Veröffentlicht in „Das Goetheanum“ 51/52 2007. Rezensient: Dietrich Rapp, ehm. Chefredakteur der Wochenschrift „Das Goetheanum“. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Rezensienten.
Von einem, der auszog …
Andreas Heertsch:
Geistige Erfahrung im Alltag
Das hier vorzustellende Büchlein
ist eine „Einladung“ – so sein Untertitel –, keine theoretische Abhandlung, kein Traktat über die…mehrVeröffentlicht in „Das Goetheanum“ 51/52 2007. Rezensient: Dietrich Rapp, ehm. Chefredakteur der Wochenschrift „Das Goetheanum“. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Rezensienten.
Von einem, der auszog …
Andreas Heertsch:
Geistige Erfahrung im Alltag
Das hier vorzustellende Büchlein ist eine „Einladung“ – so sein Untertitel –, keine theoretische Abhandlung, kein Traktat über die Stufen der höheren Erkenntnis. Von diesen handelt es zwar, aber in Form von persönlichen Erzählungen, in denen der Autor von seinen eigenen Erfahrungen berichtet, die er auf dem Schulungsweg machen konnte. Mitzugehen, mitzuprüfen, dazu lädt der Essay ein.
Andreas Heertsch ist promovierter Experimentalphysiker, und, wie er zweimal zu seiner Person betont, ohne mitgebrachte übersinnliche Erlebnisse. So experimentiert er auf diesem Felde. Dazu gehört zuerst der Entschluss, das Experiment durchzuführen, das heisst den Schulungsweg zu beginnen, den ersten schritt zu tun, „beherzt“, wie er sagt, einfach „anfangen, egal wie anfänglich und wie verkehrt“. Das ist Heertscher Willensweg; Man muss ins Wasser (der übersinnlichen Welten) springen, um schwimmen zu lernen. Aber er betont zugleich: „Erfahrend bleiben, sich korrigieren lassen“. Das ist die offene experimentelle Situation, in der der Übende geistige Erfahrungen erwarten kann.
Es ist ein Markenzeichen des Büchleins, dass es die anfänglichen geistigen Erfahrungen nicht in einem Jenseits auslegt, in einem Elysium ruhiger, ewiger Einsichten, sondern hier und jetzt: „im Alltag“. Heertsch: „Ich möchte also zur Liebe zum Besonderen im Alltäglichen einladen und für sie werben, wenn ich davon erzähle, wie ich über dieses Alltägliche gestolpert bin.“ Ja, er hat viel probiert und ist viel gestolpert – und daran gereift. Das zeigen die konkreten Entdeckungen auf dem steinigen Schulungsweg, die er sehr schön, oft mit gelungenen Wortwendungen, beschreibt. Es ist erstaunlich, wie hilfreich, wie anregend und erhellend die Erlebnisformen der übenden Erfahrung, des Scheiterns und des wachen Dranbleibens sein können für die Charakterisierung der höheren Erkenntnisformen.
Imagination, Inspiration und Intuition als Erlebnisformen gliedern das ganze Büchlein und zeigen sich darin mit einer Fülle von Fragen, Prüfungen, Erfahrungen und Einsichten in ihren Wesenzügen. Alles wird authentisch erfahren und begriffen vorgetragen, nichts als endgültig festgelegt, allenfalls als Erfahrungs-Vorwurf vorgelegt: probiere und sehe. Originell zum Beispiel ist der Versuch, die Sinneserlebnisse so zu vertiefen, dass sie die Grundverfassung der Intuition – also der höchsten Erkenntnisart mitten im Alltag wiederspiegeln können.
Zahlreiche Bilder demonstrieren die geschilderten Erlebnisse, Sprachbilder, aber auch still begleitende Farbabbildungen. Sprechend zum Beispiel die Erfahrung des Geleitschirmfliegers Heertsch im Moment des Abhebens vom Boden beim Start am ‚Point of no Return’: Ab da „muss ich in der Luft sein“ (der geistigen Erfahrung). Davor das Zögern und Zweifeln – dann der beherzte Absprung. Aber gerade in der Luft tun sich unten die „Abgründe des Individuellen“ und ihre „Schluchten des Willens“ auf, aus denen manche Suggestionen der Selbsttäuschung hochschlagen und den Flug gefährden. Dessen bleibt sich der ‚Überflieger’ bewusst. So haben wir mit diesen Berichten das ehrliche Protokoll eines Bruders, der auszog, das Geist-Erfahren zu lernen, ein biographisches Dokument der Selbsterkenntnis auf dem Wege zu übersinnlichen Erlebnissen. Wer den Autor auf diesem Wege, den jeder, im einsamen Entschluss, Durchalten und Prüfen, nur für sich gehen kann, dennoch im Geheimen gelegentlich begleitet hat, das verrät er am Ende, nach dem „Ende der absoluten Wahrheit“: ‚Barbarossa’, der ihn einiges lehrte…