Bestseller-Autor und Sprachpurist Andreas Hock ist mit Bundeskanzler Helmut Kohl groß geworden. Geboren 1974, verbrachte er während Kohls Amtszeit (1982-1998) eine beschauliche Kindheit und Jugend in Bayern. Mit Wehmut denkt Hock heute noch an diese unbeschwerte Zeit ohne Internet, Terror,
Markenkleidung und Globalisierung zurück. Damals hatte man noch Zeit und es herrschten Wohlstand wie Frieden.…mehrBestseller-Autor und Sprachpurist Andreas Hock ist mit Bundeskanzler Helmut Kohl groß geworden. Geboren 1974, verbrachte er während Kohls Amtszeit (1982-1998) eine beschauliche Kindheit und Jugend in Bayern. Mit Wehmut denkt Hock heute noch an diese unbeschwerte Zeit ohne Internet, Terror, Markenkleidung und Globalisierung zurück. Damals hatte man noch Zeit und es herrschten Wohlstand wie Frieden. Die "Generation Kohl", zu der sich der Autor voller Stolz selbst zählt, habe zum netten Onkel aus Ludwigshafen aufgeschaut und dessen Bodenständigkeit geschätzt. Heimat- und Vaterlandsliebe, was heute bieder bis altbacken klingen mag, wurde noch groß geschrieben, so Hock.
Die synchrone Darstellung von Andreas Hocks Werdegang und Helmut Kohls Kanzlerschaft hat mich aufgrund der persönlichen Einblicke ins Private beider Personen begeistern können. Spannend sowie gesellschafts- und kulturhistorisch interessant schildert der Autor auf insgesamt 175 Buchseiten seine Beziehung zum Saumagenliebhaber und überzeugten Strickjackenträger. Ob der Einzug der sog. Gammler-Grünen in den Bundestag, die erste miterlebte Wahlkampfrede Kohls oder Hocks Erfahrungen als Erstwähler, Kanzler Kohl war stets im jungen Leben des Autors präsent, wenngleich in einer anderen Intensität als in der heutigen, medial überfrachteten Zeit. Denn Presse und TV berichteten damals noch zeitversetzt und nur selektiv von politisch relevanten Ereignissen. Zudem wurde Politikern zur damaligen Zeit, gerade mangels technischer Mittel, noch ein Privatleben zugestanden und dieses weniger ausgeschlachtet als es heute der Fall ist. Auch Äußerlichkeiten spielten eine untergeordnete Rolle. Kurzum, für Andreas Hock stellte die Kohl-Ära trotz des späteren Spendenskandals und anderer politischer Missgriffe eine rundum sichere wie erfüllende Periode dar, die darüber hinaus die Wiedervereinigung ermöglicht hat.
Als Fan von Andreas Hocks Literatur ist mir während der Lektüre natürlich die ein oder andere Anspielung auf dessen kritische Sprach- wie Gesellschaftsbücher (z. B. "Bin ich denn der Einzigste hier, wo Deutsch kann?" oder "Günther hat sein Käsebrot fotografiert. 342 Freunden gefällt das") aufgefallen, was ich marketingtechnisch, aber auch inhaltlich gut nachvollziehen konnte :-)
LIEBLINGSZITATE
"Erstens setzten wir uns nicht den gesamten Abend wahllos vor die Glotze und zappten uns vollkommen ziellos erst durch die dreißig Sender unseres Kabelanbieters, um danach die weiteren sechzig Kanäle des sündteuren Pay-TV-Angebots durchzusehen, ob sich nicht doch irgendwo zwischen all dem Blödsinn wie der "Bachelorette", den "X-Diaries", Formaten wie "Köln 50667", diversen Super-Chart-Shows, dutzendfach ausgestrahlten Tatort-Wiederholungen, gescheiterten Auswanderern, kasernierten C-Prominenten oder einer von Kai Pflaume moderierten Unterhaltungsshow ein sehenswertes Dreiviertelstündchen verbarg." (S. 90)
"Ich (Andreas Hock) sehne mich auch deshalb zurück in jene Jahre, als selbst die kurzlebigsten Trends länger Bestand hatten als heute, der wechselnde Zeitgeist nicht die alleinige Richtschnur unseres Handelns darstellte un ein zwei Kilometer langer "Trimm dich"-Pfad ausreichte, um zu sich selbst zu finden." (S. 164)
FAZIT
Sehr persönliche Hommage an die Kohl-Ära, die sowohl Leser der "Generation Kohl" als auch Geschichtsfans gelesen haben sollten.