Vollgeld-Initiative, Krypto-Währungen, Modern Monetary Theory... Seit der Finanzkrise ist die Frage nach einem anderen Geldsystem wieder intensiv in der Diskussion. Dabei sind die Ideen nicht neu, sondern haben ihre Wurzeln tief in der Geschichte der Geldtheorien. Über diese Wurzeln und die relevanten Traditionslinien gibt das Buch einen Überblick. Es werden die zentralen Abschnitte der Geschichte der Geldtheorien vom 14. bis in das 20. Jahrhundert hinein vorgestellt und mittels einer im Verlaufe entwickelten Taxonomie miteinander verglichen. Die Darstellung beginnt mit knappen Überblicken zur Theorie-Geschichte, Geld-Geschichte und Geld-Theorie, ehe dann anhand von einzelnen Autoren die zentralen Gedanken der Geld-Theorie-Geschichte behandelt werden. Für die Zeit der Scholastik sind das Nicolaus Oresmius und Gabriel Biel. Aus der Neuzeit werden, beginnend mit Nikolaus Kopernikus, insbesondere John Law, Alexander Hamilton und Richard Cantillon behandelt. Die geldtheoretischen Diskussionen der ökonomischen Klassik, wie der Currency-School/Banking-School-Streit, werden anhand von David Hume, David Ricardo und Thomas Tooke diskutiert. Die deutschsprachige Tradition kommt mit Johann Heinrich Gottlob Justi, Adam Müller und Georg Friedrich Knapp zu Wort. Die marxistischen Diskussionen werden neben Karl Marx durch Rudolf Hilferding beleuchtet, ehe zuletzt mit Carl Menger, Irving Fisher und Joseph Schumpeter auch aus modernen Darstellungen bekannte Personen mit ihren Theorien betrachtet werden. Durch diese personenzentrierte und systematische Vorgehensweise ist auch eine nur ausschnittsweise Lektüre möglich.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.07.2022Denker über das Geld
Eine spannende Geschichte der Geldtheorien
Über die Rolle des Geldes in Wirtschaft und Gesellschaft haben viele bedeutende Denker geschrieben. Jan Greitens, Professor an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mosbach, hat sich in seinem nun in einer zweiten Auflage erschienenen Buch die Mühe gemacht, anhand der Arbeiten von rund zwei Dutzend Denkern eine Geschichte der Geldtheorien bis zum Jahre 1918 zu verfassen. Die Spanne reicht von Nicolaus Oresmius bis zu Joseph Schumpeter und seinem Aufsatz "Das Sozialprodukt und die Rechenpfennige".
Ein Überblick über die Entwicklung der Geldtheorien und ihrer Schöpfer droht uferlos zu werden. Greitens will sein Thema eingrenzen - wohl wissend um die Möglichkeit, jede Eingrenzung zu hinterfragen. So lässt er seine Geschichte mit Schumpeter enden, weil sich spätere Autoren weniger mit dem Wesen des Geldes und dafür überwiegend mit der Wirkung des Geldes auf die Wirtschaft befasst hätten.
Dem ließe sich entgegenhalten, dass auch frühere und von Greitens behandelte Autoren wie Richard Cantillon keine reine Geldwesenslehre betrieben haben. Vielmehr gilt Cantillon seit der Wiederentdeckung seines Werkes durch Friedrich Hayek wegen seiner Behandlung der Wirkungen einer Geldmengenerhöhung auf die Wirtschaft als ein Pionier der Geldwirkungslehre. Der "Cantillon-Effekt", nach dem nicht alle Bereiche einer Volkswirtschaft zeitgleich auf eine Geldmengenveränderung reagieren, ist ein vor allem von Vertretern der österreichischen Schule betonter Kritikpunkt an der heutigen Geldpolitik.
Bevor der Leser zu den schön illustrierten, gelegentlich etwas unübersichtlich gesetzten chronologischen Darstellungen der Autoren gelangt, warten rund 150 Seiten, in denen Greitens zwecks "Schaffung eines Rahmens" ausführlich "Begrifflichkeiten, theoretische Konzepte, historische Einordnungen und methodische Vorgehensweisen" vorschaltet. Fraglos erscheinen eine kurze Einführung in die Theoriegeschichte, ein Überblick über die Geldgeschichte und ein Abschnitt zu Grundbegriffen der Geldtheorie als Hinführung hilfreich. Aber dieser Teil ließe sich ohne einen schmerzhaften Substanzverlust zupackend kürzen.
Seine Autoren ordnet Greitens in Schulen ein, die von der Scholastik über den Merkantilismus, die Klassik, den Marxismus bis zur Neoklassik reichen. Deutschsprachigen Theorien ist ein eigenes Kapitel vorbehalten, in dem Johann Heinrich Gottlob Justi, Adam Müller, Johann von Komorzynski und Georg Friedrich Knapp behandelt werden. Von diesen Autoren erfährt heute am ehesten Knapp Aufmerksamkeit, dessen eher juristisch als ökonomisch fundierte "Staatliche Theorie des Geldes" als eine wichtige Inspiration für die in den vergangenen Jahren aufgekommene und höchst umstrittene "Modern Monetary Theory" gilt.
Zu jedem seiner Autoren bietet Greitens zunächst einen geschichtlichen Hintergrund, an den sich eine Biographie anschließt. Anschließend führt Greitens in einen wichtigen Text des Autors ein, dem eine Würdigung nachfolgt. Dieses Vorgehen führte zur Veröffentlichung eines Parallelbandes ("Geld-Theorie-Geschichte. Ausgewählte Texte 1361 bis 1918"), in dem die von Greitens vorgestellten Texte seiner Autoren abgedruckt wurden.
Jede Auswahl von Autoren aus der Vergangenheit ist notwendigerweise arbiträr. Und so finden sich in dem Buch Denker, die wegen ihrer Bedeutung unumgänglich erscheinen. Zu nennen wären etwa Nicolaus Oresmius für die Scholastik, John Law für den Merkantilismus, David Hume und David Ricardo für die Klassik oder Carl Menger und Irving Fisher für die Neoklassik. Erwähnung verdienen aber auch Autoren, die bedeutende Leistungen erbracht haben, aber gewöhnlich nicht in der ersten Reihe ihrer Zunft stehen. Als eine glückliche Entscheidung erweist sich so die Behandlung des mit Flugschriften ausgetragenen Sächsischen Münzstreits aus den Jahren 1530 und 1531, in dem erbittert die Argumente für und gegen Hart- und Weichwährungen ausgetauscht wurden.
Lobenswert ist auch die, allerdings recht knappe, Vorstellung Jean Bodins. Der französische Staatstheoretiker befasste sich Mitte des 16. Jahrhunderts mit der sogenannten "Preisrevolution", die er auf den Zufluss von Edelmetallen aus den neuen amerikanischen Minen zurückführte. Manche Fachleute sehen in Bodin den "Entdecker der Quantitätstheorie". Eine außerordentlich interessante Person war auch Ferdinando Galiani, der in jungen Jahren mit "Della Moneta" ein für die Maßstäbe des 18. Jahrhunderts sehr interessantes Werk verfasste, das weit über die Geldtheorie hinausreichte. In deutscher Sprache ist "Della Moneta" zuletzt im Jahre 1999 in einer von Werner Tabarelli sehr schön herausgegebenen Ausgabe erschienen. Im Rahmen des Marxismus wird auch Rudolf Hilferding behandelt, über dessen Hauptwerk "Das Finanzkapital" Greitens vor ein paar Jahren eine Monographie verfasst hat.
Was nützt die Beschäftigung mit alten Meistern? Der Dogmenhistoriker Bertram Schefold hat einmal daran erinnert, dass manche Altmeister wirtschaftliche Sachverhalte verständlicher erklären konnten als moderne Ökonomen, die häufig in mathematischen Modellen denken. Und viele scheinbar moderne Ansätze im Geldwesen besitzen weit in die Historie reichende Wurzeln. GERALD BRAUNBERGER
Jan Greitens: Geld-Theorie-Geschichte. 2. überarbeitete Auflage, Metropolis Verlag, Marburg 2022, 382 Seiten, 29,80 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine spannende Geschichte der Geldtheorien
Über die Rolle des Geldes in Wirtschaft und Gesellschaft haben viele bedeutende Denker geschrieben. Jan Greitens, Professor an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mosbach, hat sich in seinem nun in einer zweiten Auflage erschienenen Buch die Mühe gemacht, anhand der Arbeiten von rund zwei Dutzend Denkern eine Geschichte der Geldtheorien bis zum Jahre 1918 zu verfassen. Die Spanne reicht von Nicolaus Oresmius bis zu Joseph Schumpeter und seinem Aufsatz "Das Sozialprodukt und die Rechenpfennige".
Ein Überblick über die Entwicklung der Geldtheorien und ihrer Schöpfer droht uferlos zu werden. Greitens will sein Thema eingrenzen - wohl wissend um die Möglichkeit, jede Eingrenzung zu hinterfragen. So lässt er seine Geschichte mit Schumpeter enden, weil sich spätere Autoren weniger mit dem Wesen des Geldes und dafür überwiegend mit der Wirkung des Geldes auf die Wirtschaft befasst hätten.
Dem ließe sich entgegenhalten, dass auch frühere und von Greitens behandelte Autoren wie Richard Cantillon keine reine Geldwesenslehre betrieben haben. Vielmehr gilt Cantillon seit der Wiederentdeckung seines Werkes durch Friedrich Hayek wegen seiner Behandlung der Wirkungen einer Geldmengenerhöhung auf die Wirtschaft als ein Pionier der Geldwirkungslehre. Der "Cantillon-Effekt", nach dem nicht alle Bereiche einer Volkswirtschaft zeitgleich auf eine Geldmengenveränderung reagieren, ist ein vor allem von Vertretern der österreichischen Schule betonter Kritikpunkt an der heutigen Geldpolitik.
Bevor der Leser zu den schön illustrierten, gelegentlich etwas unübersichtlich gesetzten chronologischen Darstellungen der Autoren gelangt, warten rund 150 Seiten, in denen Greitens zwecks "Schaffung eines Rahmens" ausführlich "Begrifflichkeiten, theoretische Konzepte, historische Einordnungen und methodische Vorgehensweisen" vorschaltet. Fraglos erscheinen eine kurze Einführung in die Theoriegeschichte, ein Überblick über die Geldgeschichte und ein Abschnitt zu Grundbegriffen der Geldtheorie als Hinführung hilfreich. Aber dieser Teil ließe sich ohne einen schmerzhaften Substanzverlust zupackend kürzen.
Seine Autoren ordnet Greitens in Schulen ein, die von der Scholastik über den Merkantilismus, die Klassik, den Marxismus bis zur Neoklassik reichen. Deutschsprachigen Theorien ist ein eigenes Kapitel vorbehalten, in dem Johann Heinrich Gottlob Justi, Adam Müller, Johann von Komorzynski und Georg Friedrich Knapp behandelt werden. Von diesen Autoren erfährt heute am ehesten Knapp Aufmerksamkeit, dessen eher juristisch als ökonomisch fundierte "Staatliche Theorie des Geldes" als eine wichtige Inspiration für die in den vergangenen Jahren aufgekommene und höchst umstrittene "Modern Monetary Theory" gilt.
Zu jedem seiner Autoren bietet Greitens zunächst einen geschichtlichen Hintergrund, an den sich eine Biographie anschließt. Anschließend führt Greitens in einen wichtigen Text des Autors ein, dem eine Würdigung nachfolgt. Dieses Vorgehen führte zur Veröffentlichung eines Parallelbandes ("Geld-Theorie-Geschichte. Ausgewählte Texte 1361 bis 1918"), in dem die von Greitens vorgestellten Texte seiner Autoren abgedruckt wurden.
Jede Auswahl von Autoren aus der Vergangenheit ist notwendigerweise arbiträr. Und so finden sich in dem Buch Denker, die wegen ihrer Bedeutung unumgänglich erscheinen. Zu nennen wären etwa Nicolaus Oresmius für die Scholastik, John Law für den Merkantilismus, David Hume und David Ricardo für die Klassik oder Carl Menger und Irving Fisher für die Neoklassik. Erwähnung verdienen aber auch Autoren, die bedeutende Leistungen erbracht haben, aber gewöhnlich nicht in der ersten Reihe ihrer Zunft stehen. Als eine glückliche Entscheidung erweist sich so die Behandlung des mit Flugschriften ausgetragenen Sächsischen Münzstreits aus den Jahren 1530 und 1531, in dem erbittert die Argumente für und gegen Hart- und Weichwährungen ausgetauscht wurden.
Lobenswert ist auch die, allerdings recht knappe, Vorstellung Jean Bodins. Der französische Staatstheoretiker befasste sich Mitte des 16. Jahrhunderts mit der sogenannten "Preisrevolution", die er auf den Zufluss von Edelmetallen aus den neuen amerikanischen Minen zurückführte. Manche Fachleute sehen in Bodin den "Entdecker der Quantitätstheorie". Eine außerordentlich interessante Person war auch Ferdinando Galiani, der in jungen Jahren mit "Della Moneta" ein für die Maßstäbe des 18. Jahrhunderts sehr interessantes Werk verfasste, das weit über die Geldtheorie hinausreichte. In deutscher Sprache ist "Della Moneta" zuletzt im Jahre 1999 in einer von Werner Tabarelli sehr schön herausgegebenen Ausgabe erschienen. Im Rahmen des Marxismus wird auch Rudolf Hilferding behandelt, über dessen Hauptwerk "Das Finanzkapital" Greitens vor ein paar Jahren eine Monographie verfasst hat.
Was nützt die Beschäftigung mit alten Meistern? Der Dogmenhistoriker Bertram Schefold hat einmal daran erinnert, dass manche Altmeister wirtschaftliche Sachverhalte verständlicher erklären konnten als moderne Ökonomen, die häufig in mathematischen Modellen denken. Und viele scheinbar moderne Ansätze im Geldwesen besitzen weit in die Historie reichende Wurzeln. GERALD BRAUNBERGER
Jan Greitens: Geld-Theorie-Geschichte. 2. überarbeitete Auflage, Metropolis Verlag, Marburg 2022, 382 Seiten, 29,80 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Gerald Braunberger kann mit dem Buch von Jan Greitens Ansätze im Geldwesen in die Historie zurückverfolgen. Zwei Dutzend Geldtheoretiker, von Oresmius bis Schumpeter, stellt der Autor laut Braunberger vor. Die Beschränkung scheint dem Rezensenten sinnvoll und notwendig, wenngleich natürlich auch diskutabel. Nachdem er sich durch Greitens' etwas allzu umfangreiche begriffliche und methodische Überlegungen geackert hat, liest Braunberger historische und biografische Hintergründe zu den Autoren und kommt schließlich zur Diskussion einzelner Texte. Besonders bemerkenswert erscheint ihm die Behandlung Jean Bodins und des Sächsischen Münzstreits im Band.
© Perlentaucher Medien GmbH
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