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Keine ausführliche Beschreibung für "Geopolitik und Geschichtsphilosophie 1748-1798" verfügbar.

Produktbeschreibung
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Autorenporträt
Christoph Albrecht lebt in Nurnberg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.05.1998

Mir gefällt zu konversieren mit Gescheiten, mit Tyrannen
Der Weltbürgerkrieg begann am Bosporus: Christoph Albrecht inspiziert die Heere von Geopolitikern und Geschichtsphilosophen

Am Anfang war Hölderlin. Und im Kern ist die schön gedruckte, signalgelb gebundene und dröhnend betitelte Neufassung einer Bochumer Dissertation noch immer ein Kommentar zu "Hyperion": dem Briefroman vom edlen jungen Griechen, der im russisch-türkischen Krieg von 1768 als Freiheitskämpfer scheitert, nach dem Tod seiner Seelenführerin Diotima "unter die Deutschen" kommt, angewidert zurückkehrt und fortan als Eremit in den Trümmern des antiken Korinth lebt. Allerdings müsse man, bemerkt Albrecht provokant, Hölderlins Text nicht kennen, um seinen eigenen "genießen zu können". Betrachte er den Dichter doch nur als ein "Symptom einer philosophischen Verirrung, die man auch an anderen Beispielen studieren könnte". Er mag sein Thema nicht - eigentlich keine schlechte Voraussetzung für einen scharfen Blick.

Seit Pierre Bertaux Hölderlin 1968 als Jakobiner enttarnte, gilt dieser nicht mehr nur als schwärmender Verehrer der Suzette Gontard, sondern vorab als aufmerksamer, erstaunlich genauer Beobachter des Zeitgeschehens. Hier setzt Albrecht an. Doch weniger als Revolutionär sieht er den Dichter denn als Verehrer des gleichaltrigen Napoleon Bonaparte. 1795/97, während "Hyperion" entstand, errang der junge General seine Siege in Italien und sicherte sie im Frieden von Campo Formio. Dann plante er, mit seiner Armee nach Griechenland überzusetzen, die Türken zu vertreiben, Konstantinopel zu erobern und als ein neuer Alexander nach Indien zu ziehen. 1799, als der Roman, dessen Held den Sultan bis zum Euphrat treiben will, erschien, kämpften Bonapartes Truppen unter den Pyramiden.

Diese Gleichzeitigkeit ist kein Zufall. Denn für "Hyperion", so zeigt Albrecht in vielen Detailanalysen, hat Hölderlin nicht nur moderne Karten und Reisebeschreibungen studiert, sondern vor allem Zeitungsberichte und französische Propagandaschriften von der italienischen Front. Mag der Roman dreißig Jahre früher spielen, so entstammen seine militärischen Details doch durchwegs der unmittelbaren Gegenwart. Als Feldherr teilt Hyperion Bonapartes Schnelligkeit. Er führt seine Truppen nach napoleonischen Maximen. Er bekämpft die türkischen Haufen mit ebender Kombination von "Tirailleur"-Taktik und "Kolonnenstoß": dem ermattenden Geplänkel beweglicher Einzelverbände vor der entscheidenden, massierten Attacke, mit der die Franzosen die Österreicher in den Kärntener Bergen bezwangen. Kurz: Was auf dem realen Kriegsschauplatz geschah und geplant wurde, das "spiegelt Hölderlins ,Hyperion' mit erstaunlichem Realismus und relativ hoher historischer Trennschärfe wider". Er macht die Gegenwart von 1796 zur "Erfüllung einer geschichtlichen Prophezeiung von 1770".

Wie Albrecht die Dynamisierung der militärischen Taktik zwischen Vauban und Carnot, Friedrich dem Großen und Scharnhorst anhand einer imposanten Menge militärtheoretischer Schriften nachzeichnet, wäre spannend genug. Doch parallel dazu eröffnet er eine zweite analytische Front. Wie, so fragt er, entstand die zeitgenössische Faszination für die "orientalische Frage", die europäische Obsession, das Morgenland erobern zu müssen? Die Antwort liegt darin, daß sich seit Mitte des achtzehnten Jahrhunderts konkrete "geopolitische" Machtinteressen mit dem "geschichtsphilosophischen" Postulat verbanden, daß die aufgeklärte Vernunft von Natur aus berufen, ja moralisch verpflichtet sei, die vernunftfeindliche, daher widernatürliche "Despotie" des Sultans zu brechen.

Erneut läßt Albrecht wahre Armeen von Männern und Büchern aufmarschieren. Die Vorhut bildet Voltaire, der den Mythos einer zivilisatorischen Mission erfand, um den Kampf der russischen Zarin um einen Zugang zum Mittelmeer öffentlich zu verklären. Als Tirailleurs folgt eine bunte Schar interessanter, meist vergessener Publizisten, von dem Konstantinopel-Kenner Felix Beaujour bis hin zu dem griechischen Freiheitshelden Rhigas Velestinlis, die alle auf je eigene Art für einen Feldzug gegen das vermeintlich bankrotte Osmanische Reich warben. Den Kolonnenstoß aber vertraut Albrecht dem Orientreisenden und (Gegen-)Aufklärer Constantin-François de Volney an. Er wurde zum Chefideologen, Berater und Begleiter Bonapartes, weil er die Türkei mit Hilfe westlicher Werte und Technologien zum "Basislager auf dem Marsch nach Indien" zu organisieren versprach.

Der Verlierer der Schlacht ist Hölderlin. Auf nicht weniger als hundert Seiten weist Albrecht nach, daß Volneys Vision der "orientalischen Frage" derjenigen des Dichters bei weitem überlegen sei. Denn wo der Volkserzieher Hyperion die Osmanen durch Bildung bessern will, da entwirft Volney in seinen "Ruinen oder Betrachtungen über die Revolutionen der Reiche" (1791) ein Programm konkreter Wirtschaftsreformen, das auf moderne Prinzipien wie Austausch und Selbststeuerung setzt. Mit Volney, so formuliert Albrecht in der ihm eigenen Mischung von Pathos und Hemdsärmeligkeit, "fallen die ersten Schüsse des ,philosophischen Weltbürgerkriegs', der noch heute mit unterschiedlichen, aber zum Glück harmlosen Waffen geführt wird. Die positivistischen Physiologien des Geistes operieren mit Ockhams Rasiermesser, die ,Selbstbewußtsein'-Realisten schießen zurück mit ihren ,subjektphilosophischen' Platzpatronen."

Hier nun öffnet sich eine dritte Ebene - und eine Mißlichkeit des sachlich so originellen wie innovativen Buches: Der Verfasser handelt nicht nur über Schlachten, sondern meint, selbst welche führen zu müssen, und er tut dies in einem Ton, als schreibe er von Sils-Maria oder Plettenberg aus. Damit aber ist er weit weniger revolutionär als seine Helden. Denn seine Theorien von Verschwörung und "Irrweg" repetieren wohlbekannte Muster der siebziger Jahre unseres Jahrhunderts, und seine Idealismus-Kritik ist bereits im "Willen zur Macht" nachzulesen. Auch Albrecht bekämpft "Idealisten", die "bis heute" versuchen, "die sogenannte ,Phänomenologie' der Erfahrungstatsachen aus Begriffssystemen (oder gar die Neuzeit aus dem Prinzip der sogenannten ,Subjektivität') abzuleiten", die also Ideen mehr als unmittelbare Erfahrung, abstrakte Konstruktionen höher als handfeste Realien schätzen. Wer (wie Kant) aus Angst vor den moralischen Konsequenzen freien Denkens oder (wie Voltaire) als Lohnschreiber der Mächtigen "Vernunft" zum höchsten Wert verklärt, wer diese tyrannische Autorität der Politik und Geschichte als Prinzip unterlegen möchte, den straft Albrecht mit dem Schimpfwort "Geschichtsphilosoph".

Mit dem Ehrentitel "Geopolitiker" hingegen bedenkt er jene "Positivisten" - ein bei ihm geradezu emphatisches Prädikat -, die (wie Rousseau, Volney oder Bonaparte) ihr politisches Planen und Handeln nüchtern an den vorgefundenen biologisch-natürlichen Realitäten ausrichten. Leider aber sei diese aufgeklärte Leidenschaft für Wirklichkeit durch den fatalen "Idealismus" verdrängt worden. "Widerrechtlich", nämlich "durch terminologische und historische Täuschungsmanöver", habe die idealistische Geistesgeschichte die Aufklärung zudem zu ihrer Vorläuferin herabgedrückt. Dieser Sieg aber sei dem "verquasten" Idealismus nicht durch eigene Kraft gelungen, sondern nur durch die Hilfe der "Geopolitik" selbst. Kurz nachdem die Revolution deren Ziele durch die Doktrin der "natürlichen Grenzen", durch Kartographie und Kataster, Naturwissenschaft und Gesundheitspolitik etabliert gehabt habe, hätten Napoleons Eroberungen diese "natürlichen Grenzen" wieder gesprengt und erneut "Geschichtsphilosophie" zur Legitimation dieses Imperialismus nötig gemacht.

So vereinte der große Korse - wie in manchem auch sein schwäbischer Verehrer - die Prinzipien beider "Bürgerkriegsparteien" in einer Person. Er war der Inbegriff eines realistischen Geopolitikers, aber zugleich "vielleicht der erste spekulative Geschichtsphilosoph, der seine Spekulation (fast) empirisch bewiesen hat. Er hat der Welt gezeigt, wie man mit dem Mörser philosophiert." Ecce homo! Oder ist es - ganz gegen Albrechts Absicht - doch eher der auf dem Schimmel reitende Weltgeist? Wie dem auch sei: Für dieses geistreiche, eigensinnige, aber sperrige Buch gilt Hölderlins Warnung an die Leser des "Hyperion". Man sollte nicht, so meinte er, "um das fabula docet sich zu sehr bekümmern". GERRIT WALTHER

Christoph V. Albrecht: "Geopolitik und Geschichtsphilosophie 1748-1798". Akademie Verlag, Berlin 1998. XVI, 490 S., geb., 98,- DM.

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