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Gerhard Richter, geboren 1932, gilt heute weltweit als einer der einflussreichsten internationalen Künstler. In den vergangenen vierzig Jahren ist ein Werk entstanden, das seine herausragende aktuelle Position aus dem Dialog der Malerei mit dem mechanischen Reproduktionsmedium der Fotografie gewonnen hat. Die für sein 'uvre charakteristische thematische Vielfalt und der stilistische Bruch erwiesen sich dabei nicht als Widerspruch, sondern lediglich als Wechsel des Blickpunktes bei dem Versuch, so Richter, sich ein Bild von dieser Welt zu machen.
Während zahlreiche Kritiker die Malerei von
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Produktbeschreibung
Gerhard Richter, geboren 1932, gilt heute weltweit als einer der einflussreichsten internationalen Künstler. In den vergangenen vierzig Jahren ist ein Werk entstanden, das seine herausragende aktuelle Position aus dem Dialog der Malerei mit dem mechanischen Reproduktionsmedium der Fotografie gewonnen hat. Die für sein 'uvre charakteristische thematische Vielfalt und der stilistische Bruch erwiesen sich dabei nicht als Widerspruch, sondern lediglich als Wechsel des Blickpunktes bei dem Versuch, so Richter, sich ein Bild von dieser Welt zu machen.

Während zahlreiche Kritiker die Malerei von Gerhard Richter als ein 'Werk ohne Autor' charakterisiert haben, worin der Künstler sie durch sein beharrliches Leugnen jeglicher privater Einflüsse auf seine Arbeit bestärkt hat, gelingt Dietmar Elger durch den Rückbezug auf die Biografie Gerhard Richters eine neue Sicht auf das Werk: mit überraschenden Interpretationen für viele bekannte Bilder.

Für seine Darstellung hat der Autor nicht nur das publizierte Material zu Gerhard Richter ausgewertet, er erhielt auch uneingeschränkten Zugang zum Archiv und dem gesamten Schriftverkehr im Atelier des Künstlers. Vor allem aber sind in das Buch die Ergebnisse ausführlicher Gespräche mit dem Künstler sowie mehreren Zeitzeugen eingegangen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.10.2002

Wenn der Herr Künstler sagt, daß es etwas Besonderes ist
Einsam ist der Maler, doch so verschwiegen, wie Gerhard Richter sich gibt, darf ihn sein Biograph nicht nehmen: Dietmar Elger versucht den Motiven des Werks zu folgen / Von Thomas Wagner

Ich will keine Persönlichkeit sein, keine Ideologie haben. Ich will so sein, wie alle sind. Das denken, was alle denken, das tun, was ohnehin getan wird. Ich sehe keinen Sinn darin, etwas anderes zu tun. Ich sehe nie einen Sinn. Ich denke, daß man sowieso immer das tut, was ohnehin getan wird (auch wenn man etwas Neues macht), und daß man immer etwas Neues tut. Ideologie haben heißt Gesetze und Richtlinien haben, heißt, die umbringen, die andere Gesetze haben. Wozu soll das gut sein?"

Förster wollte Gerhard Richter, der diese Zeilen 1964/65 notiert, zunächst werden. Bekanntlich kam es ganz anders: Der 1932 in Dresden Geborene, der von 1943 an im kleinstädtischen Reichenau, dann im noch kleineren Waltersdorf aufwuchs, beginnt nach dem Abschluß der Handelsschule als Schriftenmaler in Zittau, arbeitet dann als Bühnenmaler, fängt 1951/52 in Dresden an, Kunst zu studieren, betätigt sich nach dem Abschluß als Wandmaler, flüchtet 1961 in den Westen, studiert ein weiteres Mal, jetzt an der Düsseldorfer Akademie, infiziert sich mit Pop-art und bewundert das Antibürgerliche an Fluxus, inszeniert gemeinsam mit Konrad Lueg einen "Kapitalistischen Realismus" im Möbelhaus, malt verwischte Bilder nach fotografischen Vorlagen, Farbmustertafeln, Landschaften, monochrome graue Gemälde sowie großformatige abstrakte Bilder und avanciert schließlich zu einem der bedeutendsten Maler der Gegenwart, dem das Museum of Modern Art in New York 2002 eine große Retrospektive widmet, aus deren Anlaß ihn das "New York Times Magazine" als "Europe's most challenging modern painter" bezeichnet.

Selbst ein Künstlerleben, läßt man es auf wenige Stationen zusammenschnurren, erscheint allzu geradlinig, wenn all die Abgründe des Suchens und Zweifelns im Dunkel bleiben, das zwischen den Umsteigestationen herrscht, die sich im nachhinein ohne Schwierigkeiten auflisten lassen.

So auch bei Gerhard Richter, der immer wieder damit kokettierte, ein Maler ohne Eigenschaften zu sein, der sich als Person hinter einer indifferenten, unpolitischen Haltung verschanzt hat, um ungreifbar zu erscheinen, und der stets bemüht war, Persönliches und Privates von seinem Werk und dessen Deutung fernzuhalten. Um so gespannter durfte man auf Dietmar Elgers Buch "Gerhard Richter, Maler" sein, das sich "Biographie und Werk" widmet, ja sogar als "erste authentische Biographie" Richters angekündigt wird. Elger, der heute Kustos für Malerei und Skulptur am Sprengel Museum in Hannover ist, war von 1984 bis 1985 als Sekretär im Atelier Richters tätig. Er hatte also Zugang zum Archiv des Künstlers, und sein biographisches Projekt besitzt den Segen Richters.

Wie aber läßt sich - zumal zu dessen Lebzeiten - die Biographie eines Künstlers schreiben, dessen Werk wie kein zweites eine Rhetorik der Malerei vorzuführen scheint, ohne das jeweilige Ergebnis, das einzelne Bild, in einer leeren Pose erstarren zu lassen? Unbekümmert, ob und wie eine Biographie unter solchen Bedingungen überhaupt möglich sei, welchen Stellenwert das Persönliche, mit all seinen fiktiven Anteilen, daran habe und wie sehr sich die Vita eines Künstlers an dessen eigene Perspektive ketten darf, geht Elger zu Werk.

Gespannt wird der Bogen von den Kinder- und Jugendjahren in der DDR bis zum jüngsten Triumph in New York. Zur Sprache kommen Richters andauernde Selbstzweifel und seine Ambivalenz, seine Erfahrungen mit Künstlerfreunden wie Polke, Lueg und Palermo, mit Galeristen wie Alfred Schmela, Heiner Friedrich und Fred Jahr. Nachgezeichnet wird die Preisentwicklung seiner Werke, und diskutiert werden einzelne Werke und ganze Werkgruppen.

Doch immer dann, wenn es brisant wird, entledigt sich Elger des Problems auf bürokratische Weise, indem er bekannte Fakten positivistisch aneinanderreiht und sich weitgehend der Perspektive Richters unterwirft. Einwände und alternative Lesarten werden zwar zitiert, aber keine Schlüsse daraus gezogen. So klafft zwischen der Sicht des Produzenten und jener der Rezeption stets eine Lücke, und der Biograph gewinnt in keinem Moment eine Position, von der aus sich überzeugend deuten und kommentieren ließe. Was sich über mehr als vierhundert Seiten vorwärts wälzt, ist eine Untersuchung nach Aktenlage, keine Auseinandersetzung mit den Widersprüchen und Brüchen, mit den Zweifeln, Wendungen und Sprüngen im Werk und den Konstanten im Leben - oder umgekehrt. So ist, was Elger errichtet, ein Mausoleum zu Lebzeiten, in dem Leben und Werk friedlich nebeneinander Ruhe finden.

Elgers Buch ist durchaus informativ, bleibt aber leider ohne Inspiration. Für eine Analyse mangelt es dem Autor an Mut und Methode, philosophischem und kunsttheoretischem Rüstzeug, für eine Biographie am vielstimmigen Orchester aus Freunden und Verwandten. Auch wenn der Röntgenblick einer Biographie zu Lebzeiten an den Bleiplatten des Privaten seine Grenze finden muß, so wird man bei der Lektüre den Eindruck doch nicht los, Elger habe zwar fleißig kompiliert, im Umfeld Richters aber viel zuwenig recherchiert. Selbst Intimes wie Trennung und Ehescheidung wird im Buch ebenso kurz und knapp verzeichnet wie eine weitere Ausstellungsstation.

Registriert man mit Gewinn, daß sich hinter "Onkel Rudi", dem Bruder der Mutter, nicht nur "ein musischer, eleganter, mutiger und schöner Mann", sondern auch ein Antipode des Vaters verbirgt, der in der Familie als "amusische Pfeife" gilt, so vermißt man zugleich Angaben darüber, wann und wo das Foto, das Richter für sein Gemälde verwendete, aufgenommen wurde, zu welcher Einheit Rudolf Schönfelder gehörte - und so weiter und so weiter. Trotz des einen oder anderen erhellenden Details: Mehr als eine Werkübersicht, garniert mit biographischen Häppchen, einem Marktbericht und einer Ausstellungschronologie, ist das Ganze am Ende nicht geworden. Und Richter darf bleiben, was er immer gerne war: das Chamäleon im Dunkel, ein Künstler, der hinter seinem Werk verschwindet. Doch trotz aller Camouflage: So viel Buchhaltung hat er nicht verdient.

Konventionell erscheint auch, worauf Elgers Rückgriff aufs Biographische letzten Endes abzielt: auf die Rekonstruktion der Motivation Richters bei der Auswahl bestimmter Motive seiner Kunst. Da aber nur Richter selbst entscheiden kann, was rückblickend als Motivation anerkannt wird und was nicht, verengt sich die Perspektive abermals auf die des Produzenten, zumal sich die Rückeroberung entlang einer traditionellen Ikonographie vollzieht. In Elgers Perspektive, die penetrant die jeweilige Gestimmtheit des Künstlers zum wichtigsten Maßstab seiner Kunst erhebt, der bislang zu Unrecht übersehen worden sei, dominiert - trotz aller medialen Raffinesse - am Ende doch wieder der Selbstausdruck.

Somit aber wäre Richters Werk, besonders die Werkgruppe der abstrakten Bilder, nichts weiter als ein getarntes Informell. Das nimmt Richters Gesamtwerk nicht nur all seine Schärfe, es läßt so manches Bild plötzlich auch geschwätzig erscheinen. So weit wird die Eingemeindung der reichen Kunst ins arme Leben, des Sperrigen ins Konventionelle hier getrieben, daß zuletzt nichts unerklärbar bleiben, kein Bild selbstreflexiv, politisch, kritisch oder einfach nur schwer zu begreifende Kunst sein darf. Würde solcherart alles, was Kunst ist, ins Persönliche und Private zurückbeordert, so triumphierte der Durchschnitt. Er ist ein Kleinbürger, aber einer mit Weltgeltung.

Dietmar Elger: "Gerhard Richter, Maler". Biographie und Werk. DuMont Buchverlag, Köln 2002. 420 S., 160 Farb- u. S/W-Abb., geb., 48,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Recht hart geht Rezensent Holger Liebs mit Dietmar Elgers "Gerhard Richter, Maler" ins Gericht. Zwar quillt das Werk des ehemaligen Assistenten Richters laut Liebs schier über vor Fakten und Zahlen. Letztlich, so Liebs höhnisch, sei es aber doch nur den Ausführungen, Hinweisen und Archivbeiträgen des Meisters "hinterherbuchstabiert". "Das ist Hagiografie", lautet der Hauptkritikpunkt des Kritikers: Um eines roten Faden willen betreibe Egler Geschichtretusche, "um bloß keine Widersprüche offen legen zu müssen". Kunstgeschichtlich offensichtlich etwas sattelfester hält Liebs dagegen, dass Richters Kunst nicht einförmig gemacht werden wolle, da sie von sich aus widersprüchlich sei: "gleichzeitig seriell und von einzigartiger Monumentalität, abstrakt und doch immer auf andere Bilder verweisend, makellos und doch verzerrt, bisweilen intim-kontemplativ, aber auch neutral bis ins Mark." Einsichten, die dem Autor anscheinend verwehrt blieben.

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