Der Band verknüpft zwei Prosasatiren und ein Gedicht des Darmstädter Autors Fritz Deppert mit einem ausführlichen Essay zur Rezeptionsgeschichte Georg Büchners in Darmstadt. Letzteres spürt viele neue und oft auch realsatirische Aspekte auf und beschreibt, wie die Darmstädter mit ihrem berühmten Sohn umgegangen sind. Ein ganz eigener poetischer und historisch einordnender Beitrag zum Büchnerjahr 2013.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.10.2013Der Jugendstil gefällt ihm nicht
Autor lädt Büchner zum Spaziergang durch Darmstadt
h.r. DARMSTADT. Fritz Deppert hat Georg Büchner rechtzeitig aus dem Olymp auf Darmstädter Boden geholt. Sein von der Gesellschaft Hessischer Literaturfreunde herausgegebenes Büchlein "Georg Büchner geht durch Darmstadt", das zwei Prosastücke, ein Gedicht und einen Essay enthält, ist passgenau zur laufenden Büchner-Ausstellung im Kongresszentrum und zur Verleihung des Georg-Büchner-Preises erschienen. Diese Auszeichnung erhält am Samstag die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff, die, wie die Jury begründet, in ihrem Werk das "Gespräch mit den Toten" so lebendig wie unterhaltsam führt. Das Buch wird schon morgen um 19.30 Uhr öffentlich vorgestellt in der Galerie Netuschil im Rahmen der Ausstellung "... da geht Büchner - Bilder des Dichters und seines Werkes".
Auch Deppert führt in seinem 48 Seiten starken Büchlein ein Gespräch mit einem Toten. Ihn hat der gebürtige Darmstädter, der einst Leiter der Darmstädter Bertolt-Brecht-Schule war und in der Stadt heute vor allem als Lektor des Literarischen März, Dichter und Romanautor bekannt ist, ins Herz geschlossen.
Zumindest kann man das aus dem kurzen Text über seinen fiktiven Spaziergang schließen, den er mit Büchner durch Darmstadt unternimmt. Habe ihn doch allein der Gedanke, neben Georg Büchner im Traum herlaufen zu dürfen, "freudige Gänsehäute verursacht". So führt der 1939 geborene Deppert, der Darmstadt wie seine Westentasche kennt, also einen Herabgestiegenen durch dessen Heimatstadt, aus der er einst vor hochherrschaftlichen Verfolgern hat fliehen müssen.
Depperts Büchner ist, vielleicht kann man es so zusammenfassen, ungehalten. Die Jugendstilhäuser auf der Mathildenhöhe sind ihm "zu verspielt und skurril und nichts für einfache Leute". Die Stadt erscheint ihm "zu weit ausgewachsen", die Hinkelsgasse, durch die er gern promeniert wäre, existiert nicht mehr, zum Theater will er nicht laufen. Dass man im Hinterhof seines Elternhauses eine Bronzetafel hat anbringen lassen, erfreut ihn zwar. Aber das hält ihn nicht davon ab, ziemlich schnell die Lust zu verlieren, weiter durch eine Stadt zu laufen, "die so anders und fremd geworden ist". Nach nur vier Seiten lässt Deppert seinen Büchner deshalb wieder in den Olymp verschwinden, wo er "den armen Leuten im Himmel donnern helfen will".
In dem folgenden Essay "Darmstadt und Georg Büchner" verhehlt Deppert nicht, dass ihm etwas Theaterdonner auch am Samstag gefallen würde. Seit der Georg-Büchner-Preis vergeben werde, warte man Jahr für Jahr gespannt, wie die Rede des Preisträgers ausfalle, und werde selten enttäuscht. Günter Grass habe 1965 die Junge Union auf die Palme gebracht, Erich Fried 1987 sogar einen Skandal verursacht, ebenso wie Walter Jens, als er den ersten "Alternativen Büchnerpreis" angenommen habe.
Dass die Darmstädter derart enerviert sind, dürfte niemanden verwundern, der Depperts kurze, aber prägnante Darmstädter Rezeptionsgeschichte liest. Die Bürgerschaft, die die Preisverleihung jedes Jahr als literarisches Großereignis feiert, hat es ihrem berühmten Sohn lange nicht leichtgemacht, die "Eingemeindung Büchners" habe erst nach 1945 eingesetzt, resümiert Deppert.
Hätte der heutige Ruhm den Dichter und Revolutionär des Vormärz erfreut? Während seines Darmstadt-Spaziergangs verweigert Büchner jede Auskunft dazu - "nicht weil ich höflich oder gar zahm geworden wäre, sondern weil es mich langweilt".
Fritz Deppert: "Georg Büchner geht durch Darmstadt", 48 Seiten, 9,80 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Autor lädt Büchner zum Spaziergang durch Darmstadt
h.r. DARMSTADT. Fritz Deppert hat Georg Büchner rechtzeitig aus dem Olymp auf Darmstädter Boden geholt. Sein von der Gesellschaft Hessischer Literaturfreunde herausgegebenes Büchlein "Georg Büchner geht durch Darmstadt", das zwei Prosastücke, ein Gedicht und einen Essay enthält, ist passgenau zur laufenden Büchner-Ausstellung im Kongresszentrum und zur Verleihung des Georg-Büchner-Preises erschienen. Diese Auszeichnung erhält am Samstag die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff, die, wie die Jury begründet, in ihrem Werk das "Gespräch mit den Toten" so lebendig wie unterhaltsam führt. Das Buch wird schon morgen um 19.30 Uhr öffentlich vorgestellt in der Galerie Netuschil im Rahmen der Ausstellung "... da geht Büchner - Bilder des Dichters und seines Werkes".
Auch Deppert führt in seinem 48 Seiten starken Büchlein ein Gespräch mit einem Toten. Ihn hat der gebürtige Darmstädter, der einst Leiter der Darmstädter Bertolt-Brecht-Schule war und in der Stadt heute vor allem als Lektor des Literarischen März, Dichter und Romanautor bekannt ist, ins Herz geschlossen.
Zumindest kann man das aus dem kurzen Text über seinen fiktiven Spaziergang schließen, den er mit Büchner durch Darmstadt unternimmt. Habe ihn doch allein der Gedanke, neben Georg Büchner im Traum herlaufen zu dürfen, "freudige Gänsehäute verursacht". So führt der 1939 geborene Deppert, der Darmstadt wie seine Westentasche kennt, also einen Herabgestiegenen durch dessen Heimatstadt, aus der er einst vor hochherrschaftlichen Verfolgern hat fliehen müssen.
Depperts Büchner ist, vielleicht kann man es so zusammenfassen, ungehalten. Die Jugendstilhäuser auf der Mathildenhöhe sind ihm "zu verspielt und skurril und nichts für einfache Leute". Die Stadt erscheint ihm "zu weit ausgewachsen", die Hinkelsgasse, durch die er gern promeniert wäre, existiert nicht mehr, zum Theater will er nicht laufen. Dass man im Hinterhof seines Elternhauses eine Bronzetafel hat anbringen lassen, erfreut ihn zwar. Aber das hält ihn nicht davon ab, ziemlich schnell die Lust zu verlieren, weiter durch eine Stadt zu laufen, "die so anders und fremd geworden ist". Nach nur vier Seiten lässt Deppert seinen Büchner deshalb wieder in den Olymp verschwinden, wo er "den armen Leuten im Himmel donnern helfen will".
In dem folgenden Essay "Darmstadt und Georg Büchner" verhehlt Deppert nicht, dass ihm etwas Theaterdonner auch am Samstag gefallen würde. Seit der Georg-Büchner-Preis vergeben werde, warte man Jahr für Jahr gespannt, wie die Rede des Preisträgers ausfalle, und werde selten enttäuscht. Günter Grass habe 1965 die Junge Union auf die Palme gebracht, Erich Fried 1987 sogar einen Skandal verursacht, ebenso wie Walter Jens, als er den ersten "Alternativen Büchnerpreis" angenommen habe.
Dass die Darmstädter derart enerviert sind, dürfte niemanden verwundern, der Depperts kurze, aber prägnante Darmstädter Rezeptionsgeschichte liest. Die Bürgerschaft, die die Preisverleihung jedes Jahr als literarisches Großereignis feiert, hat es ihrem berühmten Sohn lange nicht leichtgemacht, die "Eingemeindung Büchners" habe erst nach 1945 eingesetzt, resümiert Deppert.
Hätte der heutige Ruhm den Dichter und Revolutionär des Vormärz erfreut? Während seines Darmstadt-Spaziergangs verweigert Büchner jede Auskunft dazu - "nicht weil ich höflich oder gar zahm geworden wäre, sondern weil es mich langweilt".
Fritz Deppert: "Georg Büchner geht durch Darmstadt", 48 Seiten, 9,80 Euro.
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