Sie sind erfolgreich im Job, kennen sich aus in Sachen Karriere, Lifestyle und Sex.
Und Ally McBeal, die neurotische Anwältin aus der gleichnamigen Kult-Fernsehserie, ist ihre Heldin. Denn sie trifft genau das Lebensgefühl der Frauen um die 30.
Die Generation Ally weiß vor allem, was sie nicht will: weder Karrieremonster sein, noch eine Backpflaumenexistenz, und schon gar kein Boxenluder. Sie will raus aus der Entweder-Oder-Falle, sich nicht entscheiden müssen zwischen Kind und Karriere, Kopf und Körper, und wartet deshalb in vielen Fragen erst einmal ab - manchmal zu lange.
Doch wie kann sie aussehen, die souveräne, unangestrengte Weiblichkeit? Katja Kullmann zeigt, warum die Rollenbilder in unserer Gesellschaft an ihre Grenzen stoßen - und wie eine ganze Frauengeneration ein neues Selbstverständnis entwickelt. Was Generation Golf für die Männer war, ist Generation Ally für die Frauen, die in den Achtzigern großwurden.
Und Ally McBeal, die neurotische Anwältin aus der gleichnamigen Kult-Fernsehserie, ist ihre Heldin. Denn sie trifft genau das Lebensgefühl der Frauen um die 30.
Die Generation Ally weiß vor allem, was sie nicht will: weder Karrieremonster sein, noch eine Backpflaumenexistenz, und schon gar kein Boxenluder. Sie will raus aus der Entweder-Oder-Falle, sich nicht entscheiden müssen zwischen Kind und Karriere, Kopf und Körper, und wartet deshalb in vielen Fragen erst einmal ab - manchmal zu lange.
Doch wie kann sie aussehen, die souveräne, unangestrengte Weiblichkeit? Katja Kullmann zeigt, warum die Rollenbilder in unserer Gesellschaft an ihre Grenzen stoßen - und wie eine ganze Frauengeneration ein neues Selbstverständnis entwickelt. Was Generation Golf für die Männer war, ist Generation Ally für die Frauen, die in den Achtzigern großwurden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.03.2002Drei Sekunden Sympathie
Katja Kullmann leidet wie Ally McBeal / Von Sandra Kegel
Katja Kullmann ist einunddreißig Jahre alt und in den vergangenen zehn Jahren neun Mal umgezogen. Während des Studiums hat sie sich als Sortiererin von Einkaufswagen über Wasser gehalten, die Zahl ihrer Männerbekanntschaften liegt über dem statistischen Mittel von 4,4. Sie hat Schwangerschaftstreifen, obwohl sie nie schwanger war, Cholesterinwerte leicht über dem Normalwert - und sie legt Wert darauf, noch nie in ihrem Leben eine Frauenzeitschrift gelesen zu haben. Lieber erzählt sie ihre eigene Geschichte. "Generation Ally", ihr Debüt als Autorin, will einmal mehr letztgültig klären, warum es heute so kompliziert ist, eine Frau zu sein. Vor allem deshalb, wie sie immer wieder klagt, weil "wir überhaupt nichts Eigenes haben". Das zeigt der Titel ihres Buchs gleich in doppelter Hinsicht. Denn wo immer seit Florian Illies von "Generation" die Rede ist, sind offenbar die zwischen 1965 und 1975 Geborenen gemeint, und mit dem Vornamen der Serienheldin soll sich jede Angehörige des anderen Geschlechts identifizieren können.
"Ally McBeal" ist nur eine von vielen Serien, die das metaphysische Leid der emanzipierten Selbstversorgerin Tag für Tag aufs neue durchspielen. Sie gehört, obwohl von einem Mann erdacht, zu den intelligenteren Spiegelungen dieser condition féminine. Indem die junge Anwältin aus Boston den traditionell weiblichen Wunsch nach Nähe und den traditionell männlichen Drang nach Freiheit in sich vereint, gewärtigt sie ein Problem, das Katja Kullmann allzu vertraut ist. Auf zweihundertsiebzehn Seiten verzweifelt die Autorin am Leben, mehr aber noch an der Frage, wie lange man nach Mr. Right suchen muß, der keine Scheu vorm Spülen hat und mit dem man "nach einem erfüllten Leben Händchen haltend auf einer Bank unter einem Obstbaum" sitzen darf.
Es sind die Themen der heute Dreißigjährigen, die so sehr leiden an sich und der Welt ("Ich bin jetzt genau in meinen besten Jahren...das macht mich nervös") und denen es doch so gut geht wie keiner Generation zuvor. Das Leben, klagt die bekennende Vielseherin Kullmann, erscheine immer kläglicher als in der Werbung, "daran krankt die ,Generation Ally', und nirgends wird uns das so bewußt wie im Zusammensein mit einem Mann". Die gemeinsame Erfahrung der heute Dreißigjährigen, daß Männer und Frauen alles voneinander wissen, läßt die recherche sentimentale ein aufs andere Mal scheitern. Es ist bekannt, daß nach drei Sekunden über Sympathie und Antipathie entschieden ist - und trotzdem spielt Sie mit ihren Haaren, um sein Unterbewußtes zu locken, und Er fragt gelegentlich nach, um ihr Vertrauen zu gewinnen. "Sex ist uns enteignet worden", schreibt Kullmann.
Die Dramaturgie ihrer Bekenntnisse weist die Autorin als berechnende Epigonin von "Generation Golf" aus. Das Drama beginnt Mitte der achtziger Jahre in einem Eigenheim am Rande der Großstadt mit Mädchen in Esprit-Sweatshirts, die noch zwischen Pferdeposter und dem "Bravo"-Starschnitt von Rick Astley schwanken. Einem Exkurs über die folgenreiche Sozialpädagogik jener Jahre folgen Erinnerungen an Tschernobyl und Ozonloch, an Aids und den Fall der Mauer. Doch weniger in der mit Hilfe von Archiven erarbeiteten Historie liegt der Reiz, sondern in Kullmanns kleinen privaten Momenten, etwa wenn sie beschreibt, wie sie ihr Schülerleben lang die amerikanischen Jugendlichen um ihre schwarzen Quastenhüte beneidet hat, die am Tag der Abschlußfeier zu Hunderten in den Himmel fliegen. Interrail hat sich bei diesen Frauen, wie Kullmann sie beschreibt, so wenig durchgesetzt wie der Au-pair-Dienst. Lieber fährt man zum Einkaufen nach Paris. Und auch der Zeit an der Universität kann die Autorin im Rückblick kaum etwas abgewinnen. Arbeitslosigkeit und überfüllte Hörsäle, vor allem aber die Begegnung mit den letzten Bastionen der Frauenbewegung drückten die Stimmung.
Warum aber leiden dann Kullmann, McBeal und ihre Schwestern so sehr an ihrer Existenz in der Altbauwohnung mit Fußbodenheizung? Daß ihre staatliche Rente eine quantité négligeable sein wird, ist zwar bitter, wird aber alle treffen, die nach Walter Riester die Pensionsgrenze erreichen. Es ist die Welt, in der sich jeder dem Prinzip des anything goes unterordnet, welche die Argonautinnen am eigenen Glück verzweifeln läßt. Der Markt der Möglichkeiten ist verlockend - und grausam zugleich. "Könnte es sein, daß wir etwas verpaßt haben?" seufzt die Autorin gegen Ende leise. Der Leserin kommt spätestens an dieser Stelle ein ähnlicher Laut über die Lippen. Was Kullmanns Vorbild so leichthin gelungen war - einer diffusen, unpolitischen und konsumfreudigen Altersgruppe, die bis dahin nichts Eigenes vorzuweisen hatte, eine kleine Biographie zu schenken -, hat durch die Nachahmung einen faden Beigeschmack erhalten. Fühlte man sich einst unverhofft erkannt, so wünscht man sich hier angesichts der Flut angeblich gemeinsamer Erinnerungen die verborgene Einzigartigkeit sehnlichst zurück.
Katja Kullmann: "Generation Ally". Warum es heute so kompliziert ist, eine Frau zu sein. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2002. 225 S., geb., 14,90.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Katja Kullmann leidet wie Ally McBeal / Von Sandra Kegel
Katja Kullmann ist einunddreißig Jahre alt und in den vergangenen zehn Jahren neun Mal umgezogen. Während des Studiums hat sie sich als Sortiererin von Einkaufswagen über Wasser gehalten, die Zahl ihrer Männerbekanntschaften liegt über dem statistischen Mittel von 4,4. Sie hat Schwangerschaftstreifen, obwohl sie nie schwanger war, Cholesterinwerte leicht über dem Normalwert - und sie legt Wert darauf, noch nie in ihrem Leben eine Frauenzeitschrift gelesen zu haben. Lieber erzählt sie ihre eigene Geschichte. "Generation Ally", ihr Debüt als Autorin, will einmal mehr letztgültig klären, warum es heute so kompliziert ist, eine Frau zu sein. Vor allem deshalb, wie sie immer wieder klagt, weil "wir überhaupt nichts Eigenes haben". Das zeigt der Titel ihres Buchs gleich in doppelter Hinsicht. Denn wo immer seit Florian Illies von "Generation" die Rede ist, sind offenbar die zwischen 1965 und 1975 Geborenen gemeint, und mit dem Vornamen der Serienheldin soll sich jede Angehörige des anderen Geschlechts identifizieren können.
"Ally McBeal" ist nur eine von vielen Serien, die das metaphysische Leid der emanzipierten Selbstversorgerin Tag für Tag aufs neue durchspielen. Sie gehört, obwohl von einem Mann erdacht, zu den intelligenteren Spiegelungen dieser condition féminine. Indem die junge Anwältin aus Boston den traditionell weiblichen Wunsch nach Nähe und den traditionell männlichen Drang nach Freiheit in sich vereint, gewärtigt sie ein Problem, das Katja Kullmann allzu vertraut ist. Auf zweihundertsiebzehn Seiten verzweifelt die Autorin am Leben, mehr aber noch an der Frage, wie lange man nach Mr. Right suchen muß, der keine Scheu vorm Spülen hat und mit dem man "nach einem erfüllten Leben Händchen haltend auf einer Bank unter einem Obstbaum" sitzen darf.
Es sind die Themen der heute Dreißigjährigen, die so sehr leiden an sich und der Welt ("Ich bin jetzt genau in meinen besten Jahren...das macht mich nervös") und denen es doch so gut geht wie keiner Generation zuvor. Das Leben, klagt die bekennende Vielseherin Kullmann, erscheine immer kläglicher als in der Werbung, "daran krankt die ,Generation Ally', und nirgends wird uns das so bewußt wie im Zusammensein mit einem Mann". Die gemeinsame Erfahrung der heute Dreißigjährigen, daß Männer und Frauen alles voneinander wissen, läßt die recherche sentimentale ein aufs andere Mal scheitern. Es ist bekannt, daß nach drei Sekunden über Sympathie und Antipathie entschieden ist - und trotzdem spielt Sie mit ihren Haaren, um sein Unterbewußtes zu locken, und Er fragt gelegentlich nach, um ihr Vertrauen zu gewinnen. "Sex ist uns enteignet worden", schreibt Kullmann.
Die Dramaturgie ihrer Bekenntnisse weist die Autorin als berechnende Epigonin von "Generation Golf" aus. Das Drama beginnt Mitte der achtziger Jahre in einem Eigenheim am Rande der Großstadt mit Mädchen in Esprit-Sweatshirts, die noch zwischen Pferdeposter und dem "Bravo"-Starschnitt von Rick Astley schwanken. Einem Exkurs über die folgenreiche Sozialpädagogik jener Jahre folgen Erinnerungen an Tschernobyl und Ozonloch, an Aids und den Fall der Mauer. Doch weniger in der mit Hilfe von Archiven erarbeiteten Historie liegt der Reiz, sondern in Kullmanns kleinen privaten Momenten, etwa wenn sie beschreibt, wie sie ihr Schülerleben lang die amerikanischen Jugendlichen um ihre schwarzen Quastenhüte beneidet hat, die am Tag der Abschlußfeier zu Hunderten in den Himmel fliegen. Interrail hat sich bei diesen Frauen, wie Kullmann sie beschreibt, so wenig durchgesetzt wie der Au-pair-Dienst. Lieber fährt man zum Einkaufen nach Paris. Und auch der Zeit an der Universität kann die Autorin im Rückblick kaum etwas abgewinnen. Arbeitslosigkeit und überfüllte Hörsäle, vor allem aber die Begegnung mit den letzten Bastionen der Frauenbewegung drückten die Stimmung.
Warum aber leiden dann Kullmann, McBeal und ihre Schwestern so sehr an ihrer Existenz in der Altbauwohnung mit Fußbodenheizung? Daß ihre staatliche Rente eine quantité négligeable sein wird, ist zwar bitter, wird aber alle treffen, die nach Walter Riester die Pensionsgrenze erreichen. Es ist die Welt, in der sich jeder dem Prinzip des anything goes unterordnet, welche die Argonautinnen am eigenen Glück verzweifeln läßt. Der Markt der Möglichkeiten ist verlockend - und grausam zugleich. "Könnte es sein, daß wir etwas verpaßt haben?" seufzt die Autorin gegen Ende leise. Der Leserin kommt spätestens an dieser Stelle ein ähnlicher Laut über die Lippen. Was Kullmanns Vorbild so leichthin gelungen war - einer diffusen, unpolitischen und konsumfreudigen Altersgruppe, die bis dahin nichts Eigenes vorzuweisen hatte, eine kleine Biographie zu schenken -, hat durch die Nachahmung einen faden Beigeschmack erhalten. Fühlte man sich einst unverhofft erkannt, so wünscht man sich hier angesichts der Flut angeblich gemeinsamer Erinnerungen die verborgene Einzigartigkeit sehnlichst zurück.
Katja Kullmann: "Generation Ally". Warum es heute so kompliziert ist, eine Frau zu sein. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2002. 225 S., geb., 14,90
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