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Die Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin, im Jahre 1773 als Aufklärungsgesellschaft gegründet, förderte durch das Sammeln von Naturobjekten und das Wissen darüber die Naturgeschichte als Wissenschaft. Ihr ungewöhnlicher Name wurde dabei zum Programm, dem ein moderner, interessegeleiteter Freundschaftsbegriff zu Grunde lag. Zudem zeigt die Gesellschaft viele strukturelle und ideelle Parallelen zur Freimaurerei. Kennzeichen ihrer langjährigen Geschichte ist die Entwicklung eines Traditionsbewusstseins, das seinen Ursprung im Forschungsziel der Naturgeschichte hat und in der…mehr

Produktbeschreibung
Die Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin, im Jahre 1773 als Aufklärungsgesellschaft gegründet, förderte durch das Sammeln von Naturobjekten und das Wissen darüber die Naturgeschichte als Wissenschaft.
Ihr ungewöhnlicher Name wurde dabei zum Programm, dem ein moderner, interessegeleiteter Freundschaftsbegriff zu Grunde lag. Zudem zeigt die Gesellschaft viele strukturelle und ideelle Parallelen zur Freimaurerei. Kennzeichen ihrer langjährigen Geschichte ist die Entwicklung eines Traditionsbewusstseins, das seinen Ursprung im Forschungsziel der Naturgeschichte hat und in der kulturellen Praxis der Gesellschaft nachgewiesen werden kann.
Im Unterschied zu anderen naturforschenden Gesellschaften bewahrte sich die GNF mit Hilfe ihrer Traditionen im 19. Jahrhundert ihr ursprüngliches Ziel und reifte zu einer Fachgesellschaft für beschreibende Naturforschung mit ausgeprägt elitärem Anspruch.
Die traditionsreiche Geschichte dieser noch existierenden Gesellschaft wird hier erstmals umfassender abgebildet, ihre Aktivitäten detailliert beschrieben, ihre Position in der Berliner Wissenschaftslandschaft analysiert und außerdem die Frage nach den Ursachen für ihr außerordentlich langes Bestehen beantwortet: "Willkommen im Tempel der Natur!"
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.07.2006

So lob' ich mir meine Dachgartenlektüre
Mit Schneckenkundler: Katrin Böhme-Kaßler hat das reizende Fach der Naturforschung aufgemöbelt

"Eine Wissenschaft, die uns durch alle Ewigkeiten hindurch den erhabensten Stoff zu den reizendsten und nützlichsten Betrachtungen anzubieten, zugleich aber das Gepräge des wahrsten Gottesdienstes hat, wäre diese nicht allemal eine würdige Nebenbeschäftigung, auch für die allerdurchlauchtigsten, für die erhabensten Seelen?" So schrieb der Berliner Arzt Friedrich Heinrich Wilhelm Martini 1775 an einen durchlauchten Prinzen. Das angepriesene "reizende Fach" war die Naturgeschichte, der an ihr interessierte Prinz aber blieb eine Ausnahme. Beschreibende Naturforschung als Gottesdienst, nebst Verbesserung der Sitten und Bildung des Geschmacks, das war als Programm eher eine bürgerliche Angelegenheit. Weshalb auch die Gründungsmitglieder der zwei Jahre zuvor von Martini ins Leben gerufenen Berliner "Gesellschaft Naturforschender Freunde" Ärzte und Apotheker, Gelehrte und höhere Staatsbeamte waren.

Das Ziel der Gesellschaft bestand im "gemeinschaftlichen Bestreben aller Mitglieder, die Erscheinungen und Merkwürdigkeiten der Natur, so viel in ihrer Gewalt ist, genau zu erkennen, die Naturgeschichte in ihrem ganzen Umfange, besonders aber die Naturgeschichte unseres Landes, mit Beyhülfe einer guten Naturlehre, fleissig zu studieren und zum vorzüglichen Gegenstand ihrer Zusammenkünfte zu machen". Die Zahl der ordentlichen Mitglieder war auf zwölf begrenzt. Eine eigene Naturaliensammlung und einschlägige Publikationen waren zur Aufnahme in diesen inneren Zirkel erforderlich, zu dem mit den Jahren eine steigende Zahl von außerordentlichen und ehrenhalber ernannten Mitgliedern kam. Die Geschichte dieser privaten Gesellschaft, der ältesten ihrer Art in Deutschland, bietet interessante Facetten. Katrin Böhme-Kaßler verfolgt sie anhand des mittlerweile erschlossenen Archivs von der Gründung 1773 bis ins Jahr 1906, als das Haus in der Französischen Straße, Gesellschaftssitz seit 1788, verkauft wurde und die Gesellschaft damit deutlich an Präsenz in der Berliner Wissenschaftslandschaft verlor.

Am Beginn stand eine Aufklärungsgesellschaft mit freimaurerischem Einschlag, die das Naturstudium mit dem geselligen Austausch unter Freunden verknüpfte, die gleiche Interessen hegten: Es galt, im "Buch der Natur" zu lesen, wie es das Siegel der Gesellschaft auf einem Altar aufgeschlagen zeigt; aber auch die praktische Beherrschung der Natur wurde nicht außer acht gelassen, wie es einige der von der Gesellschaft ausgeschriebenen Preisfragen erkennen lassen. Am Ende des achtzehnten Jahrhunderts konnte sich eine private naturforschende Gesellschaft dieses Zuschnitts noch durchaus abseits des Dilettantismus halten.

Mit Beginn des neunzehnten Jahrhunderts, insbesondere mit der Berliner Universitätsgründung 1810, begannen sich die Gewichte aber immer deutlicher zugunsten der staatlichen Einrichtungen zu verschieben, und die Ausdifferenzierung der Naturwissenschaften ließ die allgemeine beschreibende Naturgeschichte in den Hintergrund treten. Mitglieder der Gesellschaft nahmen oft Universitätsstellen an, und das gesellschaftseigene Naturalienkabinett wurde schrittweise an öffentliche Sammlungen abgegeben.

Auch die aufklärerisch-deistische Haltung mußte nach und nach auf die bescheidener formulierte Position eines Einspruchs gegen das "reine Spezialistentum" zugunsten einer Betrachtung des "wunderbaren Ganzen" zurückgenommen werden, wie es ein Redner auf der Feier des hundertjährigen Bestehens der Gesellschaft ausdrückte. An die Stelle des "Gottesdiensts" war endgültig der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn getreten, der als "reinste und edelste Form menschlichen Strebens und Schaffens" freilich immer noch an höhere Welten "fern von egoistischen und anderweitigen Nebeninteressen" anschloß.

Bei dem Gründer Martini, neben seiner ärztlichen Tätigkeit ein ausgewiesener Schneckenkundler, hatte das Lob der Naturgeschichte einen fast schwärmerischen Zug gehabt: "Ist sie nicht wirklich ein Geschäft, das wir hier nur unvollkommen anfangen, und in Ewigkeit ungehindert, mit glücklichem Erfolg fortsetzen werden?" Ein Genuß und Nutzen also, der sich "unläugbar über die Grenzen des gegenwärtigen Lebens erstrecket?" Die also angeredeten Freunde mögen es nüchterner gesehen haben. Theologisch war es wohl ohnehin etwas heikel, für das Jenseits noch Forschungsbedarf anzumelden. Aber als Form des aufs Ganze gehenden Wissenschaftslobs gebührt solcher Aufmunterung im forschenden Freundeskreis rühmliches Andenken.

HELMUT MAYER

Katrin Böhme-Kaßler: "Gemeinschaftsunternehmen Naturforschung". Modifikation und Tradition in der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin 1773 bis 1906. Pallas Athene: Beiträge zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2005. 218 S., geb., 39,- [Euro].

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"..eine grundlegende Studie ..." Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 31, 2008