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Pepsi war für die "Breshnew-Generation" nicht nur ein Getränk, Pepsi war ein Symbol. Mit der Cola in der Hand träumten sich die Teenies der Siebziger in den goldenen Westen und staunten nicht schlecht, als er zehn Jahre später mit all seinen Segnungen ins Perestroika-Land Einzug hielt. Tatarski, ein Moskauer Junglyriker, weiß mit der aufkommenden Goldgräberstimmung bestens umzugehen. Er dichtet fortan nicht mehr für die Ewigkeit, sondern wird Werbetexter. Der "russischen Seele" müssen die Wunder der westlichen Konsumwelt schmackhaft gemacht werden, und Tatarski erweist sich als begnadeter…mehr

Produktbeschreibung
Pepsi war für die "Breshnew-Generation" nicht nur ein Getränk, Pepsi war ein Symbol. Mit der Cola in der Hand träumten sich die Teenies der Siebziger in den goldenen Westen und staunten nicht schlecht, als er zehn Jahre später mit all seinen Segnungen ins Perestroika-Land Einzug hielt. Tatarski, ein Moskauer Junglyriker, weiß mit der aufkommenden Goldgräberstimmung bestens umzugehen. Er dichtet fortan nicht mehr für die Ewigkeit, sondern wird Werbetexter. Der "russischen Seele" müssen die Wunder der westlichen Konsumwelt schmackhaft gemacht werden, und Tatarski erweist sich als begnadeter Meister dieser Kunst. Mit seinen grotesk überzeichneten Sprüchen und Videoclips begeistert er bald auch einheimische Auftraggeber - "neue Russen", die ihren jüngst ergaunerten Reichtum nicht dick genug zur Schau stellen können und auch politisch Einfluss nehmen wollen. Tatarski macht Karriere in dieser durch und durch kriminellen Welt und wird immer tiefer in ihre Machenschaften verwickelt. Ge istreich, witzig und mit viel Spaß am Absurden karikiert Viktor Pelewin den russischen Wild-Ost-Kapitalismus, der eigentlich genauso ist wie sein westlicher Vorfahre, nur noch ungehobelter und dreister. Von ihren Jugendträumen hat sich die Pepsi-Pelewin-Generation längst verabschiedet - war nichts mit der "großen Freiheit". Game over!
Autorenporträt
Viktor Pelewin, geboren 1962, ist der meistgelesene Autor Russlands und hat vor allem bei jungen Lesern längst "Kultstatus". Seit Erscheinen der Romane "Omon hinterm Mond" (1992, dt. 1994), "Das Leben der Insekten" (1993, dt. 1997) und "Buddhas kleiner Finger" (1996, dt. 1999) gilt er auch international als einer der interessantesten Autoren seiner Generation. The New Yorker nahm ihn 1999 in die Liste der "besten europäischen Erzähler unter 35" auf. Viktor Pelewin lebt in Moskau.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.07.1999

Generation blauer Speck
Neues von Viktor Pelewin und Wladimir Sorokin

MOSKAU, im Juli

Man hatte es gewußt: Den Diagnosen über das Ende der Literaturzentriertheit der russischen Kultur, verursacht und begleitet von einem Mangel an gewichtigen Neuerscheinungen und Schriftstellerfiguren, ist nicht zu trauen. Zumindest die jüngere, im Computerzeitalter großgewordene Intellektuellengeneration erwartet mit Spannung jedes neue Werk von wenigstens zwei Autoren, die man der avantgardistischen Hochkunst zurechnet. Das Schweigen, in das sich bis vor kurzem Viktor Pelewin und Wladimir Sorokin hüllten, war deutlich zu vernehmen. Und die neuen Romane, die beide in diesem Jahr endlich herausbrachten, wurden sogleich Kultbücher. Der Internet-Guru Wjatscheslaw Kurizyn diagnostizierte den Texten, die auf verschiedene Weise die neuen Medienwelten verarbeiten, ein gemeinsames Thema, das Verschwinden der eigentlichen unter dem Ansturm der virtuellen Wirklichkeit.

Sowohl Pelewins "Generation P" (im Verlag Vagrius) als auch Sorokins "Himmelblauer Speck" ("Goluboje salo", im Verlag Ad Marginem) versetzen in anti-utopische Wahnwelten, die an Computerspiele, Videoclips und Drogenvisionen erinnern. Zugleich ziehen beide Werke ein Fazit ihrer Epoche, so daß sie nicht nur wegen ihres Erscheinungsjahres als Zäsuren in der russischen Literaturgeschichte erscheinen.

Pelewins Geschichte eines Moskauer Intelligenzlers, der, den Zwängen der Marktwirtschaft gehorchend, sich vom Dichter zum Werbetexter wandelt, ist eine Abrechnung des Autors mit seiner Generation. Der Titel enthält nicht nur die Initiale des Schriftstellers, sondern auch eine abschätzige Bezeichnung der zynischen Kinder der Perestroika, für die angeblich Pepsi Cola den höchsten Wert im Leben verkörpert. Wie in Pelewins früheren Büchern irrt der Held mit Hilfe diverser Drogen durch halluzinierte Parallelwelten. Doch im Unterschied zu seinem vorherigen Erfolgsbuch "Buddhas kleiner Finger" verbirgt sich der Autor nicht länger hinter virtuos übereinandergeschichteten Majaschleiern, sondern er legt seine bewußtseinskritischen Karten offen auf den Tisch.

Das Buch ist eine Anti-Utopie, die in der Gegenwart spielt. Wie ein Rauschgiftsüchtiger hängt Rußland am Geld- und Konsumhahn des Westens. Die Politiker sind Medienerzeugnisse der Computeranimation, doch man glaubt an ihre Existenz, weil sie so abstoßend sind. Als Hauptmotor der Konsumgesellschaft funktioniert das Fernsehen, das als Brennstoff Geld und westliche Markenwaren benötigt. Kredite, die Manipulation der Sendefrequenzen oder das Abhalten ruinöser Wahlen sind die wirtschaftlichen Hebel, mit deren Hilfe Amerika sich das Land untertan macht.

Im Mittelpunkt des Textes steht die Schilderung, wie der Held es in der Kunst der kommerziellen Seelenfischerei zur Meisterschaft bringt. Die Werbespots, welche die Reklamemuse gebiert, entwerfen in parodistischer Überzeichnung russische Sehnsuchtsbilder und bezaubern jeden, der für den Charme politisch unkorrekter Grobheit und Verzweiflung empfänglich ist. Im Clip über die "Geschmacksexplosion" löslichen Kaffees läßt ein Liebhaber dieses Getränks, eine Art russischer Clint Eastwood, einen Mafiaboß in seinem gepanzerten Mercedes in die Luft fliegen. Die Erzeugnisse einer amerikanischen Sportartikelfirma werden durch einen Spot schmackhaft gemacht, der jüdisch aussehende Kriegsgefangene bei deren Herstellung in einer vietnamesischen Niederlassung zeigt. Die Krönung der Manipulationsinspiration, ein Werbespruch für Gott: "Christus der Erlöser, ein solider Herr für solide Herren", wurde zum geflügelten Wort der Stadtfolklore.

Mangel an Prätention

Doch den Helden erreichen auch Botschaften aus dem Jenseits, so die per mystischem Schreibimpuls übermittelten Traktate des in der Ewigkeit residierenden Zivilisationskritikers Che Guevara. Nach dessen Diagnose macht die Herrschaft des Fernsehens den Homo sapiens zum Homo zapiens, dessen leere Existenz im ebenso leeren Wirtschaftskreislauf aufgeht. Für das aufgrund seiner Primitivität äußerst vitale Nachfolgewesen des Menschen, das nur noch virtuelle Güter verschlingt und ausstößt, also auf orale und anale Konsumfunktionen reduziert ist, prägt Che Guevara den Gattungsnamen Oranus beziehungsweise "Mundarsch". Weitere psychedelische Lektüren offenbaren, daß dieses Menschenbild dem sumerischen Mythos entspricht, wonach die Krone der Schöpfung eigentlich nur ein Teil des Schmuckes der Gottheit darstellt, durch seine Körperöffnungen wie Perlen auf einen goldenen Faden aufgezogen. Im russischen Nervenzentrum des virtuellen Imperiums wird klar, daß die Welt eine Neuauflage des babylonischen Kultes des goldenen Götzen erlebt. Des altneuen Gottes Todfeind ist der schlafende Hund "Pisdez", ein unflätiger russischer Ausdruck für eine verzweifelte Lage. Daß das böse Fabelwesen sich als Ort seiner leicht störbaren Ruhe Rußland ausgesucht hat, ist eine kalauerhafte Pointe von Pelewins Mythopoetik, die den Deutungsmöglichkeiten des Titels eine weitere hinzufügt.

Auch das Schlagwort von der "Pepsi-Generation", die sich dem ewigen Verlierer auf dem Colamarkt verschrieben hat, enthält in den Augen des Autors für die Wirtschaftsperspektiven des Landes ein böses Omen. In solch resigniertem Humor wie auch in dem publizistischen Ton des Buches insgesamt scheint sich das ernüchterte Lebensgefühl seit der Finanzkrise vom vorigen August niederzuschlagen. Manche Pelewin-Anhänger sind enttäuscht über die Selbstentmystifizierung ihres populärphilosophischen Lieblingsautors, der zum Hermann Hesse der Computergeneration zu werden versprach. Doch der temperamentvolle, geistreiche Text entschädigt durch einen sympathischen Mangel an Prätention.

Unterdessen hat Wladimir Sorokin, der Sänger der terroristischen Menschennatur für eine kleine Elite von Liebhabern extremer Reize, mit seinem jüngsten Werk die Herzen eines breiteren Publikums gewonnen. Zum ersten Mal ersetzte der von Literaturpreisjurys übergangene Klassiker seine formal asketischen sprachzertrümmernden Rituale durch eine unterhaltsame erzählerische Komposition. Zum Helden hat der des Menschen überdrüssige Sorokin die phantastisch-gräßlich-selbstparodistische Substanz des "Himmelblauen Specks" gemacht, gewissermaßen eine Essenz der russischen geistigen Energien. Der thermisch unveränderliche Stoff, der ebenso zur Stromerzeugung wie als Superdroge taugt, bildet sich in den Organismen russischer Schriftsteller während des Schaffensprozesses, weshalb der russische Staat der Zukunft zu seiner Gewinnung Klassikerklone züchtet.

Die Klonliteratur ist allein schon ein Kabinettstück des Anverwandlungsgenies Sorokin. Wie bei früheren Stiltravestien reproduziert er nicht einfach Individualstile - Achmatowas Martyriumserotik im Dreiertakt, Platonows entkräftete Hingabe an die Revolutionsmaschinerie, Tolstois physiologische Hellsicht bei Mensch und Tier. Er steigert die sprachlichen Manierismen und sadomasochistischen Sensibilitäten des Originals gerade so weit, daß das Wiedererkennungserlebnis den Leser schaudern läßt. Diese vampiristischen Emanationen russischer Spiritualität haben schon eine Flut von Klassikerparodien inspiriert, die unter dem Stichwort "Goluboje salo II" im Internet zu finden sind.

Wundermasse für das Hirn

Die Welt des "Himmelblauen Specks" ist eine die Vergangenheit mit einschließende Anti-Utopie, in der das Heilmittel ebenso mit enthalten ist wie die eigene Parodie. Das Rußland des kommenden Jahrhunderts steht unter chinesischem Einfluß, die Umgangssprache ist mit chinesischen Vokabeln gespickt wie die heutige mit Anglizismen. Nur im fernen Sibirien hat sich eine reinrussische Ordensgemeinde, die ihre Bodenständigkeit durch rituelle Kopulationen mit Mutter Erde bekräftigt, in einem unterirdischen Refugium verschanzt. Sie entführt den Zauberstoff, um ihn per Zeitmaschine ins Rußland der fünfziger Jahre zu schicken und so den Lauf der Welt zu ändern.

Sorokin entwirft seine Nachkriegsszenerie als das radikal andere der Geschichte. Im Kampf mit der westlichen Plutokratie haben Stalin und Hitler gesiegt und die Welt unter sich aufgeteilt, wobei die Physiognomie historischer Personen und die Staatsideologie karnevalistisch ins Gegenteil verkehrt sind. Der athletische Superfixer Stalin spritzt sich den himmelblauen Speck schließlich ins Gehirn, das alsbald zur Größe des Universums anwächst - bis nach Äonen die Ernüchterung eintritt und die Wundermasse einem futuristischen Stutzer als Schmuck dient. So verbrauchen sich selbst die stärksten Drogen, zu denen auch revolutionäre Kunst gehört, früher oder später, lautet die Botschaft, und werden zu ungefährlichem Dekor. Zugleich bildet der Salto aus der Zukunft in die Vergangenheit und wieder zurück die Zirkelbewegung der russischen Geschichte ab.

Die beiden wohl interessantesten Neuerscheinungen dieses Jahres schildern die Welt aus dem Blickwinkel der manifesten Apokalypse, was nicht nur der Erfahrung des Jahrhunderts insbesondere in Rußland angemessen erscheint, sondern auch eine ehrenwerte nationale Literaturtradition fortführt. Pelewin, dessen Buch in diesem Sommer zum Accessoire Moskauer Passanten gehört, erblickt die Hölle in der Mediengesellschaft - eine Globalkritik, die ihm schon den Vorwurf des Infantilismus eingetragen hat. Sorokin, der Spezialist für die Hochspannungsleitungen der Kultur, exerziert die Verschmelzungsphantasien und Überwältigungsmetaphern der Wortkunst in gräßlich materialisierten sexuellen und Gewaltakten an seinen Figuren durch - die Erdliebhaber sind dafür das harmloseste Beispiel. Seine geopolitische Monstervision krönt der Autor mit einem erfundenen internationalen Fluchwort der Zukunft, das sein literarisches Personal, aber inzwischen auch seine Leser gern verwenden: "Rips", dem Namen eines amerikanischen Soldaten, der nach der Atomkatastrophe von Oklahoma im Jahr 2028 in der verseuchten Zone wochenlang den Zustand seines zerfallenden Körpers protokollierte.

Unterdessen wurde Sorokins Klon-Kunstwerk seinerseits geklont. Einer der Gründerväter des russischen Internet, Andrej Tschernow, plazierte eine Kopie des Textes ins Netz. Autor und Verleger protestierten, was in ähnlichen Fällen bisher dazu geführt hatte, daß das elektronische Doppel verschwand. Doch Tschernow verteidigt seine Web-Version mit dem Hinweis, daß die Internet-Präsenz nach russischem Recht nicht als Veröffentlichung gilt, im übrigen habe der "Himmelblaue Speck" eine amerikanische Adresse. Zwar trieb der Skandal die Verkaufszahlen des Buches in die Höhe. Doch zugleich lieferte Sorokin, der mit seinen Stilmaskeraden den Autormythos zu demontieren half, einen Testfall, in dem der rechtsfreie Raum des Internet über die in Rußland mühsam etablierten Rechte geistiger Eigentümer den Sieg davongetragen hat.

KERSTIN HOLM

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Alles in allem scheint dieser Roman dem Rezensenten Franz Haas ganz gut zu gefallen, auch wenn er sich bisweilen an dem "esoterischen und technizistischen Spuk", den Viktor Pelewin hier treibe, stört. Inhaltlich Problematisches werde jedoch durch den witzigen und selbstironischen Erzählstil wieder wettgemacht, und so beschreibt Haas die Rezeptur des Romans als "jede Menge postsowjetische Realität plus einen guten Schuss halluzinierte Zukunftsschrecken, gut durchgeschüttelt von seinem immensen Schreibwitz".

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