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Es war einmal ein Mann, der hieß Albinus und lebte in der deutschen Stadt Berlin. Er war reich, angesehen und glücklich; um eines jungen Mädchens willen verließ er eines Tages seine Frau; er liebte; wurde nicht geliebt; und sein Leben endete in einer Katastrophe ... Vladimir Nabokovs Roman über das Berlin der zwanziger Jahre.

Produktbeschreibung
Es war einmal ein Mann, der hieß Albinus und lebte in der deutschen Stadt Berlin. Er war reich, angesehen und glücklich; um eines jungen Mädchens willen verließ er eines Tages seine Frau; er liebte; wurde nicht geliebt; und sein Leben endete in einer Katastrophe ... Vladimir Nabokovs Roman über das Berlin der zwanziger Jahre.
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Autorenporträt
Vladimir Nabokov wird am 22. April 1899 in St. Petersburg geboren. Nach der Oktoberrevolution flieht die Familie 1919 nach Westeuropa. 1919-1922 in Cambridge Studium der russischen und französischen Literatur. 1922-1937 in Berlin, erste Veröffentlichungen, meist unter dem Pseudonym W. Sirin. 1937-1940 nach der Flucht aus Nazideutschland in Südfrankreich und in Paris, seit 1940 in den USA. 1961-1977 wohnt Nabokov im Palace Hotel in Montreux. Er stirbt am 2. Juli 1977.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.09.1998

Das fremde Ich
Nabokovs frühe, vorausweisende Romane · Von Michael Maar

Wir mußten lange warten auf dieses aparte Detail: ein Ekel, das seiner Geliebten eine Pastete, gefüllt mit Küchenabfällen, serviert. Nabokov hat es gestrichen, als ihm 1937 ein amerikanischer Verlag sechshundert Dollar Vorschuß für eine Ausgabe der "Camera obscura" bot, die 1934 auf deutsch und zwei Jahre später in einer schlechten englischen Übersetzung erschienen war: ein Angebot, das er nicht ablehnen konnte und das dazu führte, daß er mit der neuen Übersetzung, an die er sich sofort machte, das halbe Buch umschrieb. Neben der trügerischen Pastete schmiß er ein Proust-Pastiche heraus und änderte fast alle Namen, einzelne Figuren und Handlungszüge, nicht zuletzt in der Hoffnung, "Laughter in the Dark", so nannte er die überarbeitete "Camera obscura", fände das Gefallen Hollywoods.

Die beiden Fassungen liegen jetzt gemeinsam mit dem lange Zeit vergriffenen "Despair" wieder vor. "Gelächter im Dunkel" faßt seine Handlung im ersten Absatz zusammen, und schon der etwas falsche Märchenton zeigt, daß es nicht der beste Nabokov ist, der hier beginnt: "Es war einmal ein Mann, der hieß Albinus und lebte in der deutschen Stadt Berlin. Er war reich, angesehen und glücklich; um eines jungen Mädchens willen verließ er eines Tages seine Frau; er liebte; wurde nicht geliebt; und sein Leben endete in einer Katastrophe."

Betrogen von dem bösen Mädchen Margot, dem er verfallen ist, verliert Albinus bei einem Unfall sein Augenlicht und muß als Blinder in das Dunkel lauschen, in dem Unerklärliches passiert - Margots Liebhaber lebt heimlich mit ihnen unter einem Dach, und sie verspotten und malträtieren den Wehrlosen so lange, bis Rettung von außen kommt, Albinus zur Rache anhebt und von Margot erschossen wird, der mythischen Schlange, die sich danach wie Keats "Lamia" in Luft auflöst.

Was sich wie der Albtraum eines untreuen Ehemanns liest, der nur einmal einer jungen Kinoanweiserin folgen muß, um alles zu verlieren, die Frau, das Kind, sein Glück und sein Leben, ist unterhalb der Oberflächenhandlung verwickelter. Denn Margot ist keine Frau, wie der Eingangsabsatz betont und der Roman nicht müde wird zu wiederholen, sondern ein junges Mädchen. Mit der schlanken, knabenhaften Figur, die Albinus aufstöhnen läßt, und den noch leicht kindlichen Linien ihres Körpers hält man sie am Strand für seine Tochter. Es ist immer wieder frappierend, wie alle Fluchtlinien beim frühen Nabokov auf seinen berühmtesten Roman zulaufen: Auch Lolita wird von ihrem Ersatzvater als Tochter mißbraucht; auch ihr Liebhaber Quilty ist nur ein später Axel Rex, der urböse, aber geistreiche Liebhaber der Früh-Lolita Margot.

Gerade der Vergleich zeigt aber auch, wie enorm sich Nabokov entwickelt hat. "Gelächter im Dunkel" mit seinen flachen Figuren, hoffnungslosen Klischees, wie er später selber fand, ist stellenweise so schwach, daß man sich wundert, wie er zur gleichen Zeit und davor schon Meisterwerke schreiben konnte. Vielleicht kein Meisterwerk, aber ein ungleich vitalerer Fall als das moralistische Blindenspiel ist der 1932 veröffentlichte Roman "Verzweiflung". Ungewöhnlich erweist er sich schon in der Wahl seines Materials, die an den Nabokov ganz fernen Autor Robert Musil erinnert. Durch dessen "Mann ohne Eigenschaften" stromert der Sexualmörder Moosbrugger, der ein halbes Jahrhundert lang als erfundene Kunstfigur galt, bis ihm 1984 Karl Corino auf die biographischen Schliche kam: Moosbrugger war ein Zitat, Musil hatte ihn wörtlich aus Zeitungsberichten und Prozeßakten über den bayerischen Zimmermann Christian Voigt geschöpft, der 1910 im Wiener Prater eine Prostituierte erstochen hatte.

Zwei Jahrzehnte später geschah bei Regensburg ein Verbrechen, das dem von Musil verwerteten an Brutalität nicht nachstand. Ein Erich Tetzner, Vertreter ausgerechnet eines Schulbuchverlags, hatte mit seiner Frau beschlossen, seine Ermordung vorzutäuschen, um die Lebensversicherung zu kassieren. Nach einem fehlgeschlagenen Versuch, bei dem sein Opfer sich schwer verletzt hatte retten können, stellte Tetzner es besser an und nahm einen schmächtigen Wanderburschen in seinem Wagen mit, erdrosselte und verstümmelte ihn, um die geringere Körpergröße zu vertuschen, und steckte das Auto in Brand. Eine Woche später wurde er in Frankreich gefaßt; die Versicherungsgesellschaft hatte dem Händeringen der Frau Tetzner, die in dem Toten ihren Erich wiederzuerkennen beschwor, nicht geglaubt und eine halbe Stunde vor der Beisetzung eine Autopsie anberaumt. Nach halbjährigem Prozeß und abgelehntem Gnadengesuch wurde Tetzner im Mai 1931 in Regensburg mit der Guillotine hingerichtet. Dieter E. Zimmer kann in seinem Nachwort minuziös beweisen, daß Nabokov seinen sechsten russischen Roman den Zeitungsmeldungen bis in die letzten Stoffalten nachdrapiert hat.

Bei ihm ist es der Ich-Erzähler Hermann Karlowitsch, der Tetzners Plan auf noch etwas abstrusere Weise in die Tat umsetzt. Hermann, verrückt wie sein Namensvetter in Puschkins "Pique Dame", hält sein Opfer Felix für seinen Doppelgänger. Erst darum kommt er auf die Idee des perfekten Verbrechens, die aber nicht nur deshalb scheitert, weil der Autor ihm einen Stock zwischen die Beine stellt, sondern auch deshalb, weil er von Anfang an eine Kleinigkeit übersehen hat, den Umstand nämlich, daß der Landstreicher Felix ihm nur ähnelt wie eine Rübe einer Kartoffel, also äußerst flüchtig.

Der Mordplan - hier beginnt Nabokovs Erfindung - verdankt sich dem getrübten Blick eines Narzißten, der überall nur sich selbst sieht. Der Leser muß aus den kleinen Ungereimtheiten und beiseite gemurmelten Satzfetzen auf all das schließen, was der größenwahnsinnige Hermann ihm wissentlich oder aus Blindheit vorenthält. Zu glauben ist ihm kein Wort; andererseits verrät er vieles, von dem er gar nichts weiß. Wie Albinus ahnt er nicht, daß seine Frau ihn schamlos betrügt. Als Ich-Erzähler muß er am Rande seines Gesichtsfelds Details zur Notiz nehmen, über deren Sinn er sich nicht im klaren wird, wie dies, daß der Lippenstift seiner Frau sich in der Hemdentasche des Vetters wiederfindet oder daß derselbe Vetter, als sie sich am Strand auszieht, mit der Erklärung flüchtet, er gehe eßbare Fliegenpilze suchen - nichts daran kommt Hermann merkwürdig vor, der nur an sich und sein unsterbliches Kunstwerk denkt.

Denn Hermann ist nicht nur Narzißt, er betrachtet sich auch als Künstler. "Verzweiflung" ist nicht nur eine Verspottung und Überbietung der doppelgängerreichen Verbrecherepen Dostojewskis, es ist auch die Parodie eines Künstlerromans. Die Zentralmetapher in diesem Roman ist das Bild eines auf die Wasseroberfläche fallenden Blattes, dem das Schattenbild von unten aus der Tiefe stumm zur Vereinigung entgegenschießt. Diese Vereinigung der beiden gleichen Hälften entspricht der Verschmelzung des Erzählers mit seinem anderen Ich, die ihr Finale in der Ermordung erreicht.

Wie in "Lolita" inszeniert Nabokov diese Verschmelzung als grotesken geschlechtlichen Akt. Wie dort muß er es hinter dem Rücken des Erzählers tun, der sich nur durch seine Assoziationen verrät. Bei ihrer ersten Begegnung steckt Felix Hermanns ominösen silbernen Drehbleistift ein - der gleiche, nebenbei bemerkt, den sich in Thomas Manns "Zauberberg" Hans Castorp von Hippe borgt. Als Hermann den Verlust dieses Drehbleistifts bemerkt, kommt er sich vor wie nach einer langen und ekelerregenden Orgie. Tulpen wirken phallisch auf ihn, und bevor er mit Felix gemeinsam auf ein Hotelzimmer geht, unter einem Mond, den man nicht Arno Schmidt zur Deutung hätte vorlegen dürfen ("Zwischen kleinen, wie Astrachanfell gekräuselten Wolken glitt ein blanker, flacher Mond unablässig heraus und wieder hinein"), bevor er also mit Felix fast unter einer Decke liegt und von "verräterischen Flecken schleimiger Natur" träumt, gerät seine Phantasie auf eine falsche Fährte, "und dies in einer ziemlich widerlichen Weise" - kurzum, Nabokov müßte ihn nicht noch Geschichten im Stile Wildes verfassen und die päderastischen Anklänge seiner Erzählung selbst benennen lassen, um den Sinn des Satzes, mit dem Hermann zum Mord schreitet, doppelt zu unterlegen: "Im kalten Wald stand vor mir ein nackter Mann. Unglaublich schnell (. . .) zog ich mich aus."

Der Mord, den er dann begeht, ist im weitesten Sinne - und anders als im Kriminalfall Tetzner - einer aus Irrtum, er verwechselt sein Opfer mit seinem Doppelgänger. Ein Mord aus Verwechslung beendet auch Nabokovs Alterswerk "Pale Fire". Dort lüftet Nabokov für einen Moment das Inkognito, in das er seine autobiographisch gelenkten Figuren zu hüllen pflegt: der Todestag des ermordeten Dichters Shade ist der Geburtstag seines Vaters, der 1922 in der Berliner Philharmonie bei einem Attentat russischer Reaktionäre, das nicht ihm gegolten hatte, ums Leben gekommen war.

Auch Hermanns Homosexualität gehört zu diesen gespiegelten und verzerrten Lebensthemen, und es ist nicht nur façon de parler oder blindes Motiv, daß er Felix als seinen Bruder ausgibt. Über die "befremdlichen, anomalen Neigungen" seines Bruders Sergej hat sich Nabokov mit seinem Vater noch in der Nacht vor dem Attentat ausgetauscht; schattenhaft zieht sich das Bruder-Problem, über das er mit dem "Sebastian Knight" einen ganzen Roman schreibt, noch bis in "Pale Fire" und selbst in das Spätwerk "Ada". Der immer benachteiligte Bruder starb 1945 einen elenden Tod im Konzentrationslager, und man kann sich die Mischung der Gefühle ausmalen, mit der Nabokov dies fremde Neben-Ich hinwegsinken sah.

Despair, der Schluß der Zeile aus dem "Tempest", die sich der greise Thomas Mann so oft zitiert, hat aber schon fünfzehn Jahre zuvor einen wahren Klang, den alles Spottgelächter im Dunkel nicht verdecken kann. Daß er auch zu ihr, der Empathie und Verzweiflung, fähig war, bewahrte den Autor des "Pnin" davor, der Narzißt zu werden, dessen Fratzen er wie als Abwehrzauber in die Papiere schnitt, um die wir noch heute staunend stehen.

Vladimir Nabokov: "Gelächter im Dunkel. Verzweiflung. Camera obscura". Frühe Romane III. Gesammelte Werke. Herausgegeben von Dieter E. Zimmer. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1997. 813 Seiten, geb., 58,- DM.

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