Agatha ist verliebt. Unglücklich zwar, und zum siebten Mal, aber da muss sie durch. Welche Liebe hält schon ewig? Sie ist jung und gierig, stürzt sich ungebremst ins Bodenlose, steht und fällt in den Ruinen ihres eigenen Gefühls- und Lebenschaos und wechselt die Identitäten und Unterhosen, bis es schließlich heißt, der Realität ins Auge zu blicken. Agatha ist Mitte zwanzig und liebt, so gut sie kann. Sie gibt das eigene Leben in Wien auf, fliegt ihrer Nummer sieben nach Berlin hinterher, verliert sich dort und findet sich schließlich nach turbulentem Beziehungsaufundab in ihrem Heimatdorf wieder, wo sie trotzige Berge erklimmt, volle Gläser leert und nicht zuletzt aufgrund der magischen Männerzahl immer noch an der Zweisamkeit festhält. Doch ein Happy End gibt es meist nur im Märchen.»Gemischter Satz« ist die Geschichte eines Liebesunfalls, bei dem alle Beteiligten mehr oder weniger heil davonkommen. Auch wir Leser. Es ist die atemlose Auseinandersetzung mit den Ängsten, Zweifeln und Konflikten, die das Erwachsenwerden mit sich bringt. Der Titel ist Programm, hier werden Sätze kräftig durchgemischt, gekonnt zusammengestellt und am Ende geerntet.Daniela Emminger legt mit der Novelle »Gemischter Satz« ein literarisches Kunststück vor, das Erzähltradition mit unerhört eigensinniger, erzählerischer Freiheit verbindet und ganz nebenbei die großen Fragen nach der Wahrheit, der Liebe und der Vergänglichkeit streut.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.03.2017Trennung per Buch
Daniela Emmingers Suada "Gemischter Satz"
"Haben Sie schon einmal mit jemandem per Buch Schluss gemacht?" Mit dem ersten Satz legt die Ich-Erzählerin ihre Karten auf den Tisch. Was wir hier lesen, ist also eine elaborierte Form des Laufpasses, den eine Frau ihrem Lebensabschnittspartner gibt. Es scheint sich aber um eine paradoxe Intervention zu handeln, denn im Weiteren erfahren wir, dass eigentlich der Mann, in der biographischen Buchhaltung neutral "Nummer sieben" genannt, die Trennung provoziert hat. Die Geschichte an sich ist denkbar unoriginell: Eine junge Frau und ein junger Mann verlieben sich ineinander in Wien, die Frau folgt dem Mann nach Berlin, dann gehen beide zurück nach Wien, und nach zweieinhalb Jahren zeigen sich deutliche Spuren der Abnutzung, das "permanente Pärchenschmalz" versagt als Schmiermittel, beide gehen auseinander, als er gesteht, sie nicht mehr zu lieben.
Nicht was erzählt wird, bietet hier also einen zureichenden Anreiz für die Lektüre, sondern wie es erzählt wird. Daniela Emminger hat eine Suada verfasst, die sozusagen unter Hochdruck steht, die Leiden und Leidenschaft, Selbstreflexion und Beziehungsdiagnose poetisch komprimiert und bei Explosionsgefahr immer wieder Dampf ablässt, indem sie ironisch auf Distanz geht - zur Form der Klage genauso wie zur Heldin als einer "hauptberuflich Liebenden". So hat dieser Text bisweilen etwas gewollt Exaltiertes, bereits die Vorrede wirkt leicht überkandidelt: "Sie merken schon, ein normales Buch wird das nicht. Aber da ich Sie das jetzt schon wissen lasse, spare ich Ihnen vielleicht Ihre kostbare Zeit und mir meine Worte, die schließlich irgendwo ankommen wollen." Aber die Worte sind nun einmal heraus und durchaus sinnvoll investiert, und dass "Gemischter Satz" kein "normales Buch" geworden ist, hat die Jury des Österreichischen Buchpreises mit einem Longlist-Platz belohnt.
Das Ich, das sich hier auf so indezente Weise mit dem Leser bekannt macht, hat sich nach dem Liebesschiffbruch ins Haus der Eltern gerettet, hält sich mit viel zu viel Prosecco über Wasser und leckt seine Wunden. Im Rückblick markiert es den Beginn der Liebesgeschichte in der Nacht zum 5. Februar als Eintritt in eine neue Identität, in einen neuen Namen: ausgerechnet Agatha. Agatha von Catania, deren Gedenktag am 5. Februar begangen wird, ist eine seltsame Schutzheilige für erotische Angelegenheiten: Als Jungfrau Christus geweiht, verweigerte sie sich dem römischen Statthalter, der sie darauf foltern und ihr die Brüste abschneiden ließ. Die liegen denn auch feinsäuberlich auf dem Teller, mit dem in der Hand sie in der Kunstgeschichte meist dargestellt wird. Tatsächlich spricht die Ich-Erzählerin davon, sie habe sich in jener Nacht "metaphorisch" die Brüste abgeschnitten, um das verliebte "Sich-in-Luft-Auflösen" auszuhalten. Inzwischen aber hat sie es hinter sich und ist wieder die Alte. "Ich kann nicht mehr: Agatha heißen und Agatha sein."
Die eigentliche Geschichte erzählt Emminger nun, schonend vom Ich abgerückt, in der dritten Person. Mit der Entscheidung für eine masochistische Ikonographie ist der Deutungsrahmen vorgegeben: Aller Witz, alle Kaltschnäuzigkeit können nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier eine systematische Selbstverstümmelung beschrieben wird und bewältigt werden muss. Liebe als Martyrium - da gibt es nicht nur gemischte Botschaften und gemischte Gefühle, da gibt es auch ein Intermezzo auf der Psychiatrie. Ein Frontalzusammenstoß ereignet sich, nicht bildlich, sondern buchstäblich, die bereits Getrennten krachen vereint in ein entgegenkommendes Fahrzeug, werden schwer verletzt. Und finden wieder zusammen, ja, heiraten sogar: "Agathas Nummer sieben war zur Nummer acht geworden." Und sie machen einander wieder das Leben schwer. Agatha, die Gute, sucht die Schuld nicht bei ihm: Dass er leichtsinnig ist, chaotisch und ehrgeizig, gerade das hat ihr ja einmal an ihm gefallen - wie verkehrt, ihn ändern zu wollen.
Warum diese Erzählung das Etikett "Novelle" trägt, bleibt rätselhaft, das verschlägt aber nichts. Der Titel bezieht sich nicht nur auf den Werkstoff der Literatur: "Gemischter Satz", das erklärt die Autorin im Vorspann, bezeichnet in Österreich auch einen Wein aus mehreren gemeinsam angebauten und gekelterten Rebsorten; wie passend, dass ein Winzer als Mäzen für dieses schmale, aber körperreiche Buch fungiert hat. Daniela Emminger hat überhaupt ein Faible für das Kulinarische. Zu Agathas Wiederherstellung trägt nicht zuletzt ihr Entschluss bei, eine Ausbildung als Köchin zu machen, sich einer ehrlichen, handfesten, produktiven Tätigkeit professionell zu widmen, die sie als Ausgleich zur Geistesarbeit schon immer befriedigt hat. Sie hätte es eigentlich früher wissen müssen: "Aufgewärmt schmeckt nur ein Gulasch gut."
DANIELA STRIGL.
Daniela Emminger: "Gemischter Satz".
Novelle. Czernin Verlag, Wien 2016.
104 S., geb., 18,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Daniela Emmingers Suada "Gemischter Satz"
"Haben Sie schon einmal mit jemandem per Buch Schluss gemacht?" Mit dem ersten Satz legt die Ich-Erzählerin ihre Karten auf den Tisch. Was wir hier lesen, ist also eine elaborierte Form des Laufpasses, den eine Frau ihrem Lebensabschnittspartner gibt. Es scheint sich aber um eine paradoxe Intervention zu handeln, denn im Weiteren erfahren wir, dass eigentlich der Mann, in der biographischen Buchhaltung neutral "Nummer sieben" genannt, die Trennung provoziert hat. Die Geschichte an sich ist denkbar unoriginell: Eine junge Frau und ein junger Mann verlieben sich ineinander in Wien, die Frau folgt dem Mann nach Berlin, dann gehen beide zurück nach Wien, und nach zweieinhalb Jahren zeigen sich deutliche Spuren der Abnutzung, das "permanente Pärchenschmalz" versagt als Schmiermittel, beide gehen auseinander, als er gesteht, sie nicht mehr zu lieben.
Nicht was erzählt wird, bietet hier also einen zureichenden Anreiz für die Lektüre, sondern wie es erzählt wird. Daniela Emminger hat eine Suada verfasst, die sozusagen unter Hochdruck steht, die Leiden und Leidenschaft, Selbstreflexion und Beziehungsdiagnose poetisch komprimiert und bei Explosionsgefahr immer wieder Dampf ablässt, indem sie ironisch auf Distanz geht - zur Form der Klage genauso wie zur Heldin als einer "hauptberuflich Liebenden". So hat dieser Text bisweilen etwas gewollt Exaltiertes, bereits die Vorrede wirkt leicht überkandidelt: "Sie merken schon, ein normales Buch wird das nicht. Aber da ich Sie das jetzt schon wissen lasse, spare ich Ihnen vielleicht Ihre kostbare Zeit und mir meine Worte, die schließlich irgendwo ankommen wollen." Aber die Worte sind nun einmal heraus und durchaus sinnvoll investiert, und dass "Gemischter Satz" kein "normales Buch" geworden ist, hat die Jury des Österreichischen Buchpreises mit einem Longlist-Platz belohnt.
Das Ich, das sich hier auf so indezente Weise mit dem Leser bekannt macht, hat sich nach dem Liebesschiffbruch ins Haus der Eltern gerettet, hält sich mit viel zu viel Prosecco über Wasser und leckt seine Wunden. Im Rückblick markiert es den Beginn der Liebesgeschichte in der Nacht zum 5. Februar als Eintritt in eine neue Identität, in einen neuen Namen: ausgerechnet Agatha. Agatha von Catania, deren Gedenktag am 5. Februar begangen wird, ist eine seltsame Schutzheilige für erotische Angelegenheiten: Als Jungfrau Christus geweiht, verweigerte sie sich dem römischen Statthalter, der sie darauf foltern und ihr die Brüste abschneiden ließ. Die liegen denn auch feinsäuberlich auf dem Teller, mit dem in der Hand sie in der Kunstgeschichte meist dargestellt wird. Tatsächlich spricht die Ich-Erzählerin davon, sie habe sich in jener Nacht "metaphorisch" die Brüste abgeschnitten, um das verliebte "Sich-in-Luft-Auflösen" auszuhalten. Inzwischen aber hat sie es hinter sich und ist wieder die Alte. "Ich kann nicht mehr: Agatha heißen und Agatha sein."
Die eigentliche Geschichte erzählt Emminger nun, schonend vom Ich abgerückt, in der dritten Person. Mit der Entscheidung für eine masochistische Ikonographie ist der Deutungsrahmen vorgegeben: Aller Witz, alle Kaltschnäuzigkeit können nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier eine systematische Selbstverstümmelung beschrieben wird und bewältigt werden muss. Liebe als Martyrium - da gibt es nicht nur gemischte Botschaften und gemischte Gefühle, da gibt es auch ein Intermezzo auf der Psychiatrie. Ein Frontalzusammenstoß ereignet sich, nicht bildlich, sondern buchstäblich, die bereits Getrennten krachen vereint in ein entgegenkommendes Fahrzeug, werden schwer verletzt. Und finden wieder zusammen, ja, heiraten sogar: "Agathas Nummer sieben war zur Nummer acht geworden." Und sie machen einander wieder das Leben schwer. Agatha, die Gute, sucht die Schuld nicht bei ihm: Dass er leichtsinnig ist, chaotisch und ehrgeizig, gerade das hat ihr ja einmal an ihm gefallen - wie verkehrt, ihn ändern zu wollen.
Warum diese Erzählung das Etikett "Novelle" trägt, bleibt rätselhaft, das verschlägt aber nichts. Der Titel bezieht sich nicht nur auf den Werkstoff der Literatur: "Gemischter Satz", das erklärt die Autorin im Vorspann, bezeichnet in Österreich auch einen Wein aus mehreren gemeinsam angebauten und gekelterten Rebsorten; wie passend, dass ein Winzer als Mäzen für dieses schmale, aber körperreiche Buch fungiert hat. Daniela Emminger hat überhaupt ein Faible für das Kulinarische. Zu Agathas Wiederherstellung trägt nicht zuletzt ihr Entschluss bei, eine Ausbildung als Köchin zu machen, sich einer ehrlichen, handfesten, produktiven Tätigkeit professionell zu widmen, die sie als Ausgleich zur Geistesarbeit schon immer befriedigt hat. Sie hätte es eigentlich früher wissen müssen: "Aufgewärmt schmeckt nur ein Gulasch gut."
DANIELA STRIGL.
Daniela Emminger: "Gemischter Satz".
Novelle. Czernin Verlag, Wien 2016.
104 S., geb., 18,90 [Euro].
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