An einem Fachwerkhaus in Stuttgart Degerloch liest man auf einem Fachwerkquerbalken eine Aussage von Manfred Rommel, dem ehemaligen OB von Stuttgart, die treffend charakterisiert, wie eine Gesellschaft, die Politik und Journalisten, alle zusammen agieren sollten: „Das Gute kritisch sehen, um das
Bessere zu erreichen.“ (Manfred Rommel)
Wolfgang Herles arbeitete immer nach diesem Prinzip und wir…mehrAn einem Fachwerkhaus in Stuttgart Degerloch liest man auf einem Fachwerkquerbalken eine Aussage von Manfred Rommel, dem ehemaligen OB von Stuttgart, die treffend charakterisiert, wie eine Gesellschaft, die Politik und Journalisten, alle zusammen agieren sollten: „Das Gute kritisch sehen, um das Bessere zu erreichen.“ (Manfred Rommel)
Wolfgang Herles arbeitete immer nach diesem Prinzip und wir begleiten den kritischen Denker in dieser Autobiografie durch den Lauf seines Lebens über seine Großeltern, Eltern, Jugend, Schule und alle Karrierestationen. Er blickt zurück, ordnet ein und zitiert immer wieder sein Tagebuch. Wir erfahren Hintergründe, die fesseln und die politische Zeit ab Mitte der 70er vermitteln. Damals startete er sein Journalistenleben.
„Ich hatte Irakus gespielt, der mit Flügeln aus Wachs der Sonne zu nahe kam.“ So schildert Herles sein Rausschmiss als Bonner Studioleiter des ZDF. Es ging um die Entscheidung über die zukünftige Hauptstadt, Berlin oder Bonn. Er war für Bonn und seine Argumente sind heute mehr als nachvollziehbar. Berlin hat sich zu einem eigenen Kosmos entwickelt, der sich nicht mehr an Wahl-Versprechen gebunden fühlt. Ein Machtapparat für Vielfalt und scheinheilige Gerechtigkeit, der kurz davor steht, komplett in sich zusammenzubrechen.
Vieles wusste ich nicht und Wolfang Herles wurde mir mit jeder Seite sympathischer. Sein Beharrungsvermögen lässt ihn im Urteil der Öffentlichkeit zum Linken wie zum Rechten werden, er eckt an und lässt sich nichts gefallen.
„Was immer Du tust, tue es um dich selbst zu bereichern“, rät ihm André Heller und wir begleiten Herles bei einer Vielzahl von Treffen mit Berühmten und weniger berühmten Personen. Selbst bei Steve Jobs lässt er sich nicht zu Begeisterungsstürmen hinreißen, er bleibt immer skeptisch distanziert, fragt und bohrt.
Sich über alle Niederlagen hinweg dem ZDF verpflichtet zu fühlen, man hört bei Herles trotz allem immer Mut und Optimismus heraus. Er musste sich nie verbiegen. Wie er das schaffte, vermittelt dieses hervorragende Buch - vorgelesen durch Wolfgang Herles selbst! Auch das so, dass 8 Stunden wie im Flug vergehen.
„Verreisen will ich, nicht verreißen.“ Diese ehrliche Aussagen beschreibt seine literarische Karrierezeit. Wie Redakteure aus dem Vollen schöpfen können, wieviel Geld sie ausgeben dürfen, es wird einem leicht schwindelig und projiziert das auf viele Berichte im ZDF/ARD in heutigen Tagen. Druckfrisch und die Würfe in die Tonne, mich trifft auch bei der Konkurrenz leichte Übelkeit, berührt von der angenehmen Erinnerung an Wolfgang Herles auf dem Blauen Sofa, Aspekte und seinen anregenden Gesprächen.
Wolfgang Herles fehlt der Bewunderungsmodus, er mag skeptische Solitäre spiegelgleich wohl zu sich selbst. Er ist mir in jedem Fall lieber als alle konformistischen Jasager und Propagandisten aktueller TV Provenienz.
Bücher, die ich aufgrund der Gedanken von Wolfgang Herles lesen werde:
a) Naipaul, Jenseits des Glaubens
b) Martin Walser, Angstblüte
c) Schneider, Die Leben meiner Mutter
d) Alle Bücher von Wolfgang Herles, auch die Romane unter Pseudonymen
Ein Satz, der bleibt: „Die dümmsten Journalisten bewundern die mächtigsten Politiker.“ Gut, dass wir dem Gegenteil davon, Wolfang Herles auch weiterhin zuhören können, diesmal in alternativen Medien, die morgen schon die alten Herrschaften in ARD und ZDF ersetzt haben werden.