollte die Finger davon lassen; wer wissen möchte, was es mit diesem Phänomen auf sich hat, wird wahrscheinlich enttäuscht sein. Orgasmen reihen sich an Orgasmen, dazwischen verliert sich die Autorin in einem Wust aus überflüssig detaillierten Beschreibungen ("Das Heathman liegt im Stadtzentrum von Portland. Das eindrucksvolle rötlich-braune Sandsteingebäude wurde knapp vor dem großen Crash Ende der Zwanzigerjahre fertiggestellt") und Adjektiven ("Anmutig schlendert er vor den Käfig und sieht mich eindringlich an"). Auf nahezu jeder zweiten Seite findet sich eine neue Beschreibung der wahnsinnig grauen Augen des Protagonisten, mal funkeln sie gefährlich, mal glimmen sie wölfisch, mal weiten sie sich, glühen, sehen aus wie flüssiges Silber, dann wieder blicken sie kalt.
Für die von ihm selbst offenherzig eingestandene "Abgefucktheit" des Helden gibt es recht schnell eine psychologische Erklärung: Seine Mutter war eine, was sonst, "Crackhure", außerdem, doppelt hält besser, wurde er von einer Freundin seiner Adoptivmutter als Teenager missbraucht. Die meisten Kapitel beginnen damit, dass die Heldin aus dem Schlaf erwacht (in den sie, von Peitschenhieben und diversen Stößen ermattet, selig gefallen war). Weil es ein moderner Roman ist, wird vor jedem Sexualakt erst mal ein Kondom übergestreift, mindestens zwanzig der 600 Seiten gehen alleine für diese Tätigkeit drauf. Und weil es um Lust geht, nicht um Vergewaltigung, werden die Grenzen dessen, was die Frau mitzumachen bereit ist, zuvor penibel in einem Regelwerk festgelegt; nichts geschieht gegen ihren Willen - und am Ende, so die Verheißung des ersten Bands, der, entschuldigen Sie den hoffentlich verzeihlichen Verrat, mit einer Trennung endet, besteht für die Fortsetzungen sogar noch Hoffnung auf eine nun wirklich nicht abgefuckte Sache: Liebe.
P. S. Als ich "Pretty Woman" neulich im Fernsehen wieder gesehen habe, fand ich es eigentlich ganz nett.
JOHANNA ADORJÁN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
E. L. James' sadomasochistisch angehauchte Romantrilogie "Shades of Grey" sorgt für Diskussionen, jetzt auch auf Deutsch
Als ich "Pretty Woman" zum ersten Mal gesehen habe - lange her, es war, als der Film eben in den Kinos war -, musste ich weinen, vor Wut. Ich konnte darin keine Liebe entdecken, kein Märchen über ein magisches Zusammentreffen zweier Menschen und schon gar keine Romantik - ich sah nur eine Geschichte über Geld. Die Macht, die Geld auf Menschen ausübt. Eine junge, nahezu mittellose Frau, die ihren Körper verkaufen muss, um die Miete zu zahlen, gerät in den Bann eines reichen und damit mächtigen Mannes, der sie mit materiellen Dingen wie Hubschrauberflügen oder Shopping in Luxusboutiquen beeindruckt, was ein Kinderspiel ist, da sie ja weder Ausbildung noch ein geregeltes Einkommen hat.
Das derzeit weltweit erfolgreichste Buch, genauer: die derzeit weltweit erfolgreichste Romantrilogie, erfolgreicher noch als seinerzeit "Harry Potter" oder die "Twilight"-Trilogien, erzählt im Grunde dieselbe Geschichte: "50 Shades of Grey". Jetzt erscheint der erste Band unter dem Titel "Shades of Grey - Geheimes Verlangen" auf Deutsch.
Geschrieben hat es die Engländerin Erika Leonard, 49, unter dem Pseudonym E. L. James. Der Erfolg von Stephenie Meyer, der Autorin der "Twilight"-Saga, habe sie zum Schreiben inspiriert, erzählt sie in Interviews. Innerhalb von 18 Monaten habe sie die drei Bände fertiggehabt, keine schmalen Bücher, sie schrieb abends und am Wochenende, während sie ansonsten ihrem normalen Beruf als Angestellte eines TV-Senders nachging. Sie ist verheiratet, Mutter zweier Söhne, "Shades of Grey" ist das Erste, was sie je geschrieben hat.
Fesseln
Der Roman erzählt von der Beziehung einer 21-jährigen Studentin, zu Anfang der Handlung noch Jungfrau, zu einem superreichen, sexuell erfahrenen 27-jährigen Geschäftsmann. Sie ist blass, braunhaarig und hat "viel zu große Augen" (was ist das?); er sieht umwerfend gut aus und hat "wahnsinnig graue Augen". Clou dieser Trilogie, wie es bei "Harry Potter" das Zaubern war und bei "Twilight" das Vampirthema, diesmal: Sadomasochismus. Christian Grey, der gutaussehende Millionär, steht nämlich auf unterwerfenden Sex, auf Fesseln, Knebeln und das Benutzen von Hilfsmitteln, wie es sie in Baumärkten oder Sexshops zu kaufen gibt; als Vorspiel erregt es ihn, Frauen zu schlagen.
Dass Christian Grey einen "beachtlichen Penis" hat, versteht sich an dieser Stelle von selbst, dennoch ist die Mühelosigkeit, mit der Anastasia Steele, die junge Studentin, von Orgasmus zu Orgasmus segelt, nachdem sie auf Seite 133 des 600 Seiten umfassenden Werkes einmal damit angefangen hat, zumindest beachtlich. Einmal gelingt es ihr sogar im Schlaf - dass ihr Christian Grey im Traum erscheint, genügt.
Typische Sätze des aus Sicht der Studentin geschriebenen Werks: "Plötzlich ziehen sich mir bisher unbekannte Muskeln im Unterleib zusammen." Oder: ". . . die Muskeln in meinem Unterleib ziehen sich auf köstliche Weise zusammen." Oder: "In meinem Unterleib ziehen sich sämtliche Muskeln zusammen." Oder: "Dieses Ziehen tief in meinem Unterleib." Oder: "Wieder spüre ich dieses Ziehen im Unterleib." Oder: "Ich stöhne auf, spüre das Ziehen in meinem Unterleib." Oder: "Ich stöhne, als sich die Lust mit einem scharfen Ziehen in meinem Unterleib bemerkbar macht." Oder: ". . . dieses vertraute Ziehen tief in meinem Unterleib, immer schneller, immer heftiger." Oder auch: "Sämtliche Muskeln in meinem Unterleib spannen sich an." Irgendwann scheint sich die Heldin allerdings an ihre neue Muskeltätigkeit gewöhnt zu haben, ab Seite 420 findet sie keine Erwähnung mehr.
Schlagen
Zur ersten Penetration kommt es auf Seite 135. Auf Seite 177 etwa hätte ich es normalerweise weggelegt und wäre erschöpft und genervt eingeschlafen. Doch, Himmel, dann hätte ich ja das erste Schlagen verpasst, zu dem es erst auf Seite 312 kommt und das unserer großäugigen Heldin sogar Vergnügen bereitet, einfach deshalb, weil es dieser "absolut göttlich" aussehende Typ ist, der da seine Hand (später auch Gürtel und Gerten) auf ihr entblößtes Hinterteil niedersausen lässt. Und da sie so unschuldig und unerfahren ist, kennt sie es ja auch gar nicht anders.
Lässt man den sadomasochistischen Aspekt einmal beiseite, was nicht schwer ist, weil er so zahm und lieb aufbereitet ist, dass man das Buch auch Kindern in die Hand drücken könnte, ohne nachhaltige Schäden befürchten zu müssen, erzählt "Shades of Grey" die klassische Geschichte vom Reiz der Gegensätze. Hier eben so: Sie steht nicht so aufs Fisten, er nicht auf Berührungen. Oder auch, noch ein Klassiker: Sie will etwas, das er nicht geben kann - Liebe.
Bislang wurden weltweit etwa zehn Millionen Exemplare der Romanserie verkauft, das Buch führt seit März die Bestsellerliste der "New York Times" an, die Buchrechte wurden in 37 Länder verkauft. Während der bisherige Rekordhalter im Absetzen von Taschenbüchern, "Der Da Vinci Code", 36 Wochen benötigte, um es auf eine Million Exemplare zu schaffen, genügten "Shades of Grey" dafür gerade mal elf. Am größten aber ist der Erfolg als elektronischer Download. Natürlich, es handelt sich ja nicht um die Memoiren eines männlichen Politikers, ist die Leserschaft vor allem weiblich, und ein Grund für den gewaltigen Absatz als E-Book könnte sein, dass Frauen sich nicht gerne in Bus oder Bahn beim Lesen eines sadomasochistisch angehauchten Buchs erwischen lassen wollen - da ist so ein E-Reader doch viel diskreter.
Absahnen
Das Interessanteste an "Shades of Grey", das sich trotz der SM-Szenen überraschend bieder liest, ist wohl, wie es überhaupt zu einem solchen Riesenerfolg werden konnte. In den amerikanischen Medien ist eine Diskussion darüber entbrannt, was das Thema einer sich vollkommen einem Mann unterwerfenden Frau über unsere Zeit aussagt. Einige Journalistinnen waren der Ansicht, dass dies bedauernswert rückständig sei, andere erklärten eine Sehnsucht nach Kontrollverlust und totaler Auslieferung, wenigstens im Bett (beziehungsweise in der Folterkammer), mit den gestiegenen Anforderungen an Frauen in der heutigen Berufswelt. Wieder andere glaubten, es sage gar nichts über Männer und Frauen heute aus, sondern der Erfolg erkläre sich schlicht und einfach durch geniales Marketing. Zunächst war die Trilogie nämlich nur schwer erhältlich, weil es darin aber, wie rasch durchsickerte um Hardcore-Spielarten von Sex ging, wurde Neugierde geweckt, wurde über das zunächst im Internet publizierte Werk viel gemunkelt, wurde es noch vor der offiziellen Veröffentlichung zu einer Art Mythos - und als es dann endlich auf den Markt kam, war das Interesse bereits so groß, dass jeder beziehungsweise jede sich ein eigenes Bild machen wollte. Ein Selbstläufer, erfolgreich wegen seines Erfolgs, das typische Paris-Hilton-Phänomen.
Es ist im Grunde dieselbe, langweilig zu lesende Erfolgsgeschichte, wie man sie seit Jahren aus der Musikindustrie kennt. Jemand veröffentlicht etwas auf eigene Faust im Internet, es findet sein Publikum - und schließlich seinen Weg in die althergebrachten Vertriebswege. Zunächst hatte E. L. James ihre erotischen Phantasien gratis als nicht jugendfreie Fortsetzung der "Twilight"-Saga auf eine Fan-Fiction-Website gestellt. 37 000 Leserkommentare später tilgte sie die Referenzen an "Twilight" und stellte das Werk kostenpflichtig auf eine eigene Website, wo die Nachfrage wiederum so riesig war, dass sie irgendwann einen (angeblich siebenstelligen) Buchvertrag bekam. Inzwischen sind auch die Filmrechte verkauft (für angeblich fünf Millionen Dollar), Bret Easton Ellis, der in letzter Zeit vor allem auf Twitter publiziert, vermeldete eben dort, dass er sich anerböte, das Drehbuch zu schreiben, und nahezu minütlich werden neue Schauspielernamen als mögliche Besetzung ins Gespräch gebracht. Sogar Tom Cruise, soeben 50 geworden, können sich einige in der Rolle des 27-jährigen Christian Grey vorstellen.
Trotz aller gutgemeinten Warnungen: "Shades of Grey" ist bestimmt keine Absage an den Feminismus, kein Rückschritt in Sachen Gleichberechtigung, keine Bedrohung für nichts und niemanden. Es ist eine unbeholfen geschriebene Liebesgeschichte, die ziemlich viel davon erfüllt, was Frauen sich gemeinhin so wünschen, unter anderem einen Mann, der so gut wie nichts unversucht lässt, seiner Partnerin Freude zu bereiten, oder sagen wir ruhig: Lust.
Der Roman ist eine Mischung aus "Pretty Woman" (bis hin zum vom Helden geflogenen Hubschrauber), "91/2 Wochen" (Champagner im Bauchnabel) und eben "Twilight", wo das Beißen des männlichen Vampirs ja auch etwas dringend Sexuelles hat. Wer ein gutes Buch lesen möchte, sollte die Finger davon lassen; wer wissen möchte, was es mit diesem Phänomen auf sich hat, wird wahrscheinlich enttäuscht sein. Orgasmen reihen sich an Orgasmen, dazwischen verliert sich die Autorin in einem Wust aus überflüssig detaillierten Beschreibungen ("Das Heathman liegt im Stadtzentrum von Portland. Das eindrucksvolle rötlich-braune Sandsteingebäude wurde knapp vor dem großen Crash Ende der Zwanzigerjahre fertiggestellt") und Adjektiven ("Anmutig schlendert er vor den Käfig und sieht mich eindringlich an"). Auf nahezu jeder zweiten Seite findet sich eine neue Beschreibung der wahnsinnig grauen Augen des Protagonisten, mal funkeln sie gefährlich, mal glimmen sie wölfisch, mal weiten sie sich, glühen, sehen aus wie flüssiges Silber, dann wieder blicken sie kalt.
Für die von ihm selbst offenherzig eingestandene "Abgefucktheit" des Helden gibt es recht schnell eine psychologische Erklärung: Seine Mutter war eine, was sonst, "Crackhure", außerdem, doppelt hält besser, wurde er von einer Freundin seiner Adoptivmutter als Teenager missbraucht. Die meisten Kapitel beginnen damit, dass die Heldin aus dem Schlaf erwacht (in den sie, von Peitschenhieben und diversen Stößen ermattet, selig gefallen war). Weil es ein moderner Roman ist, wird vor jedem Sexualakt erst mal ein Kondom übergestreift, mindestens zwanzig der 600 Seiten gehen alleine für diese Tätigkeit drauf. Und weil es um Lust geht, nicht um Vergewaltigung, werden die Grenzen dessen, was die Frau mitzumachen bereit ist, zuvor penibel in einem Regelwerk festgelegt; nichts geschieht gegen ihren Willen - und am Ende, so die Verheißung des ersten Bands, der, entschuldigen Sie den hoffentlich verzeihlichen Verrat, mit einer Trennung endet, besteht für die Fortsetzungen sogar noch Hoffnung auf eine nun wirklich nicht abgefuckte Sache: Liebe.
P. S. Als ich "Pretty Woman" neulich im Fernsehen wieder gesehen habe, fand ich es eigentlich ganz nett.
JOHANNA ADORJÁN
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Ina Hartwig staunt nicht schlecht: Ein Porno, in dem kein einziges obszönes Wort fällt? In dem "eine Erektion zum Vorschein kommt"? In dem der S/M-Sex per Vertrag abgesichert wird und der Geruch nach Duschgel nie verschwindet? So einen biederen Schmöker hat Hartwig lange nicht gelesen. Eigentlich bräuchte sie zu der Geschichte von der unschuldigen Studentin, die in den Bann eines superreichen, supergutaussehenden und überhaupt supercoolen Geschäftsmanns mit Sadomaso-Neigung gerät, nicht mehr viel dazu sagen, aber sie möchte doch belegen, wie simpel die Prosa dieser Autorin ist, die mit ihren Frauenporno-Bestsellern zur Multimillionärin geworden ist. Schlimm findet die Rezensentin auch den Werbebroschüren-Duktus ("Im Geschäftsleben geht es um Menschen, Miss Steele, und ich bin ein guter Menschenkenner"), die ganze bunte Warenwelt und das "kindische Verhältnis zum Konsum". Für Hartwig nur Schmerz, keine Lust.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Das Buch gilt nicht bloß als derzeit heißester Lesetipp für Frauen, sondern versetzt auch die angelsächsischen Medien in Auf- und Erregung, «Fifty Shades of Grey» und die Folgebände sind derzeit ein Phänomen, wie es Ende der 1990er-Jahre die TV-Serie «Sex and the City» war. In Onlineforen tauscht die Leserinnenschaft ihre Begeisterung aus, in Zeitungen und im Fernsehen gestehen Frauen, wie die Lektüre der Bondage-Bände die eigene Lust entfesselt."
"Unbedingt anhören!"