Der zehnte Band der »Spielformen des Erzählens« in edler Leinen-Ausstattung: Christoph Ransmayr rühmt und dankt, fragt und kämpft.
»Die Verwandlung von etwas in Worte gehört zu den vielfältigsten und ungeheuerlichsten Verwandlungen, die in unserer Welt möglich sind.« Davon spricht Christoph Ransmayr in seinen Reden und erinnert uns, dass es oftmals gerade das Kindhafte, Gefährdete, Archaische oder traumatisch Verletzte an der Poesie ist, das Unbändige, Wahnsinnige an Prosa und Drama, das uns bewegt, fesselt oder überwältigt. Zu den vornehmsten Möglichkeiten der Literatur zählt Ransmayr dabei die Förderung der Vorstellungskraft durch das Erzählen vom tatsächlichen Leben des Einzelnen, um so gegen Dogma und Klischee, die Voraussetzungen aller Barbarei, zu immunisieren und darin vielleicht sogar eine Ahnung von Glück zu finden.
»Die Verwandlung von etwas in Worte gehört zu den vielfältigsten und ungeheuerlichsten Verwandlungen, die in unserer Welt möglich sind.« Davon spricht Christoph Ransmayr in seinen Reden und erinnert uns, dass es oftmals gerade das Kindhafte, Gefährdete, Archaische oder traumatisch Verletzte an der Poesie ist, das Unbändige, Wahnsinnige an Prosa und Drama, das uns bewegt, fesselt oder überwältigt. Zu den vornehmsten Möglichkeiten der Literatur zählt Ransmayr dabei die Förderung der Vorstellungskraft durch das Erzählen vom tatsächlichen Leben des Einzelnen, um so gegen Dogma und Klischee, die Voraussetzungen aller Barbarei, zu immunisieren und darin vielleicht sogar eine Ahnung von Glück zu finden.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.07.2014Im
Edelweißbett
Hier kann man den Humor
Christoph Ransmayrs entdecken
„Pontifex“, das ist schon ein recht komischer Name für ein Schwein. Es heißt so, weil es, wenn es gefüttert wird, sich an der Kobenwand aufrichtet, die Pfote vorstreckt und den Habitus des segnenden Papstes einnimmt. Das hält man erst für Blasphemie, bis man versteht, dass hier einem Wesen, das sonst nur als namenloses Fleisch in Erscheinung tritt, durch Benennung so etwas wie Kenntlichkeit verschafft werden soll.
Pontifex war der einzige Fall, bei dem der Vorsatz des Autors Christoph Ransmayr und des Fotografen Willy Puchner, den Lebenslauf eines Tiers lückenlos von seiner Geburt bis zu seinem Tod zu dokumentieren, sich hatte realisieren lassen. „Zumindest unserem kleinen Publikum wollten wir wenigstens eine Ahnung davon vermitteln, w e n sie zu Leder verarbeiteten, wen sie dressierten, streichelten, erforschten – oder auffraßen.“
Und so sind die beiden ebenso dabei, als das Jungferkel Pontifex ohne Betäubung kastriert wird, wie als das schlachtreife Schwein sein Ende findet und entzweigehackt wird. Der Bericht enthält sich der Sentimentalität; zwei Stunden später sitzen Autor und Fotograf mit bei Tisch und schmausen Pontifex’ Leber. Aber gesehen und gesagt werden sollte doch, was davor geschah: So deutet Ransmayr seine Aufgabe als Schreibender.
„Pontifex – Zum Kreuzweg eines Schweins“ ist eine von elf Reden Christoph Ransmayrs, Verfassers von „Die letzte Welt“, „Morbus Kitahara“, „Die Schrecken des Eises und der Finsternis“. Etliche davon sind Dankesreden anlässlich einer Preisverleihung – des Bert-Brecht-Preises, des Ernst-Toller-Preises, aber auch des Goldenen Verdienstzeichens der Stadt Wien. Einen großen Teil des letztgenannten Texts widmet Ransmayr den Grübeleien darüber, ob er die Ehrung überhaupt annehmen solle, war doch Wien eine besonders fanatische Hochburg des Faschismus; und er kommt zu dem Resultat, er betrachte „das Gold meiner Ehrung als die Farbe gegenseitiger Zuneigung“: ein leicht ironischer, aber auch versöhnlicher Schluss.
Aus Anlass des 60. Geburtstags, den Ransmayr im März feierte, hat der Verlag noch eine zweite Ehrengabe vorbereitet. Sie heißt „Bericht am Feuer“, nimmt also die archetypische Erzählsituation auf, die Ransmayr sich gern vorstellt, und im Untertitel „Gespräche, E-Mails und Telefonate zum Werk von Christoph Ransmayr“; zwei Essays über ihn und eine Bibliografie zu Werk und Rezeption sind auch dabei. Das geht alles ein bisschen durcheinander, hat aber den Vorzug, nicht allzu steifleinen aufzutreten und dem Leser durch verschiedene Tempi die Aufnahme leicht und angenehm werden zu lassen. Ransmayr selbst äußert sich hier entspannter, als er es in seinen Romanen tut, beispielsweise zur Frage der Dauer des Werks. „Die Hoffnung auf das Bleiben ist kindlich, ja kindisch. Gerade im Zusammenhang mit der Kunst wird ja immer diese blödsinnige Frage gestellt: Und was wird bleiben? Natürlich wird nichts bleiben.“
Seitlich in fetter Schrift ragen Zitate aus Ransmayrs Büchern herein, die in solcher Vereinzelung mit ihrem hohen Ton allerdings nicht recht zur Wirkung kommen. Besser machen sich die kleinen SchwarzWeiß-Fotos, die der Autor von seinen Reisen mitgebracht hat. Da sieht man etwa zwei Käfer die auf einer Blüte kopulieren, und darunter steht: „Im Edelweißbett“. Das ist hübsch; es betont einen Zug, der in Ransmayrs Werk sonst nicht so ins Auge fällt, seinen Humor.
BURKHARD MÜLLER
Christoph Ransmayr: Gerede. Elf Ansprachen. S. Fischer, Frankfurt/Main 2014. 98 Seiten, 12 Euro.
Insa Wilke (Hrsg.): Bericht am Feuer. Gespräche, E-Mails und Telefonate zum Werk von Christoph Ransmayr. S. Fischer, Frankfurt/Main 2014. 320 Seiten, 18,99 Euro.
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Edelweißbett
Hier kann man den Humor
Christoph Ransmayrs entdecken
„Pontifex“, das ist schon ein recht komischer Name für ein Schwein. Es heißt so, weil es, wenn es gefüttert wird, sich an der Kobenwand aufrichtet, die Pfote vorstreckt und den Habitus des segnenden Papstes einnimmt. Das hält man erst für Blasphemie, bis man versteht, dass hier einem Wesen, das sonst nur als namenloses Fleisch in Erscheinung tritt, durch Benennung so etwas wie Kenntlichkeit verschafft werden soll.
Pontifex war der einzige Fall, bei dem der Vorsatz des Autors Christoph Ransmayr und des Fotografen Willy Puchner, den Lebenslauf eines Tiers lückenlos von seiner Geburt bis zu seinem Tod zu dokumentieren, sich hatte realisieren lassen. „Zumindest unserem kleinen Publikum wollten wir wenigstens eine Ahnung davon vermitteln, w e n sie zu Leder verarbeiteten, wen sie dressierten, streichelten, erforschten – oder auffraßen.“
Und so sind die beiden ebenso dabei, als das Jungferkel Pontifex ohne Betäubung kastriert wird, wie als das schlachtreife Schwein sein Ende findet und entzweigehackt wird. Der Bericht enthält sich der Sentimentalität; zwei Stunden später sitzen Autor und Fotograf mit bei Tisch und schmausen Pontifex’ Leber. Aber gesehen und gesagt werden sollte doch, was davor geschah: So deutet Ransmayr seine Aufgabe als Schreibender.
„Pontifex – Zum Kreuzweg eines Schweins“ ist eine von elf Reden Christoph Ransmayrs, Verfassers von „Die letzte Welt“, „Morbus Kitahara“, „Die Schrecken des Eises und der Finsternis“. Etliche davon sind Dankesreden anlässlich einer Preisverleihung – des Bert-Brecht-Preises, des Ernst-Toller-Preises, aber auch des Goldenen Verdienstzeichens der Stadt Wien. Einen großen Teil des letztgenannten Texts widmet Ransmayr den Grübeleien darüber, ob er die Ehrung überhaupt annehmen solle, war doch Wien eine besonders fanatische Hochburg des Faschismus; und er kommt zu dem Resultat, er betrachte „das Gold meiner Ehrung als die Farbe gegenseitiger Zuneigung“: ein leicht ironischer, aber auch versöhnlicher Schluss.
Aus Anlass des 60. Geburtstags, den Ransmayr im März feierte, hat der Verlag noch eine zweite Ehrengabe vorbereitet. Sie heißt „Bericht am Feuer“, nimmt also die archetypische Erzählsituation auf, die Ransmayr sich gern vorstellt, und im Untertitel „Gespräche, E-Mails und Telefonate zum Werk von Christoph Ransmayr“; zwei Essays über ihn und eine Bibliografie zu Werk und Rezeption sind auch dabei. Das geht alles ein bisschen durcheinander, hat aber den Vorzug, nicht allzu steifleinen aufzutreten und dem Leser durch verschiedene Tempi die Aufnahme leicht und angenehm werden zu lassen. Ransmayr selbst äußert sich hier entspannter, als er es in seinen Romanen tut, beispielsweise zur Frage der Dauer des Werks. „Die Hoffnung auf das Bleiben ist kindlich, ja kindisch. Gerade im Zusammenhang mit der Kunst wird ja immer diese blödsinnige Frage gestellt: Und was wird bleiben? Natürlich wird nichts bleiben.“
Seitlich in fetter Schrift ragen Zitate aus Ransmayrs Büchern herein, die in solcher Vereinzelung mit ihrem hohen Ton allerdings nicht recht zur Wirkung kommen. Besser machen sich die kleinen SchwarzWeiß-Fotos, die der Autor von seinen Reisen mitgebracht hat. Da sieht man etwa zwei Käfer die auf einer Blüte kopulieren, und darunter steht: „Im Edelweißbett“. Das ist hübsch; es betont einen Zug, der in Ransmayrs Werk sonst nicht so ins Auge fällt, seinen Humor.
BURKHARD MÜLLER
Christoph Ransmayr: Gerede. Elf Ansprachen. S. Fischer, Frankfurt/Main 2014. 98 Seiten, 12 Euro.
Insa Wilke (Hrsg.): Bericht am Feuer. Gespräche, E-Mails und Telefonate zum Werk von Christoph Ransmayr. S. Fischer, Frankfurt/Main 2014. 320 Seiten, 18,99 Euro.
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kann man (...) gar nicht genug rühmen (...) kompakte, dichte, funkelnde Prosa-Miniaturen, die alle Vorzüge der Ransmayrschen Erzählkunst gleichsam in nuce enthalten. Günter Kaindlstorfer ORF, Ö1 20140406