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Keine Elite der alten Bundesrepublik ist so unbekannt geblieben wie die der obersten Waffenträger.
Sie hätte im Verteidigungsfall die militärische Verantwortung für den Einsatz von atomaren Massenvernichtungswaffen getragen oder die Abwehrschlachten im "Fulda Gap" bestehen müssen. Erst seit die Luft in den aktuellen deutschen Auslandseinsätzen zunehmend bleihaltiger wird, stoßen diese Männer auf ein größeres Interesse.
Den Selbstbildern und Weltwahrnehmungen des militärischen Führungspersonals geht Klaus Naumann in Quellenzeugnissen und biografischen Interviews nach und befragt dazu
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Produktbeschreibung
Keine Elite der alten Bundesrepublik ist so unbekannt geblieben wie die der obersten Waffenträger.

Sie hätte im Verteidigungsfall die militärische Verantwortung für den Einsatz von atomaren Massenvernichtungswaffen getragen oder die Abwehrschlachten im "Fulda Gap" bestehen müssen. Erst seit die Luft in den aktuellen deutschen Auslandseinsätzen zunehmend bleihaltiger wird, stoßen diese Männer auf ein größeres Interesse.

Den Selbstbildern und Weltwahrnehmungen des militärischen Führungspersonals geht Klaus Naumann in Quellenzeugnissen und biografischen Interviews nach und befragt dazu unter anderen die Generalinspekteure Wolfgang Altenburg und Klaus Dieter Naumann.

Indem der Autor die Offiziersgenerationen der Bundeswehr Revue passieren lässt, entwickelt er ein differenziertes Bild des spannungsreichen Verhältnisses von Militär und Demokratie in der alten Bundesrepublik.
Autorenporträt
Klaus Naumann, Historiker und Mitarbeiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung. Arbeitsgebiete: deutsche Nachkriegsgeschichte; Vergangenheitspolitik; Militärgeschichte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.05.2007

Unter einem guten Stern befördert sein
Warten auf den generationsgeschichtlichen Vergleich der Bundeswehrelite: Gespräche mit Altgeneralen

Admirale und Generale bilden die militärische Führungsspitze der Bundeswehr. Doch von den seit 1955 bis Mitte 2005 in diese Ränge gekommenen zirka 1500 Offizieren sind der Öffentlichkeit nur wenige namentlich bekannt. Dass diese Elite - offensichtlich ohne darunter besonders zu leiden - im "Halbschatten" verbleibt, hängt nicht zuletzt mit dem inzwischen auch von Bundespräsident Köhler beklagten deutschen Desinteresse an sicherheitspolitischen Fragen zusammen. Alle Versuche, die nur kleine strategic community zu vergrößern, hatten bisher keinen Erfolg. Nicht die erfolgreiche Arbeit im Grundbetrieb oder in den Auslandseinsätzen der Bundeswehr sorgt für Schlagzeilen, sondern "besondere Ereignisse". Erst in einem solchen Kontext erhalten Mitglieder der militärischen Führungselite für kurze Zeit Namen und Gesicht.

Dem geringen öffentlichen Interesse an der Bundeswehr entspricht ein ebenso geringes Interesse der Sozialwissenschaften an den Streitkräften. Studierende, die sich für den Bereich strategic studies interessieren, werden seit Jahrzehnten an ausländische Universitäten verwiesen. Nur mit großen Anstrengungen und einer Anschubhilfe des Bundesministeriums der Verteidigung konnte ein Lehrstuhl für Militärgeschichte an der Universität Potsdam eingerichtet werden. Einen Lehrstuhl für Militärsoziologie sucht man in der Bundesrepublik bis heute vergeblich. Um so verdienstvoller ist daher der Versuch von Klaus Naumann, im Rahmen einer generationsgeschichtlichen Studie die Führungselite der Bundeswehr näher zu betrachten. Überraschend war dabei für den Mitarbeiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung, dass sich die von ihm angesprochenen Generale sogleich zu einem Interview bereit erklärten, obgleich er doch aus dem Institut komme, das sich in einer Ausstellung mit den "Verbrechen der Wehrmacht" befasst habe. So schnell lassen sich scheinbar bestehende "Feindbilder" beseitigen. Ausführliche Gespräche mit fünf Generalen im Ruhestand sowie die vom Verfasser herausgefilterten Interpretationen bilden den wesentlichen Teil der Studie.

Zunächst wird auf ein Projekt des Frankfurter Instituts für Sozialforschung aus dem Jahr 1950 zurückgegriffen. Eine empirisch angelegte Auseinandersetzung mit der "gegenwärtigen deutschen Mentalität" erfolgte damals in Diskussionsgruppen mit über 1500 Personen, darunter auch Offiziersgruppen. Aus den im Wortprotokoll vorliegenden Äußerungen zieht Naumann Schlüsse zu deren Einstellung und Haltung zur noch jungen Demokratie sowie zur damals gerade einsetzenden Debatte um die Bewaffnung der Bundesrepublik. Das militärpolitische Weltbild und der spezifische Erfahrungshorizont der Offiziere wies eine deutlich antibolschewistische Einstellung auf. Staatlichkeit besaß für die Kriegsteilnehmer nur dann Berechtigung und Nachhaltigkeit, wenn sie über eine bewaffnete Macht verfügte. Bei aller empirisch bedingten notwendigen Zurückhaltung scheint eine Mehrheit von 68 Prozent der befragten Ex-Offiziere eine ambivalente Haltung gegenüber der Demokratie gehabt zu haben.

Weiteres Material für die Studie liefert das Projekt des deutsch-amerikanischen Sozialwissenschaftlers Hans Speier. Dieser hatte zwischen 1951 und 1955 im Auftrag der RAND-Corporation Gespräche mit namhaften Vertretern der ehemaligen Wehrmachtselite geführt. Naumann entdeckt in Speiers Notizen interessante Welt- und Selbstbilder der Befragten und belegt ihre zeitgenössischen Gruppenbildungen. Überraschend fand Speier damals und findet Naumann noch heute, dass sich ehemalige Spitzenmilitärs nur ungern öffentlich zu Themen der Strategie und Militärpolitik äußern. Dies entspreche, so nahm Speier an, eventuell ihrem militärischen Berufsverständnis, welches stets eine gewisse Geheimhaltung erfordere. Dass der nuklearen Abschreckung in den Protokollen Speiers wenig Aufmerksamkeit zukam, lässt sich mit dem Befragungszeitraum erklären. Schließlich lag dieser noch vor dem Eintritt der Bundeswehr in die Nato und noch weit vor der amerikanischen Bereitschaft, die Generalität des neuen Allianzpartners Bundesrepublik genauer in die Bedingungen einer nuklearen Kriegführung einzuweisen.

Einer der fünf "Altgenerale" der Bundeswehr, deren Interviews mit dem Autor im zweiten Teil der Studie abgedruckt und interpretiert werden, ist General Wolfgang Altenburg (Jahrgang 1928). Altenburg, der auch Generalinspekteur der Bundeswehr war, ist besonders im Bereich der Nuklearstrategie ausgewiesen. Er kam als junger Oberst und erster Deutscher 1971 in die Nuclear Policy Section der Nato. Altenburg macht ein wichtiges Anliegen der deutschen Generalstabsoffiziere nach 1956 deutlich: Zunächst suchten sie die Zahl der in einem Kriegsfall auf (gesamt)deutschem Boden befindlichen Nuklearziele zu minimieren, um diese schließlich völlig zu eliminieren. Das vom Verfasser bei Altenburg festgestellte nüchterne Pathos des Neuen, die kritische Haltung des Beobachters und Selbstbeobachters, das unideologische Wirklichkeitsverhältnis sowie das pragmatische Hinterfragen und Gestalten sind wohl auch ein Ergebnis institutioneller Sozialisation. Wie spezifisch dies für seine gesamte militärische Führungsgeneration ist, bleibt offen. Die große Heterogenität in Generalsrängen unterstreichen die mit einem Brigadegeneral (Jahrgang 1914), einem Generalmajor (Jahrgang 1924) sowie mit einem Generalleutnant (Jahrgang 1933) geführten anonymisierten Interviews. Hier findet die Erkenntnis, dass es zwischen der Generation der Offiziere mit Kriegserfahrung beziehungsweise Veteranenerinnerung einerseits und der Nachkriegsgeneration andererseits deutliche Unterschiede gibt, natürlich Bestätigung. Die "Zwischengenerationen" erhielten indessen offensichtlich doch eine deutlichere institutionelle Prägung, zumal diese dort wirkungsstärker und folgenreicher wird, wo Organisationen - wie etwa das Militär - selbst auf einen bestimmten Typ Wert legen.

Dass die Interviews mit der Spitze der militärischen Elite, mit zwei Generalinspekteuren, nur höchst bedingt Aussagen über die Gesamtgruppe der Admirale und Generale der Bundeswehr zulassen, bestätigt neben dem Gespräch mit Altenburg das Interview mit General Klaus Naumann (Jahrgang 1939), einem bloßen Namensvetter des Autors. Der sieht in ihm einen Offizier mit großer Unabhängigkeit, dessen Denken und Handeln aufs Ganze zielt. Wie typisch gerade dieser General für die übrige Generalität ist, bleibt offen. Die Generale, so lautet das Resümee, sind trotz aller Generationsunterschiede in der Demokratie angekommen. Sie verhalten sich gegenüber der jeweiligen politischen Führung loyal, und der Primat der Politik steht ebenso wenig zur Debatte wie die Konzeption des "Staatsbürgers in Uniform" oder die "Innere Führung". Trotz der schmalen Quellenbasis bietet die Arbeit eine Fülle interessanter Details und macht einen ersten Schritt zu einem generationsgeschichtlichen Vergleich der Bundeswehrelite.

REINER POMMERIN.

Klaus Naumann: Generale in der Demokratie. Generationsgeschichtliche Studien zur Bundeswehrelite. Hamburger Edition, Hamburg 2007. 383 S., 28,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

"Verhaltensrepertoire unauffällig" laute die positive Diagnose von Klaus Naumann zur Demokratiefähigkeit der Bundeswehrgeneräle. Rezensent Franz Borkenhagen weist aber auch auf die kleinen "Wenn und Aber" dieser "verdienstvollen" Studie hin, wenn Naumann konzedieren müsse, dass es bis in die 1980er Jahre in der Bundeswehr zwar schon demokratisch ambitionierte Generäle gegeben habe, dass sie aber gleichsam "umstrittene Persönlichkeiten? waren. Der Autor stütze seine Analysen im wesentlichen auf fünf Interviews, wobei die mit den ehemaligen Generalinspekteuren Wolfgang Altenburg und Klaus Dieter Naumann als repräsentativ anzusehen seien. Repräsentativ für die heutige Situation, in der die Bundeswehr bereits eine eigene von der Wehrmacht unabhängige Tradition entwickelt habe. Das sei eine gute Nachricht, so der Rezensent, zumal wenn man über den Zaun zu anderen westeuropäischen Staaten blicke. Wünschenswert sei es nun, wenn Klaus Naumann seine Studie auch auf die heute aktiven Generäle ausweite und der spannenden Frage nachgehe, inwieweit sich ihr Selbstverständnis durch die weltweiten Einsätze verändert habe.

© Perlentaucher Medien GmbH