Die Genealogie ist heute eine weit verbreitete Freizeitaktivität, die viele Menschen in Kontakt mit der Geschichte bringt. Sie stellt zugleich eine grundlegende Kulturtechnik des Gedenkens dar, mit Konsequenzen für rechtliche Beziehungen, gesellschaftliche Zugehörigkeit und Identitätsvorstellungen. Mindestens seit der Frühneuzeit befindet sie sich in einem fragilen Prozess der Verwissenschaftlichung. Seit dem späten 20. Jahrhundert entstanden auf Grundlage genealogischer Arbeiten wichtige demographische, mikro- und verwandtschaftshistorische Beiträge besonders zur Geschichte des ländlichen Raums. In den letzten Jahren ist die Genealogie zudem zum stärksten Treiber der Digitalisierung von Archivnutzung geworden.Im vorliegenden Band wird dieses breite Feld in drei Hinsichten diskutiert: Aus welchen wissenschaftlichen, privaten, politischen und anderen Motiven werden Genealogien erforscht? Wie wurde und wird versucht, Genealogie als Beitrag zur Wissenschaft zu etablieren? Und welches Potential für die aktuelle Geschichtswissenschaft, Demographie und historische Anthropologie bieten genealogische Wissensbestände?