Georges (Nouvelle édition) / par Alexandre Dumas Date de l'édition originale: 1860 Le présent ouvrage s'inscrit dans une politique de conservation patrimoniale des ouvrages de la littérature Française mise en place avec la BNF. HACHETTE LIVRE et la BNF proposent ainsi un catalogue de titres indisponibles, la BNF ayant numérisé ces oeuvres et HACHETTE LIVRE les imprimant à la demande. Certains de ces ouvrages reflètent des courants de pensée caractéristiques de leur époque, mais qui seraient aujourd'hui jugés condamnables. Ils n'en appartiennent pas moins à l'histoire des idées en France et sont susceptibles de présenter un intérêt scientifique ou historique. Le sens de notre démarche éditoriale consiste ainsi à permettre l'accès à ces oeuvres sans pour autant que nous en cautionnions en aucune façon le contenu. Pour plus d'informations, rendez-vous sur www.hachettebnf.fr
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.10.2020Kampf mit der
Barbarei
In seinem Roman „Georges“ erzählt Alexandre Dumas
von Rassismus, Kolonialismus, Sklavenhandel
VON WILLI WINKLER
Der Leser, die Leserin sei gewarnt: „Georges“ ist ein durch und durch rassistisches Buch. Es wimmelt nur so von „Negern“ und „Mulatten“, sie sind im Zweifel dumm und gemein und auch noch dem Branntwein zugetan, „diesem ewigen Gift der schwarzen Rasse“, das sie völlig willenlos und kampfunfähig macht, weil „dem kein Neger widerstehen kann und für das er seine Kinder, seinen Vater und seine Mutter und oft sich selbst verkauft“.
In diesem Roman geht es auch ums Verkaufen, deshalb wird der Wert eines Menschen gnadenlos verhandelt, denn er ist hier abhängig von der Hautfarbe. Die Rangordnung in absteigender Folge: Weißer – Mulatte – Schwarzer. Die aus Frankreich stammende weiße Familie Malmédie kann sich auf nichts anderes stützen als auf ihr Weißsein, die „Aristokratie der Farbe“. Ort der Handlung ist die Insel Mauritius, die Anfang des 19. Jahrhunderts noch den Franzosen gehört und Isle de France heißt. Bald werden die Engländer die „schöne Perle des Ozeans“ erobern. Zur Verteidigung der Insel meldet sich der reiche Pflanzer Pierre Munier, „an Körperkraft, an Charakter, an Reichtum diesem Franzosen dreifach überlegen“, doch der Wehrbeitrag des „Mulatten“ wird vom Kommandeur Malmédie abgelehnt, die den Briten entrissene Fahne wird schlicht requiriert. Munier lässt sich von Vater und Sohn Malmédie demütigen, weil er es „sein Leben lang gewohnt war, die Weißen als höhere Wesen zu betrachten“.
Alexandre Dumas, der Erfinder der „Drei Musketiere“, das Genie, dem der „Graf von Monte Christo“ mitsamt seinem märchenhaften Rachefeldzug zu verdanken ist, hat es 1843 gewagt, seinen lieben Landsleuten die Geschichte eines Mannes aufzutischen, der wegen seiner Hautfarbe diskriminiert wird und der sich dafür an der weißen Herrenrasse rächt.
1843, das war zwar, nur zur Erinnerung, bereits etliche Jahre nach der Verkündung der Menschenrechte (1789) und der Abschaffung der Sklaverei (1794) in Frankreich, doch hatte Napoleon das Verbot wieder aufgehoben und ausdrücklich bekräftigt, dass der Code Noir aus dem Jahr 1685 weiter zu gelten habe. Der verfügte unter anderem, dass einem Sklaven, der entfloh und erst nach einem Monat wieder eingefangen wurde, die Ohren abzuschneiden waren. Floh er wieder, ging es an die Achillessehne, beim dritten Mal wurde er hingerichtet. Während John Locke und Immanuel Kant schrieben, galten Sklaven nicht nur als Arbeitsmaterial, sondern als Hab und Gut, ein bezifferbares und deshalb kostbares Eigentum. Als Großbritannien die Sklaverei 1833 abschaffte, beschloss die Regierung, die britischen Sklavenhalter schadlos zu halten. Es wurde deshalb ein Kredit von 20 Millionen Pfund aufgenommen (vierzig Prozent des damaligen Staatshaushalts und nach heutiger Kaufkraft 300 Milliarden Pfund), der mit der letzten Rate erst 2015 getilgt war – vor fünf Jahren.
Diese und weitere Erläuterungen bietet diese nur mit Trompetenschall und Posaunenjubel zu preisende Neuausgabe von „Georges“. Die Wiederentdeckung ist ein Dokument, das durch die kaum aufgefrischte deutsche Übersetzung von 1890 in ihrer Wortwahl sogar besonders authentisch wirkt. Die Lesefreude kommt dabei nicht zu kurz, der Roman schwelgt in Beschreibungen, mit denen zuletzt Karl May durchkam, wenn es etwa von einem Mann heißt, „die Natur“ habe ihm „ein so unbedeutendes Gesicht gegeben, dass es schien, als könne keine Erregung demselben irgendeinen charakteristischen Ausdruck verleihen“. Die Schwarzen haben eine „kupferne Haut“ und tragen, auch nicht besonders überraschend, „wolliges Haupthaar“. Es gibt das übliche unverhoffte Wiedersehen, eine süße Liebesgeschichte und die Rettung in letzter Minute, aber das Schönste ist: der Gute, das Gute siegt so gründlich, wie es nur im Kolportageroman möglich ist. Deshalb fehlt es auch nicht an üblen Schurken und exotischen Abenteuern, an feurigen Arabern und meteorologischen Unbillen, und am Ende wartet zeitgemäß das Schafott.
Der hoffnungs- und mutlose Munier schickt nach seiner Schmach seine beiden minderjährigen Söhne fort von der Insel, auf der sie nichts werden können. Der eine, Jacques, wird mit seinem Schiff Sklavenhandel treiben, der andere, Georges, bildet sich in Europa zum Gentleman fort, erlernt allerlei Sprachen und feine Umgangsformen und erwirbt jenen unermesslichen Reichtum, ohne den er – es geht wie gesagt um Geld – seine aufgesparte Rache nicht üben kann.
In bester Wunscherfüllungsfantasie, wie sie nur die Traummaschine Literatur bietet, kehrt Georges nach vierzehn Jahren auf die Insel zurück. Anders als im „Monte Christo“ ist das für Georges ein idealistisches Unternehmen: „Ich habe ein Vorurteil zu bekämpfen. Entweder muss das Vorurteil mich zerschmettern oder ich muss es töten.“ Oder noch hochgestimmter: „Sein Kampf mit der Zivilisation war zu Ende, sein Kampf mit der Barbarei sollte beginnen.“ Aus der Privatfehde wird eine „Kriegerklärung an alle Weißen“, etwas, was den armen Schwarzen in „Onkel Toms Hütte“ nie in den Sinn gekommen wäre. „Georges“ ist also offensichtlich mehr als Kolportage, sondern ein frühes, vergessenes Pamphlet gegen Rassismus und Sklaverei, von einem Autor, der wusste, wovon er schrieb, weil auch er, so muss es wohl heißen, seine Haut zu Markte trug. Nach der Rassenlehre des 19. Jahrhunderts war Alexandre Dumas selbst ein Mulatte: Sein Vater Thomas-Alexandre wurde 1762 auf Haiti als Sohn eines französischen Adeligen und einer schwarzen Sklavin geboren, deren Nachname Dumas er in die Familie brachte. Thomas-Alexandre Dumas stieg in der Revolution zum General auf, durfte also in den Kampf, von dem Munier wegen seiner Hautfarbe ausgeschlossen blieb. Während der deutschen Besatzung beseitigten rassistische französische Kollaborateure sein Denkmal, für dessen Errichtung sich sogar Anatole France eingesetzt hatte. Der eifersüchtige Balzac bezeichnete den Sohn, den Schriftsteller Dumas, als „dieser Neger“; in den zeitgenössischen Karikaturen wurde er gern mit wulstigen Lippen dargestellt.
Georges ringt sich bei Dumas, kaum zu glauben, dass das vor beinah 180 Jahren geschrieben wurde, zu einem politischen Bewusstsein durch und führt als „Mulatte“ zusammen mit den „Negern“ den Feldzug gegen die dummen und eingebildeten Weißen, als wäre er bereits bei den Black Panthers. Bei Dumas ist es nur viel ergreifender, wenn der unendlich edle Georges „Meine Herren Weißen“ anspricht und ihnen versichert: „Sie haben Eile, mich sterben zu sehen. Das begreife ich, vielleicht brauchen Sie eine Lektion in Tapferkeit. Ich werde sie Ihnen geben.“
Alexandre Dumas: Georges. Deutsch von Friedrich Ramhorst. Neu herausgegeben von Peter Hillebrand. Comino Verlag, Berlin 2020. 224 Seiten, 9,90 Euro.
Aus der Privatfehde
wird eine „Kriegerklärung
an alle Weißen“
Kaum zu glauben,
dass das vor beinahe 180 Jahren
geschrieben wurde
Er erfand „Die drei Musketiere“ und den märchenhaften Rachefeldzug des „Grafen von Monte Christo“. Er wurde wegen Herkunft und Hautfarbe oft geschmäht: Alexandre Dumas, geboren 1802, gestorben 1870.
Foto: afp
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Barbarei
In seinem Roman „Georges“ erzählt Alexandre Dumas
von Rassismus, Kolonialismus, Sklavenhandel
VON WILLI WINKLER
Der Leser, die Leserin sei gewarnt: „Georges“ ist ein durch und durch rassistisches Buch. Es wimmelt nur so von „Negern“ und „Mulatten“, sie sind im Zweifel dumm und gemein und auch noch dem Branntwein zugetan, „diesem ewigen Gift der schwarzen Rasse“, das sie völlig willenlos und kampfunfähig macht, weil „dem kein Neger widerstehen kann und für das er seine Kinder, seinen Vater und seine Mutter und oft sich selbst verkauft“.
In diesem Roman geht es auch ums Verkaufen, deshalb wird der Wert eines Menschen gnadenlos verhandelt, denn er ist hier abhängig von der Hautfarbe. Die Rangordnung in absteigender Folge: Weißer – Mulatte – Schwarzer. Die aus Frankreich stammende weiße Familie Malmédie kann sich auf nichts anderes stützen als auf ihr Weißsein, die „Aristokratie der Farbe“. Ort der Handlung ist die Insel Mauritius, die Anfang des 19. Jahrhunderts noch den Franzosen gehört und Isle de France heißt. Bald werden die Engländer die „schöne Perle des Ozeans“ erobern. Zur Verteidigung der Insel meldet sich der reiche Pflanzer Pierre Munier, „an Körperkraft, an Charakter, an Reichtum diesem Franzosen dreifach überlegen“, doch der Wehrbeitrag des „Mulatten“ wird vom Kommandeur Malmédie abgelehnt, die den Briten entrissene Fahne wird schlicht requiriert. Munier lässt sich von Vater und Sohn Malmédie demütigen, weil er es „sein Leben lang gewohnt war, die Weißen als höhere Wesen zu betrachten“.
Alexandre Dumas, der Erfinder der „Drei Musketiere“, das Genie, dem der „Graf von Monte Christo“ mitsamt seinem märchenhaften Rachefeldzug zu verdanken ist, hat es 1843 gewagt, seinen lieben Landsleuten die Geschichte eines Mannes aufzutischen, der wegen seiner Hautfarbe diskriminiert wird und der sich dafür an der weißen Herrenrasse rächt.
1843, das war zwar, nur zur Erinnerung, bereits etliche Jahre nach der Verkündung der Menschenrechte (1789) und der Abschaffung der Sklaverei (1794) in Frankreich, doch hatte Napoleon das Verbot wieder aufgehoben und ausdrücklich bekräftigt, dass der Code Noir aus dem Jahr 1685 weiter zu gelten habe. Der verfügte unter anderem, dass einem Sklaven, der entfloh und erst nach einem Monat wieder eingefangen wurde, die Ohren abzuschneiden waren. Floh er wieder, ging es an die Achillessehne, beim dritten Mal wurde er hingerichtet. Während John Locke und Immanuel Kant schrieben, galten Sklaven nicht nur als Arbeitsmaterial, sondern als Hab und Gut, ein bezifferbares und deshalb kostbares Eigentum. Als Großbritannien die Sklaverei 1833 abschaffte, beschloss die Regierung, die britischen Sklavenhalter schadlos zu halten. Es wurde deshalb ein Kredit von 20 Millionen Pfund aufgenommen (vierzig Prozent des damaligen Staatshaushalts und nach heutiger Kaufkraft 300 Milliarden Pfund), der mit der letzten Rate erst 2015 getilgt war – vor fünf Jahren.
Diese und weitere Erläuterungen bietet diese nur mit Trompetenschall und Posaunenjubel zu preisende Neuausgabe von „Georges“. Die Wiederentdeckung ist ein Dokument, das durch die kaum aufgefrischte deutsche Übersetzung von 1890 in ihrer Wortwahl sogar besonders authentisch wirkt. Die Lesefreude kommt dabei nicht zu kurz, der Roman schwelgt in Beschreibungen, mit denen zuletzt Karl May durchkam, wenn es etwa von einem Mann heißt, „die Natur“ habe ihm „ein so unbedeutendes Gesicht gegeben, dass es schien, als könne keine Erregung demselben irgendeinen charakteristischen Ausdruck verleihen“. Die Schwarzen haben eine „kupferne Haut“ und tragen, auch nicht besonders überraschend, „wolliges Haupthaar“. Es gibt das übliche unverhoffte Wiedersehen, eine süße Liebesgeschichte und die Rettung in letzter Minute, aber das Schönste ist: der Gute, das Gute siegt so gründlich, wie es nur im Kolportageroman möglich ist. Deshalb fehlt es auch nicht an üblen Schurken und exotischen Abenteuern, an feurigen Arabern und meteorologischen Unbillen, und am Ende wartet zeitgemäß das Schafott.
Der hoffnungs- und mutlose Munier schickt nach seiner Schmach seine beiden minderjährigen Söhne fort von der Insel, auf der sie nichts werden können. Der eine, Jacques, wird mit seinem Schiff Sklavenhandel treiben, der andere, Georges, bildet sich in Europa zum Gentleman fort, erlernt allerlei Sprachen und feine Umgangsformen und erwirbt jenen unermesslichen Reichtum, ohne den er – es geht wie gesagt um Geld – seine aufgesparte Rache nicht üben kann.
In bester Wunscherfüllungsfantasie, wie sie nur die Traummaschine Literatur bietet, kehrt Georges nach vierzehn Jahren auf die Insel zurück. Anders als im „Monte Christo“ ist das für Georges ein idealistisches Unternehmen: „Ich habe ein Vorurteil zu bekämpfen. Entweder muss das Vorurteil mich zerschmettern oder ich muss es töten.“ Oder noch hochgestimmter: „Sein Kampf mit der Zivilisation war zu Ende, sein Kampf mit der Barbarei sollte beginnen.“ Aus der Privatfehde wird eine „Kriegerklärung an alle Weißen“, etwas, was den armen Schwarzen in „Onkel Toms Hütte“ nie in den Sinn gekommen wäre. „Georges“ ist also offensichtlich mehr als Kolportage, sondern ein frühes, vergessenes Pamphlet gegen Rassismus und Sklaverei, von einem Autor, der wusste, wovon er schrieb, weil auch er, so muss es wohl heißen, seine Haut zu Markte trug. Nach der Rassenlehre des 19. Jahrhunderts war Alexandre Dumas selbst ein Mulatte: Sein Vater Thomas-Alexandre wurde 1762 auf Haiti als Sohn eines französischen Adeligen und einer schwarzen Sklavin geboren, deren Nachname Dumas er in die Familie brachte. Thomas-Alexandre Dumas stieg in der Revolution zum General auf, durfte also in den Kampf, von dem Munier wegen seiner Hautfarbe ausgeschlossen blieb. Während der deutschen Besatzung beseitigten rassistische französische Kollaborateure sein Denkmal, für dessen Errichtung sich sogar Anatole France eingesetzt hatte. Der eifersüchtige Balzac bezeichnete den Sohn, den Schriftsteller Dumas, als „dieser Neger“; in den zeitgenössischen Karikaturen wurde er gern mit wulstigen Lippen dargestellt.
Georges ringt sich bei Dumas, kaum zu glauben, dass das vor beinah 180 Jahren geschrieben wurde, zu einem politischen Bewusstsein durch und führt als „Mulatte“ zusammen mit den „Negern“ den Feldzug gegen die dummen und eingebildeten Weißen, als wäre er bereits bei den Black Panthers. Bei Dumas ist es nur viel ergreifender, wenn der unendlich edle Georges „Meine Herren Weißen“ anspricht und ihnen versichert: „Sie haben Eile, mich sterben zu sehen. Das begreife ich, vielleicht brauchen Sie eine Lektion in Tapferkeit. Ich werde sie Ihnen geben.“
Alexandre Dumas: Georges. Deutsch von Friedrich Ramhorst. Neu herausgegeben von Peter Hillebrand. Comino Verlag, Berlin 2020. 224 Seiten, 9,90 Euro.
Aus der Privatfehde
wird eine „Kriegerklärung
an alle Weißen“
Kaum zu glauben,
dass das vor beinahe 180 Jahren
geschrieben wurde
Er erfand „Die drei Musketiere“ und den märchenhaften Rachefeldzug des „Grafen von Monte Christo“. Er wurde wegen Herkunft und Hautfarbe oft geschmäht: Alexandre Dumas, geboren 1802, gestorben 1870.
Foto: afp
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.01.2021Befreite Abenteurer
Der Roman "Georges" von Alexandre Dumas
Nicht die heute vergötterten Romane von Stendhal, Balzac, Flaubert, Zola, Hugo oder Sand waren die größten Publikumserfolge der französischen Literatur im neunzehnten Jahrhundert, wie es ja auch in der deutschsprachigen nicht die von Goethe, Jean Paul, Gottfried Keller oder Fontane gewesen sind, sondern die von Karl May. Das französische Pendant dazu, auch im Hinblick auf den Umfang seines Werks, ist Alexandre Dumas, der jedoch ein weitaus größeres internationales Renommee als May für sich in Anspruch nehmen darf: Sein "Graf von Monte Christo" und "Die drei Musketiere" zählen zu den berühmtesten Romanen der Welt, was man von "Winnetou" nicht behaupten kann. Aber eben auch nicht vom Großteil des Schaffens von Dumas.
Der dreizehnte Roman des 1802 geborenen Schriftstellers erschien 1843, also im Jahr vor seinen beiden Riesenerfolgen, und hieß einfach nur "Georges". Er ist mit exotischem Schauplatz (der Insel Mauritius) und dramatischer Liebesgeschichte ein Musterbeispiel für die von Chateaubriand populär gemachte französische literarische Romantik. Aber zugleich war "Georges" ein Bekenntnisroman: zur Rassengleichheit. Dumas war der Sohn eines in Frankreich zu militärischem Ruhm aufgestiegenen Mannes, der aus der Karibik stammte und dort der Verbindung eines weißen Kolonialherren mit einer Sklavin entsprungen war - Dumas hatte also eine schwarze Großmutter, und sein Familienname war deren Sklavenname. Im vom revolutionären Egalité-Ideal geprägten Kaiserreich geriet ihm das als Kind nicht zum Nachteil, obwohl Napoleon die 1794 abgeschaffte Sklaverei im Geburtsjahr von Dumas wieder zugelassen hatte.
Aber Dumas wusste um den Spott, den sein jung, nämlich schon 1806 mit 44 Jahren gestorbener Vater in feiner Gesellschaft hatte erdulden müssen, und er siedelte "Georges" auf einem Schauplatz an, der noch weniger geeignet war, weißen Dünkel überwunden zu haben: Auf Mauritius, bis 1810 französischer, seitdem britischer Besitz, wurde Zuckerrohr angebaut, vor allem von aus Ostafrika hierher verschleppten Sklaven. Der Titelheld ist der Sohn eines Plantagenbesitzers, der wie Dumas' Vater multiethnischer Herkunft war. 1824 kehrt Georges nach fast anderthalb Jahrzehnten in Europa, wo er sich als Soldat bewährt hat, auf seine Heimatinsel zurück, fest gewillt, sich für die als Kind erfahrene Verachtung an der immer noch präsenten alten französischen Herrschaftsklasse zu rächen: "Ich bin hierher gekommen, um mein Schicksal zu erfüllen. Ich muss bis zu Ende gehen. Ich habe ein Vorurteil zu bekämpfen. Entweder muss das Vorurteil mich zerschmettern, oder ich muss es töten." Die Sklaven der familieneigenen Pflanzung werden freigelassen, ein Aufstand wird angezettelt. Daneben macht der farbige Georges durch Edel- und politischen Mut einem arroganten Herrenmenschen die Braut abspenstig. Mehr als "Black Lives Matter" gilt hier "Black Love Matters".
Kolportage, Revanche, Ranküne - das alles sollte Dumas im "Grafen von Monte Christo", dessen Stoff auch auf eine Erfahrung seines Vaters zurückging, kurz danach dermaßen zur Vollendung bringen, dass "Georges" später vergessen wurde. Dabei gab es im Lauf des neunzehnten Jahrhunderts einige Übersetzungen des Romans, 1890 auch eine deutsche. Sie ist jetzt für die erste Neuausgabe des Buchs seit damals wiederverwendet worden - samt damals gängigen, aber heute heiklen Begriffen wie "Neger". Ein etwas redundantes, aber ausführliches Vorwort des Herausgebers Peter Hillebrand begründet diese Entscheidung, wenn sie auch verschweigt, dass es natürlich einen weiteren guten Grund dafür gibt: Ein Kleinverlag wie der von Hillebrand kann eine Neuübersetzung nur schwer finanzieren. Dafür ist diese Neuausgabe auch spottbillig.
Verdienstvoll ist die Publikation allemal, wenn auch mehr aus kultur- und literaturgeschichtlichen Gründen als aus rein ästhetischen. Aber "Georges" - dessen Titelfigur im Text der Ausgabe von 1890 ebenso konsequent zu "Georg" verdeutscht wurde wie die Namen einiger anderer Akteure, was nun aber wieder korrigiert ist - liest sich mit kaum zweihundert Seiten flott, und manchmal kann es gerade zur Würdigung großer Literatur auch hilfreich sein, sich dessen zu versichern, was auch kleine für Qualitäten zu bieten hat. In diesem Fall Spannung und Emphase. Unserer Sympathie kann ein Buch wie "Georges" sicher sein.
ANDREAS PLATTHAUS
Alexandre Dumas: "Georges". Roman.
Aus dem Französischen von Friedrich Ramhorst. Hrsg., eingeleitet und kommentiert von Peter Hillebrand. Comino Verlag, Berlin 2020. 224 S., br., 9,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Roman "Georges" von Alexandre Dumas
Nicht die heute vergötterten Romane von Stendhal, Balzac, Flaubert, Zola, Hugo oder Sand waren die größten Publikumserfolge der französischen Literatur im neunzehnten Jahrhundert, wie es ja auch in der deutschsprachigen nicht die von Goethe, Jean Paul, Gottfried Keller oder Fontane gewesen sind, sondern die von Karl May. Das französische Pendant dazu, auch im Hinblick auf den Umfang seines Werks, ist Alexandre Dumas, der jedoch ein weitaus größeres internationales Renommee als May für sich in Anspruch nehmen darf: Sein "Graf von Monte Christo" und "Die drei Musketiere" zählen zu den berühmtesten Romanen der Welt, was man von "Winnetou" nicht behaupten kann. Aber eben auch nicht vom Großteil des Schaffens von Dumas.
Der dreizehnte Roman des 1802 geborenen Schriftstellers erschien 1843, also im Jahr vor seinen beiden Riesenerfolgen, und hieß einfach nur "Georges". Er ist mit exotischem Schauplatz (der Insel Mauritius) und dramatischer Liebesgeschichte ein Musterbeispiel für die von Chateaubriand populär gemachte französische literarische Romantik. Aber zugleich war "Georges" ein Bekenntnisroman: zur Rassengleichheit. Dumas war der Sohn eines in Frankreich zu militärischem Ruhm aufgestiegenen Mannes, der aus der Karibik stammte und dort der Verbindung eines weißen Kolonialherren mit einer Sklavin entsprungen war - Dumas hatte also eine schwarze Großmutter, und sein Familienname war deren Sklavenname. Im vom revolutionären Egalité-Ideal geprägten Kaiserreich geriet ihm das als Kind nicht zum Nachteil, obwohl Napoleon die 1794 abgeschaffte Sklaverei im Geburtsjahr von Dumas wieder zugelassen hatte.
Aber Dumas wusste um den Spott, den sein jung, nämlich schon 1806 mit 44 Jahren gestorbener Vater in feiner Gesellschaft hatte erdulden müssen, und er siedelte "Georges" auf einem Schauplatz an, der noch weniger geeignet war, weißen Dünkel überwunden zu haben: Auf Mauritius, bis 1810 französischer, seitdem britischer Besitz, wurde Zuckerrohr angebaut, vor allem von aus Ostafrika hierher verschleppten Sklaven. Der Titelheld ist der Sohn eines Plantagenbesitzers, der wie Dumas' Vater multiethnischer Herkunft war. 1824 kehrt Georges nach fast anderthalb Jahrzehnten in Europa, wo er sich als Soldat bewährt hat, auf seine Heimatinsel zurück, fest gewillt, sich für die als Kind erfahrene Verachtung an der immer noch präsenten alten französischen Herrschaftsklasse zu rächen: "Ich bin hierher gekommen, um mein Schicksal zu erfüllen. Ich muss bis zu Ende gehen. Ich habe ein Vorurteil zu bekämpfen. Entweder muss das Vorurteil mich zerschmettern, oder ich muss es töten." Die Sklaven der familieneigenen Pflanzung werden freigelassen, ein Aufstand wird angezettelt. Daneben macht der farbige Georges durch Edel- und politischen Mut einem arroganten Herrenmenschen die Braut abspenstig. Mehr als "Black Lives Matter" gilt hier "Black Love Matters".
Kolportage, Revanche, Ranküne - das alles sollte Dumas im "Grafen von Monte Christo", dessen Stoff auch auf eine Erfahrung seines Vaters zurückging, kurz danach dermaßen zur Vollendung bringen, dass "Georges" später vergessen wurde. Dabei gab es im Lauf des neunzehnten Jahrhunderts einige Übersetzungen des Romans, 1890 auch eine deutsche. Sie ist jetzt für die erste Neuausgabe des Buchs seit damals wiederverwendet worden - samt damals gängigen, aber heute heiklen Begriffen wie "Neger". Ein etwas redundantes, aber ausführliches Vorwort des Herausgebers Peter Hillebrand begründet diese Entscheidung, wenn sie auch verschweigt, dass es natürlich einen weiteren guten Grund dafür gibt: Ein Kleinverlag wie der von Hillebrand kann eine Neuübersetzung nur schwer finanzieren. Dafür ist diese Neuausgabe auch spottbillig.
Verdienstvoll ist die Publikation allemal, wenn auch mehr aus kultur- und literaturgeschichtlichen Gründen als aus rein ästhetischen. Aber "Georges" - dessen Titelfigur im Text der Ausgabe von 1890 ebenso konsequent zu "Georg" verdeutscht wurde wie die Namen einiger anderer Akteure, was nun aber wieder korrigiert ist - liest sich mit kaum zweihundert Seiten flott, und manchmal kann es gerade zur Würdigung großer Literatur auch hilfreich sein, sich dessen zu versichern, was auch kleine für Qualitäten zu bieten hat. In diesem Fall Spannung und Emphase. Unserer Sympathie kann ein Buch wie "Georges" sicher sein.
ANDREAS PLATTHAUS
Alexandre Dumas: "Georges". Roman.
Aus dem Französischen von Friedrich Ramhorst. Hrsg., eingeleitet und kommentiert von Peter Hillebrand. Comino Verlag, Berlin 2020. 224 S., br., 9,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main