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Ein Anruf der Anwaltskanzlei Rogers & Rogers verändert schlagartig das Leben des Literaturprofessors Samuel Anderson . Er, der als Kind von seiner Mutter verlassen wurde, soll nun für sie bürgen: Nach ihrem tätlichen Angriff auf einen republikanischen Präsidentschaftskandidaten verlangt man von ihm, die Integrität einer Frau zu bezeugen, die er seit mehr als zwanzig Jahren nicht gesehen hat. Ein Gedanke, der ihm zunächst völlig abwegig erscheint. Doch Samuel will auch endlich begreifen, was damals wirklich geschehen ist. - Ein allumfassender, mitreißender Roman über Liebe, Unabhängigkeit,…mehr

Produktbeschreibung
Ein Anruf der Anwaltskanzlei Rogers & Rogers verändert schlagartig das Leben des Literaturprofessors Samuel Anderson . Er, der als Kind von seiner Mutter verlassen wurde, soll nun für sie bürgen: Nach ihrem tätlichen Angriff auf einen republikanischen Präsidentschaftskandidaten verlangt man von ihm, die Integrität einer Frau zu bezeugen, die er seit mehr als zwanzig Jahren nicht gesehen hat. Ein Gedanke, der ihm zunächst völlig abwegig erscheint. Doch Samuel will auch endlich begreifen, was damals wirklich geschehen ist. - Ein allumfassender, mitreißender Roman über Liebe, Unabhängigkeit, Verrat und die lebenslange Hoffnung auf Erlösung, ein Familienroman und zugleich eine pointierte Gesellschaftsgeschichte von den Chicagoer Aufständen 1968 bis zu Occupy Wall Street.
Autorenporträt
Hill, Nathan
Nathan Hill, geboren 1978, lebt in Chicago und St. Paul, Minnesota, wo er an der University of St Thomas Englische Literatur unterrichtet. Seine Erzählungen erschienen in zahlreichen Magazinen und Zeitungen, sie waren nominiert für den Pushcart und den Barthelme Preis. »Geister« ist sein erster Roman und wurde in über zwanzig Sprachen übersetzt.

Löcher-Lawrence, Werner
Werner Löcher-Lawrence studierte Journalismus, Literatur und Philosophie, arbeitete an der Universität München und als Lektor in verschiedenen Verlagen. Heute ist er als literarischer Agent und Übersetzer tätig (www.loecher-lawrence.de). Zu den von ihm übersetzten Autoren gehören u.a. John Boyne, Nathan Englander, Hilary Mantel, Hisham Matar, Lionel Shriver und Meg Wolitzer.
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Eigentlich sieht sich Samuel Andresen-Anderson als Schriftsteller, eine Kurzgeschichte brachte ihm gar einen Verlagsvertrag mitsamt Vorschuss ein. Aber seither hat er nichts mehr geschrieben. Nun vertreibt er sich die Zeit mit der Arbeit als Literaturprofessor an einem College in einem Vorort von Chicago und World of Elfscape, einem Online-Spiel, in dem er auf die Jagd nach Drachen und Orks geht. Doch dann geschieht etwas: Ein Anwalt ruft ihn an, er solle für seine Mutter einen Leumundsbrief schreiben. Ausgerechnet er! Seine Mutter hat ihn verlassen, als er ein Kind war. Der Brief führt Samuel zu einem erneuten Kontakt mit seiner Mutter - und den Leser von Norwegen in den 1950er-Jahren über die 68er-Bewegung in Chicago bis hin zu Occupy Wall Street. Nathan Hill verarbeitet in seinem vielversprechenden Romandebüt eigene Erfahrungen als hadernder Autor, Englischlehrer und Online-Gamer und entwickelt mit schillernden Figuren, erzählerischen Ideen und Sprachgefühl eine satirische Geschichte über Universitäten, Politik, das Verlagswesen und die Gesellschaft. Leider stecken zu viele Details, Schauplatzwechsel und Figuren in diesem Roman, sodass zu wenig Raum für die Entwicklung der Charaktere bleibt, zudem wählt Hill ein allzu konventionelles Ende.

© BÜCHERmagazin, Sonja Hartl (sh)

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Ulrich Baron ist beeindruckt von Nathan Hills umfangreichem Debütroman. Die titelgebenden Geister, die das Buch beschreibt, wird er nicht so schnell los, erklärt er. Das liegt an Hills Fähigkeit, die Widersprüche in der amerikanischen Gesellschaft gleich in einer ganzen Reihe epischer Spannungsbögen und Zeitebenen zu packen, die vom Provinzdasein in den USA der 60er über die Hippiebewegung bis zu Occupy einen Vertikalschnitt durch die Entwicklung der US-Gesellschaft legen, wie Baron staunend feststellt. Über den Protagonisten, laut Baron ein liebenswerter Computerspiel-Nerd, rührt der Autor sogar an das magische Denken und schafft es mit Bezügen zur Präsidentschaftswahl außerdem, seinem Text Aktualität zu verleihen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.10.2016

Wenn man die falsche Abzweigung nimmt

Nathan Hill heißt der in Chicago lebende Autor, über dessen 800 Seiten langen Debütroman "Geister" gerade alle reden. Zu Recht?

Sollten Sie auf die Idee kommen, den Autor Nathan Hill zu googeln, werden Sie sich vielleicht kurz wundern, dass dieser rotbäckige Mann, dem man seine vierzig Jahre keine Sekunde abnimmt und der eine verblüffende Ähnlichkeit mit Tim (aus "Tim und Struppi") hat, der heißeste neue Autor des Buchherbstes sein soll. Die "New York Times", auf dessen Bestsellerliste sein Debütroman "The Nix", in der deutschen Ausgabe "Geister", seit mehreren Wochen weit oben steht, verglich den Newcomer mit John Irving. Irving wiederum sah in ihm einen neuen Dickens. Dickens konnte dazu natürlich nichts sagen, dafür kamen weitere Vergleiche aus anderen Ecken: David Foster Wallace, Jonathan Safran Foer, irgendwo las ich auch Don DeLillo, Tom Wolfe und natürlich Garth Risk Hallberg, was vielleicht vor allem daran liegt, dass Hill, wie auch Risk Hallberg, ein Debüt in Überlänge geschrieben hat.

Lassen wir die Frage, weshalb übrigens nicht nur amerikanische Autoren neuerdings so unerhört dicke Bücher schreiben, beiseite und kommen zur Geschichte. Die geht in etwa so: Samuel Andresen-Anderson, Englischprofessor und verkappter Schriftsteller, langweilt sich in seinem Leben. Er verbringt zu viel Zeit in einer Videospiel-Welt namens "Elfscape", verzweifelt über die Passivität seiner Studenten und wird von seinem Verlag für Nichtlieferung eines bereits großzügig vorbezahlten Manuskripts verklagt. Samuels Leben ist mies, bis hierhin allerdings kein Stoff für fast 900 Seiten. Doch dann geschieht etwas: Samuels Mutter, Faye, die ihren Jungen verließ, als er gerade mal elf Jahre alt war, bewirft einen Präsidentschaftskandidaten, den rechtspopulistischen Gouverneur Sheldon Packer, mit Kieselsteinen und wird angezeigt - erst wegen Körperverletzung, später wegen terroristischer Machenschaften und Verbindung zu Al Qaida.

Warum sie so etwas macht, tut erst einmal nichts zur Sache (wir erfahren es erst nach 700 Seiten), wichtig ist, dass dieses Ereignis Samuels Leben umkrempelt. Sein Verleger, der skrupellose, extrem amüsante Guy Periwinkle, schlägt ihm einen Deal vor: Er schreibt ein Buch über die Rabenmutter, eine öffentliche Abrechnung mit der Attentäterin, und seine Schulden sind beglichen. Damit beginnt Samuels Suche nach der Wahrheit über eine Frau, von der er nicht viel mehr weiß, als dass sie stets unglücklich war und ihm mit nordischen Sagen von kindermordenden Geistern (!) und wenig kinderfreundlichen Weisheiten wie "Die Dinge, die du am meisten liebst, werden dich eines Tages am schlimmsten verletzen" Angst einflößte. Er bohrt sich immer tiefer in die Vergangenheit und stößt auf ein paar Geister und viele Geschichten.

So wie sein Protagonist, der Schriftsteller werden will, um seine verlorene Mutter und eine Frau, seine Jugendliebe Bethany, zu beeindrucken, schrieb auch Nathan Hill lange Zeit, "um zu gefallen", wie er sagt. Nur schreibt man aus Gefallsucht bekanntlich nicht besonders gut, weshalb er irgendwann sein System änderte: Statt in eine neue Kurzgeschichte warf er sich kopfüber in dieses Mammutprojekt. Begonnen hat es klein, als Mutter-Sohn-Geschichte, dann kam die Politik dazu, dann das Computerspielen, das Hill selbst eine Weile als Realitätsflucht nutzte, dann Occupy Wall Street, dann die Aufstände in Chicago 1968, nordische Mythen und schließlich eine punktuell durchsickernde Systemkritik. Was immer Hill in den zehn Jahren, die er am Roman schrieb, gefiel oder interessierte oder einfach nur irritierte, es fand seinen Weg in die Geschichte.

Das könnte schnell nerven, tut es aber nicht, dafür ist Hill zu gut. Wenn wir nicht gerade in der Vergangenheit stecken (er springt hin und her), wirkt es oft, als hätte er einfach in unsere Gegenwart hineingeleuchtet und aufgeschrieben, was am schärfsten heraussticht. Sheldon Packer zum Beispiel, dem wir bereits auf den ersten Seiten des Buches begegnen, kommt einem nur allzu bekannt vor: Er ist eine Waffen glorifizierende, populistischen Blödsinn posaunende, Bücher wie "Das Herz eines wahren Amerikaners" schreibende Witzfigur, die sogar Anhänger gewinnt und als Präsidentschaftskandidat antreten soll.

Oder Hills Beschreibung medialer "Ereignisse": Als Samuels Mutter eben jenen Gouverneur angreift, wird sie innerhalb weniger Stunden zum Youtube-Phänomen, sie wird: "der Packer Attacker", es überschlagen sich die Talkshows, in denen Pseudospezialisten Pseudofragen beantworten, alte Dokumentationen über "Terror in den U.S.A." werden wieder ausgepackt, Parteien legen die Sache zu ihren Gunsten aus und so weiter.

Besonders lustig ist der trockene Pragmatismus von Guy Periwinkle, der dem dann doch etwas zu gutgläubig-naiven Samuel erklärt, wie die Dinge laufen: Die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen sei sehr gering, sagt er, ihr Interesse für Ereignisse, ob tragisch oder lustig, ob weltbewegend oder nicht, halte genau sechsunddreißig Tage an. Danach wisse keiner mehr, worum es ging. Schön ist auch, wie spitz Periwinkle einen Occupy-Protestler beschreibt: "Er ahmt den Protest nach, den er mal im Fernsehen gesehen hat, vor vielen Jahren. Auch er hat sich längst verkauft, nur an ein paar andere Symbole."

Und dann ist da noch Laura Pottsdam, Samuels Studentin, deren Konzentrationsfähigkeit der einer Kaulquappe entspricht. Ihre Arbeiten schreibt sie im Internet ab, findet es aber eine bodenlose Frechheit, wenn ihr Professor es bemerkt und sie ermutigt, es beim nächsten Mal doch selbst zu probieren. Unerhört. Pottsdam hat schließlich Wichtigeres zu tun, zum Beispiel auf "IFeel" Gefühle mit "ihren fünfundsiebzig engsten Freunden" zu teilen, die ihr bei übler Laune ermutigende Dinge wie "Du bist die Beste!" oder "Kopf hoch, Süße!" schreiben.

"Geister" ist nicht ein Buch, es sind mehrere ineinanderverschachtelte Bücher. Es ist wie eine Matrjoschka, eine große Puppe, in der sich viele kleine verstecken. Jede hat ihre eigene Stimme, ihre eigenen Gedanken, ihren eigenen Blick auf die Welt. Diesen Perspektivwechsel bekommt Hill so weich hin, dass man nicht mal bemerkt, wie man gerade aus dem Geist eines elfjährigen Jungen der neunziger Jahre in den einer jungen Frau der Sechziger umgestiegen ist. Durch ihre Augen, also die von Faye, erleben wir, wie grässlich bedrückend und perspektivlos das Leben als Frau in dieser Zeit gewesen sein muss. In ihrer sehr kurzen Ausbruchsphase führt uns Faye dann ins Chicago des Jahres 1968, wir treffen Allen Ginsberg, der ziemlichen Hippie-Quatsch erzählt, und nehmen am historischen Protest teil, bei dem studentische Gruppen während der Democratic National Convention gewaltsam von der Polizei zerschlagen werden. Danach nimmt das Leben seinen Lauf, bis irgendwann auch der letzte Peace-and-Lover in einem ganz gewöhnlich bürgerlichen Leben steckt. Nur kann Faye das nicht akzeptieren.

Hill beschreibt einfühlsam, wie die Erinnerung, oder das verklärte Bild dieser wenigen Monate in Chicago, Faye daran hindern, ihr Leben zu leben. Längst verheiratet und Mutter, schaut sie wehmütig zurück, überzeugt davon, ihr "wahres Ich" verraten und ihr Glück verpasst zu haben. Bis sie schließlich ihre Familie verlässt, in der Hoffnung, jetzt endlich das eine, das richtige Leben zu leben. Das gelingt natürlich nicht. Tut es ja nie.

"Geister" erzählt von Schlüsselmomenten des Lebens, jenen Weggabelungen, an denen man sich entscheiden muss: Hierhin oder dorthin? "Manchmal nimmt man die falsche Abzweigung", sagt Faye zu Samuel an jenem Morgen, an dem sie ihn und seinen Vater für immer verlässt, "manchmal verirrt man sich."

Nathan Hill, soviel steht fest, hat den richtigen Weg gefunden. Klar, hätte der Lektor ein paar mehr Seiten gekürzt, man hätte nicht um sie geweint (besonders nicht um jene Langzeitaufnahmen der Gedanken eines übergewichtigen Computerspiel-Junkies), allerdings scheint Hill all diese Leben und Abzweigungen zu brauchen, um das dichte Erzählnetz zu spannen, in das man sich so gerne fallen lässt. Nur das Ende wirkt zu einfach: Plötzlich finden alle Wege auf sehr versöhnliche Art und Weise zusammen. Schade. Man müsste aber schon besonders hartherzig sein, um diesen rotbäckigen Autor nach dem Zuklappen des Buches nicht wirklich sehr zu mögen.

ANNABELLE HIRSCH

Nathan Hill: "Geister". Roman. Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence und Katrin Behringer. Piper, 865 Seiten, 25 Euro

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"Spannende Familiengeschichte.", Freundin, 24.01.2018