Die Ära Kohl (1982-1998) nimmt sich im Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit ausgesprochen ambivalent aus. Auf der einen Seite war sie geprägt von einer auffälligen gesellschaftlichen Erinnerungs-, Informations- und Diskussionsbereitschaft und der Verdichtung einer inzwischen vielschichtigen NS-spezifischen Erinnerungskultur. Auf der anderen Seite stand und steht die Behauptung einer durch die Regierung Kohl mit Amtsantritt 1982 angekündigten und fürderhin geschichtspolitisch stringent umgesetzten "geistig-moralischen Wende" im Verhältnis zur NS-Epoche mit dem Ziel, deren Bedeutung als dominierende Bezugsgröße im deutschen Vergangenheitshorizont abzuschwächen. Diese politikgeschichtlich ausgerichtete Studie geht der Frage nach, ob und inwieweit eine solche Behauptung gerechtfertigt ist. In einer synoptischen Zusammenschau werden dazu herausragende Beispielsfälle offizieller west- bzw. gesamtdeutscher Geschichtspolitik der Jahre 1982-1998 in den Blick genommen, die wenigstens zum Teil auch als Objektivationen der "geistig-moralischen Wende" gelten: politische Gedenktage, Museums- und Denkmalprojekte auch oder ausschließlich zur öffentlichen Erinnerung an die NS-Vergangenheit.