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»Geheimnis der Rückkehr« ist ein Erinnerungs- und Lebensbuch - und ein Buch über unsere Welt: Denn mehr als ein Vierteljahrhundert hat Stephan Wackwitz außerhalb von Deutschland verbracht, in London, Tokio, Krakau, Bratislava, New York, Tbilisi und Minsk: Jahrzehnte voller Begegnungen mit Menschen, Büchern und Ideen. Entsprechend besonders ist jetzt nach seiner Rückkehr der Blick auf Deutschland. Aber mindestens genauso spannend wie der äußere Lebensweg ist der innere, den Wackwitz hier nachgeht: vom pietistischen Klosterschüler in der schwäbischen Provinz zum verwirrten Jung-Marxisten der…mehr

Produktbeschreibung
»Geheimnis der Rückkehr« ist ein Erinnerungs- und Lebensbuch - und ein Buch über unsere Welt: Denn mehr als ein Vierteljahrhundert hat Stephan Wackwitz außerhalb von Deutschland verbracht, in London, Tokio, Krakau, Bratislava, New York, Tbilisi und Minsk: Jahrzehnte voller Begegnungen mit Menschen, Büchern und Ideen. Entsprechend besonders ist jetzt nach seiner Rückkehr der Blick auf Deutschland. Aber mindestens genauso spannend wie der äußere Lebensweg ist der innere, den Wackwitz hier nachgeht: vom pietistischen Klosterschüler in der schwäbischen Provinz zum verwirrten Jung-Marxisten der siebziger Jahre und von dort zum überzeugten Liberalen angelsächsischer Prägung und Kulturdiplomaten im Auftrag des Goethe-Instituts. Ein Höhepunkt essayistisch-autobiographischen Schreibens und ein Beispiel dafür, was man aus dem Leben machen kann - und wie.
Autorenporträt
Stephan Wackwitz, geboren 1952 in Stuttgart, verbrachte 26 Jahre im Ausland und lebt heute wieder in Berlin. Neben zahlreichen Essays erschienen von ihm Romane ('Die Wahrheit über Sancho Pansa', 'Walkers Gleichung'), kulturhistorisch-autobiographische Bücher über Tokio, Osteuropa und den Kaukasus sowie historisch-biographische Bücher über seinen Großvater ('Ein unsichtbares Land') und seine Mutter ('Die Bilder meiner Mutter'). Literaturpreise: Wilhelm-Müller-Preis 2010 Samuel-Bogumil-Linde-Preis 2012 Wilhelm Lehmann-Literaturpreis 2016
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.01.2024

Zauber des
Aufbruchs
Der Essayist und Kulturdiplomat
Stephan Wackwitz ist nach 30 Jahren im
Ausland zurück in Berlin. Welche Wege sind
die richtigen, wenn man aus der Enge der
Herkunft ausbrechen will? Ein Treffen.
VON HILMAR KLUTE
Von den handlichen Begriffen, mit denen Stephan Wackwitz in seinem neuen Buch die wichtigen Stationen seines Lebens bündelt, passt einer genau auf Wackwitz’ eigenes Schreiben: sprezzatura. Es ist dies ein Wort aus der Renaissance, das eine scheinbare Mühelosigkeit und Leichtigkeit des Arbeitens meint, der allerdings eine lebenslange Einübung in Denken, Lesen, Schreiben und natürlich auch ins Leben selbst vorausgegangen ist. Stephan Wackwitz hat eigentlich zwei Leben geführt, das eines Kulturdiplomaten und das eines Schriftstellers. Sein Lebensglück ist es vermutlich, diese beiden auf den ersten Blick unvereinbaren Berufe dergestalt miteinander versöhnt zu haben, dass es in regelmäßigen Abständen so elegante wie kluge Essays von ihm zu lesen gab, aus deren Gesamtheit inzwischen so etwas wie die intellektuelle Autobiografie eines weltreisenden Europäers geworden ist.
Nun ist Stephan Wackwitz, der an den Goethe-Instituten in Tokio, Minsk, Krakau, Bratislava, Tiflis und New York in leitenden Funktionen gearbeitet hat, nach Berlin zurückgekehrt – mit einem Buch, das deutlich mehr als einen resümierenden Blick auf die eigenen Lebensstationen wirft. „Geheimnis der Rückkehr“, so heißt Wackwitz’ neuer großer Essay, erzählt die Geschichte einer Leidenschaft für die Welt, die sich immer wieder neu entzündet an der Lektüre von Büchern und in Begegnungen mit Menschen. Das Schöne ist, dass man nun auch Stephan Wackwitz selbst, der mehr als 30 Jahre lang nicht in Deutschland gelebt hat, in diesem deutschen Winter zum Gespräch treffen kann. Wackwitz wohnt inzwischen in Kreuzberg eigentlich ziemlich exakt dort, wo dereinst der Todesstreifen der Mauer entlangführte – Begriffe alter, längst überwundener Dunkelheiten, die nun von anderen, mindestens so düsteren Wörtern (Remigration, Bevölkerungsaustausch) abgelöst worden sind.
Kreuzberger Kälte, hartgetretener Schnee, schlecht gestreute Gehwege, der Oranienplatz ist angenehm unbehandelt von den städtischen Komfortservicekräften. Die Bequemlichkeitslandschaft in der Lobby des Hotels Orania passt eigentlich überhaupt nicht zur roh gehaltenen Umgebung. Stephan Wackwitz kommt regelmäßig zum Zeitunglesen hierher, er hat sich in Berlin wieder eingelebt, auch wenn die intellektuellen Zirkel und Kreise, denen er – wenngleich mit gewisser Distanz – einmal angehört hat, inzwischen ausgestorben sind.
Sein Eindruck der gegenwärtigen Stimmungslage in Deutschland? „Es ist ein blockiertes Land“, sagt Stephan Wackwitz, natürlich im Hinblick auf die drohende Gefahr durch den von der AfD gesteuerten Rechtsextremismus: „Diese enorme Bedrohung, die lange ignoriert worden ist.“ Wie sollte man mit deren Revolutionshelden diskutieren? „Mit Höcke können Sie nicht reden, das ist sinnlos.“ Aber dafür wachse, so sein Eindruck, immerhin die Gesprächsdringlichkeit in den Kreisen, die nicht der AfD angehören. „Der Moment des achieving our country ist größer geworden im demokratischen Spektrum“, die sich verstetigende Gewissheit also, dass es jetzt auch in Deutschland darum geht, die demokratische Substanz des Landes zu verteidigen.
Achieving our country – auch das ist einer jener Schlüsselbegriffe, die Wackwitz in sein Weltgepäck aufgenommen hat. Er stammt vom philosophischen Pragmatiker Richard Rorty, Wackwitz hat dessen gleichnamigen Essay Ende der Achtziger als eine Art intellektuellen Gesellenbrief mit auf seine erste Auslandsstation nach Tokio mitgenommen. Weg mit den angeblichen Gesetzen, die uns die Geschichte auferlegt, um unser Leben nach ihnen auszurichten! Es gibt keine letztgültige weltanschauliche Wahrheit, die einen hindern könnte, sein Leben nach den eigenen Maximen zu führen. Nur wie kommt man dahin? Welche Wege sind die richtigen, wenn man aus der provinziellen Enge der Herkunft ausbrechen will in einen helleren und größeren Lebens- und Denkzusammenhang?
Stephan Wackwitz erzählt in seinem Buch die Geschichte einer Gestaltwerdung, und das betrifft die Herzensbildung ebenso wie den Versuch, eine literarische Form für die eigene Erzählung zu finden. Im Personal Essay hat Wackwitz diese Form gefunden, zum ersten Mal wohl als junger Mann in einer Ulmer Buchhandlung, wo Walter Benjamins „Einbahnstraße“ auslag. Jene berühmten Prosaskizzen also, die von entlegenen Themen handeln, aber: „An der Kontaktstelle von Selbst und Nebensache entsprang Poesie.“
Der Weg aus der Enge der schwäbischen Provinz soll zugleich der Gesamtbefreiungsakt werden, denn es geht dem jungen Wackwitz irgendwann nicht mehr nur darum, den pietistischen Erziehungsballast abzuwerfen. Auch die frühen Verirrungen in die marxistische Heilslehre und die bald als Einbahnstraße eben so gar nicht Benjaminscher Natur erkannte Referendariatszeit, selbst die Beschäftigung mit Hölderlin führten nicht ins Offene.
„Ich war underwhelmed“, sagt Wackwitz, der sich auf die Suche nach dem Gegenteil machte, der Überwältigung durch eine Realität und eine Literatur, die sich nicht der „Langweiligkeitsverschwörung“, die er bei den Repräsentanten der Nachkriegsliteratur witterte, anschloss. Das „Phantasma aus geträumter Familie und intellektuellem Ideal“ wird zu einer Art Spiegelreflex der Achtundsechziger, in deren Fahrtwind auch Wackwitz eine gute Weile unterwegs ist. Es geht auch immer darum, sich eine Art intellektuelle Ersatzfamilie zusammenzufantasieren: Bloch, Benjamin und Marcuse als ideale Gegenaufstellung zur eigenen Familie mit verdruckster Nazi-Vergangenheit. So liegt im Geheimnis der Rückkehr auch immer das Geheimnis des Aufbruchs oder, wie Wackwitz hier beim Cappuccino sagt: „Das schockierte Zerfallen und das langsame Sich-wieder-Zusammensetzen meiner Person in einem unbekannten Land.“
Stephan Wackwitz findet für seine erwünschte De- und Rekonstruktion nahezu nahtlos seine Anschlussstellen. Das gilt für die rasch aufeinanderfolgenden Entsendungen für das Goethe-Institut ebenso wie für die Referenzfiguren, die er sich in Büchern sucht und in Begegnungen findet. Der jüdische Exilant Ulrich Simon, der in Südfrankreich in bäuerlicher Repräsentativität residierende Kunstschriftsteller und Romancier John Berger, auch der polnische Regimekritiker und wegen seiner Versöhnungspolitik mit den alten Kadern heftig kritisierte Publizist Adam Michnik, den Wackwitz – eine raffinierte Schicksalsfügung – am (vermuteten) Grab Walter Benjamins in Port Bou kennenlernt. Es gibt schöne, scharf gezeichnete Porträts in diesem Band, auch von Grenzgänger-Gestalten wie Heiner Müller, den Wackwitz in Tokio als Vertreter eines ideologischen Mischwarenladens erlebte und dessen intellektuelle Verwahrlosung ihm in den alkohol- und zigarrendunstigen Nachmittagen mit dem Dramatiker offenbar wurde.
Die emotionale und geistige Eroberung Osteuropas geschieht bei Wackwitz nicht ganz freiwillig. Querelen und Machtkämpfe am Goethe-Institut werden zur Triebkraft, und die Station Krakau erlebt Wackwitz zunächst als eine Art Verbannung. Aber wie beinahe immer in seinem Leben wird Wackwitz Zeuge einer Umbruchzeit, als „fellow traveller einer Revolution“ erlebt er die Gestaltwerdung einer Demokratie ebenso wie die schmerzhaften Kämpfe der Polen mit den Geistern der Vergangenheit. Im Streit um die Beerdigung des Nationaldichters Czeslaw Milosz zum Beispiel, der manchen Altvordern als Verräter galt, erkennt Wackwitz „dass freie Gesellschaften auf Vulkanen angesiedelt sind“.
Lassen sich die Vorzüge von Gesellschaften für die eigene Gestimmtheit ausmachen? Was macht eine Stadt, ein Land lebenswerter als das andere? Hier in der Lobby des Kreuzberger Hotels sagt Stephan Wackwitz: „New York ist extrem kühl, die Gesellschaften im Osten sind viel wärmer, es herrscht dort eine hohe emotionale Temperatur bei allem.“ Das war auch der Grund, warum Wackwitz überlegte, ein Haus in Georgien zu kaufen, um dort zu leben. Nach Russlands Angriff auf die Ukraine und Putins Territorialfresserei ist Wackwitz „heilfroh, es nicht getan zu haben“.
Es gibt inmitten der politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen, deren Folgen Wackwitz in den jeweiligen Ländern seiner kulturdiplomatischen Arbeit beschreibt, eine verblüffende Kontinuität der intellektuellen Programmatik. Rortys einst für den aufbrechenden Stipendiaten und Autor Wackwitz so wichtige Absage an die letztgültigen Maximen des Denkens, findet während der Reisen durch die USA eine weitere Referenzfigur im „amerikanischen Goethe“ Ralph Waldo Emerson, dem Vordenker des amerikanischen Pragmatism, einer Philosophie der Hemdsärmeligkeit: „Wenn eine folgerichtige Idee dem richtigen Leben im Weg steht, fand Emerson, sollte man sie über Bord werfen.“ Blöderweise verträgt sich diese couragierte Maxime nicht immer mit den Erfordernissen täglicher Arbeit. Während seiner fünf Jahre in New York wachsen auch die Klagen über hemmende Verwaltungsvorgaben zu der Erkenntnis heran, „dass es in diesem Beruf darauf ankommt, möglichst wenig eigene Ideen zu haben“.
Nun ist Stephan Wackwitz die „Angestelltenprivilegierung“ endgültig los, seine kleine Wohnung in Kreuzberg hat er sich lange vor dem Immobilienirrsinn gekauft. Was ihm bleiben und wohl bald auch auf die beschreibende Eroberung Ostdeutschlands hinauslaufen wird, ist die essayistische Wobbliness, der tastende Erkenntnisgang durch die eigenen inneren Kontinente hin zu Orten, an denen sich die Welt und eben der Reisende selbst neu zusammensetzen.
Sein Eindruck
von Deutschland? „Es ist
ein blockiertes Land.“
Was macht eine Stadt,
ein Land lebenswerter
als das andere?
Weltreisender Europäer: Stephan Wackwitz wurde 1952 in Stuttgart geboren und arbeitete für das Goethe-Institut unter anderem in Delhi, Tokio, Krakau, Bratislava, New York, Tiflis und Minsk.
Foto: Tána Hojcová/S. Fischer
Stephan Wackwitz:
Geheimnis der
Rückkehr – Sieben Weltreisen. Verlag S. Fischer,
Frankfurt am Main 2024. 368 Seiten, 25 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Eine hymnische Besprechung widmet Iris Radisch diesem Buch ihres Kritikerkollegen Stephan Wackwitz, den sie ohnehin für seine autobiografischen Bücher schätzt. Mit dem vorliegenden, für Radisch ein "klassisch männlich deutscher Bildungsroman", vermisst Wackwitz nun seinen geistigen Werdegang, der ihn aus der schwäbischen Provinz bald als Goethe-Instiutsleiter von New York, Tokio und verschiedene Orte in Osteuropa zurück nach Berlin führte. Zunächst bei Heinz Schlaffer über die Elegien bei Hölderlin promovierend und im Marxistischen Studentenbund Spartakus aktiv wendet sich Wackwitz bald vom schwäbischen Pietismus ab und mit Richard Rorty dem amerikanischen Pragmatismus zu, wie er Radisch mit viel Ironie in diesem Essay wissen lässt. Die Kritikerin liest das mit viel Vergnügen und schaut gern über das ein oder andere allzu "penetrante Frohlocken" über "neoliberale Schmissigkeit und Dandytum" hinweg. Schließlich empfiehlt sie eine elegant geschriebene "große Erzählung".

© Perlentaucher Medien GmbH
Das Buch erzählt von einem großen inneren und äußeren Aufatmen. [...] eine große Erzählung von der langsamen Einwanderung in das eigene Land. Iris Radisch Die Zeit 20240327