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'Frauen und Männer werden gleich geboren, erst unsere Kultur macht sie ungleich.'Dacia MarainiDie Hoffnung der Frauen auf Liebe ist, so scheint es, durch nichts zu erschüttern. Doch wird sie oft herbe enttäuscht. In Die heimliche Braut, Die Nacht der Eifersucht und sechs weiteren Geschichten erzählt Dacia Maraini von Frauen, die von der Liebe träumen und sich spät - zu spät - gegen Übergriffe wehren. Ihr Umfeld bietet ihnen wenig Hilfe. Die Strukturen begünstigen die alten Muster, und Krisen verschärfen das Problem.Wie jetzt in Europa: Allein 2013 sind in Italien 124 Frauen von ihren Partnern,…mehr

Produktbeschreibung
'Frauen und Männer werden gleich geboren, erst unsere Kultur macht sie ungleich.'Dacia MarainiDie Hoffnung der Frauen auf Liebe ist, so scheint es, durch nichts zu erschüttern. Doch wird sie oft herbe enttäuscht. In Die heimliche Braut, Die Nacht der Eifersucht und sechs weiteren Geschichten erzählt Dacia Maraini von Frauen, die von der Liebe träumen und sich spät - zu spät - gegen Übergriffe wehren. Ihr Umfeld bietet ihnen wenig Hilfe. Die Strukturen begünstigen die alten Muster, und Krisen verschärfen das Problem.Wie jetzt in Europa: Allein 2013 sind in Italien 124 Frauen von ihren Partnern, Ex-Partnern oder Liebhabern ermordet worden. Die Autorin möchte ihre Leserinnen und Leser aufrütteln. Schonungslos und radikal, dabei sachlich und stilistisch brillant, vermittelt sie bewegende Einblicke in eine häusliche Kultur, die zum Himmel schreit. Ein Buch, das lange nachwirkt - und die Sehnsucht weckt, vieles anders zu machen.
Autorenporträt
Dacia Maraini (_1936), heute eine der wichtigsten Stimmen Italiens, begann sehr früh zu schreiben, nachdem ihre Familie aus dem japanischen Exil nach Süditalien zurückkehrte - in eine ihr fremde männerdominierte Kultur.Ihren Erstling La vancanza (Tage im August, erschienen 1963), schrieb Maraini mit 17. Die streitbare Feministin hat neben Romanen und Kurzgeschichten auch Dramen, Gedichte und Essays geschrieben, ein Theater von und für Frauen gegründet und zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter den renommierten Premio Strega. 2011 war sie für den Man Booker International Prize nominiert.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.12.2015

Tödliche Sehnsucht
Die Feministin Dacia Maraini als umsichtige Erzählerin

"Als Ideologie ist der Feminismus tot. Wie alle großen Ideologien", sagte Dacia Maraini unlängst in einem Interview. Für sie findet der Feminismus heute in der Praxis statt, und er ist nötiger denn je: Nicht nur Berlusconi verbreitete in seinen Medien ein verächtliches Frauenbild, sondern immer mehr Männer fühlen sich weltweit durch die Emanzipation der Frauen in ihrer Männlichkeit bedroht und reagieren mit Gewalt. Deshalb hat sich die Situation der Frauen in den letzten Jahrzehnten dramatisch verschlechtert.

Dacia Marainis neue Geschichten beginnen dort, wo der Polizeibericht mit seiner Oberflächenschilderung endet. Ihr Rohmaterial holt sie sich aus der Zeitung, und schon der programmatische Titel "Geraubte Liebe" macht deutlich, um welchen emotionalen Kern die acht Geschichten kreisen. Ganz buchstäblich geht es um Liebesraub mit allen Mitteln: Die oft einsamen und gutgläubigen Frauen sind davon überzeugt, es mit der gefestigten Liebe eines Mannes zu tun zu haben, der "über jeden Verdacht, jede überflüssige Neugier" erhaben ist. Selbst wenn sie merken, dass ihr neuer Geliebter sie zu terrorisieren beginnt, sind sie nicht nur bereit, ihm immer wieder zu verzeihen, sondern verteidigen ihn auch gegenüber Nachbarn, Ärzten und Freunden. Wie Angela, die ihr Leben völlig nach ihrem Peiniger ausrichtet und sich einredet, sie könne den Paranoiden heilen ("Die Nacht der Eifersucht"). Ihr Psychogramm, das in strengen, sehr genau mit Aussparungen arbeitenden Sätzen erzählt wird, ist meisterlich gezeichnet.

Der kühle Berichtston, unter dem sich eine tiefe Anteilnahme der Autorin verbirgt, macht die Schilderung seelischer Abhängigkeit besonders beklemmend: Die verhängnisvollen Entwicklungen sind für Außenstehende unverständlich, und sie enden meist in einer auf Schuldgefühlen beruhenden Komplizenschaft.

Keinem der auf den ersten Blick sensibel wirkenden Täter würde man ein solches Verhalten zutrauen: dem stolzen Vater nicht, der seine Tochter, das langersehnte Wunschkind, zum bewunderten Kindermodel abrichtet, was sie schließlich das Leben kostet; dem anerkannten Pianisten nicht, der seine Stieftöchter mit Morddrohungen einschüchtert und missbraucht; dem charismatischen Rockmusiker nicht, der seine jungeFrau zu Tode prügelt. Seine Kollegen wussten ziemlich genau, was geschah - aber griffen nicht ein.

Es sind exemplarische, hochaktuelle Geschichten, in politisch-aufklärerischer Absicht geschrieben, und ihre Stärke besteht darin, auf leise, aber unnachgiebige Art schwierige Fragen zu stellen. Dabei sind in Marainis Augen nicht allein die Männern schuld: "Ich glaube nicht an den Krieg der Geschlechter, es sind nicht die Männer. Frauen und Männer werden gleich geboren, erst unsere Kultur macht sie ungleich." Davon handelt die im Leser am längsten nachhallende Geschichte: In sechs einander widersprechenden Zeugenaussagen berichtet die "Chronik einer Gruppenvergewaltigung" von einem verhängnisvollen Dorfnachmittag - in ihrer Vielstimmigkeit knüpft sie an Marainis erfolgreichsten Roman "Stimmen" (1995) an. Mehr als die Lügen der Täter verstören die Aussagen des Schuldirektors und die gehässig-machohaften Kommentare der Lokalpresse, und beide, daran lässt die Erzählerin keinen Zweifel, sind in ihrer grausamen Selbstgefälligkeit elementar mitschuldig. Wie Pier Paolo Pasolini, mit dem sie eng befreundet war, hält sie einer Gesellschaft, die sich für anständig hält, den Spiegel vor - es erscheint eine unmenschliche Fratze.

NICOLE HENNEBERG

Dacia Maraini: "Geraubte Liebe". Geschichten.

Aus dem Italienischen von Gudrun Jäger. Edition fünf, Hamburg 2015. 192 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Acht virtuose Geschichten über gepeinigte Frauen hat Rezensentin Nicole Henneberg in dem neuen Erzählband der Feministin Dacia Maraini entdeckt. Mit großer Beklemmung liest die Kritikerin von meist einsamen und gutmütigen Frauen, die von ihrem Geliebten terrorisiert werden, von Vätern missbraucht oder zum Kindermodel abgerichtet werden oder von ihren Männern zu Tode geprügelt werden. Vor allem bewundert die Rezensentin das Talent der Autorin, in ihren politisch-aufklärerischen Geschichten zugleich nüchtern-sachlich und mit einfühlsamer Anteilnahme zu erzählen und ebenso leise wie schwierige Fragen zu stellen, die lange nachhallen.

© Perlentaucher Medien GmbH