Gerhard Richter, einer der vielseitigsten und bedeutendsten Maler der Gegenwart, folgte in seinem umfangreichen Oeuvre keinem kontinuierlichen Stil, sondern strebte Brüche und stilistische Vielfalt an. Das Buch richtet das Augenmerk auf seine zwischen 1970 und 1980 entstandenen abstrakten Bilder. Drei Hauptwerke dieser Phase, Rot, Gelb und Blau, die von der BMW group München erworben wurden, stehen im Mittelpunkt der hochwertigen, von Experten verfassten Edition.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.11.2007Vom Malen zum Mars: Gerhard Richters Bilder für BMW
Manchmal entstehen die besten Kunstwerke unter seltsamen Umständen - dann zum Beispiel, wenn die Künstler Hintergrunddekorationen für Restaurants oder Großformate für die Lobbys von Autoherstellern malen. Mark Rothko, der 1959 das New Yorker "Four Seasons Restaurant" mit großformatigen Gemälden ausschmücken sollte, kamen zuletzt aber doch Zweifel, ob es seiner Kunst bekomme, wenn sie als stimmungvolle Kulisse in einem Luxusrestaurant landet; er gab Auftrag und Geld zurück, die Bilder kamen ins Museum. Anders ging es in München: Dort erhielt Gerhard Richter, heute einer der wichtigsten (und, wie sein gerade für 10 Millionen Dollar versteigerter "Düsenjäger" zeigt, auch teuersten) Maler der Gegenwart, den Auftrag, je zum Preis eines gutmotorisierten BMW drei Gemälde für die Lobby des neuen BMW-Hochhauses zu liefern. 1973 wurden die Werke "Rot", "Blau" und "Gelb" dort aufgehängt. Seitdem sind die Bilder noch nie ausgeliehen worden, und obwohl ihre Existenz kein Geheimnis ist, gab es bisher keine Publikation zu ihnen. Es war Thomas Girst von der BMW-Kulturkommunikation, der erkannte, welch unaufgearbeiteter Schatz da hängt; zusammen mit Helmut Friedel schob er eine opulente, erhellende Publikation zu den Bildern an, die zu den wichtigsten Reflexionen über Malerei jener Zeit gehören. Die Bilder zeigen Pinselspuren, die Richter auf das Format von Historiengemälden vergrößerte. Ähnliches tat Roy Lichtenstein, dessen im Siebdruck-Comicstil gerasterte Pinselspuren ein ironischer Gruß des Pop an das gestische Pathos der Abstrakten Expressionisten war. Doch anders als Lichtenstein bemüht sich Richter bei der herausgezoomten Vergrößerung der Pinselspur um malerischen Furor: Das Bild der großen Geste besteht aus kleinen, watteweichen malerischen Gesten, die Bilder verbinden in einer Form Analyse und Performance, Repräsentation und Präsenz von Malerei. Richter will "das Malen" malen. Die Zoomtechnik reißt dabei die abstrakte Geste ins Figurative: Man denkt vor diesen Bildern, deren Farben - anders als bei Lichtenstein oder Barnett Newman - verschmutzt und ölig, verdorbener Pop sind, an die nebeligen Aufnahmen ferner Planeten, die Anfang der siebziger Jahre Weltraum- und Zukunftsträume beflügelten. So gesehen, sind die Bilder vielleicht nicht nur im Format Historienbilder ihrer Zeit.
NIKLAS MAAK
Helmut Friedel: "Gerhard Richter". Rot - Gelb - Blau. Prestel Verlag, München 2007. 128 S., Abb., geb., 39,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Manchmal entstehen die besten Kunstwerke unter seltsamen Umständen - dann zum Beispiel, wenn die Künstler Hintergrunddekorationen für Restaurants oder Großformate für die Lobbys von Autoherstellern malen. Mark Rothko, der 1959 das New Yorker "Four Seasons Restaurant" mit großformatigen Gemälden ausschmücken sollte, kamen zuletzt aber doch Zweifel, ob es seiner Kunst bekomme, wenn sie als stimmungvolle Kulisse in einem Luxusrestaurant landet; er gab Auftrag und Geld zurück, die Bilder kamen ins Museum. Anders ging es in München: Dort erhielt Gerhard Richter, heute einer der wichtigsten (und, wie sein gerade für 10 Millionen Dollar versteigerter "Düsenjäger" zeigt, auch teuersten) Maler der Gegenwart, den Auftrag, je zum Preis eines gutmotorisierten BMW drei Gemälde für die Lobby des neuen BMW-Hochhauses zu liefern. 1973 wurden die Werke "Rot", "Blau" und "Gelb" dort aufgehängt. Seitdem sind die Bilder noch nie ausgeliehen worden, und obwohl ihre Existenz kein Geheimnis ist, gab es bisher keine Publikation zu ihnen. Es war Thomas Girst von der BMW-Kulturkommunikation, der erkannte, welch unaufgearbeiteter Schatz da hängt; zusammen mit Helmut Friedel schob er eine opulente, erhellende Publikation zu den Bildern an, die zu den wichtigsten Reflexionen über Malerei jener Zeit gehören. Die Bilder zeigen Pinselspuren, die Richter auf das Format von Historiengemälden vergrößerte. Ähnliches tat Roy Lichtenstein, dessen im Siebdruck-Comicstil gerasterte Pinselspuren ein ironischer Gruß des Pop an das gestische Pathos der Abstrakten Expressionisten war. Doch anders als Lichtenstein bemüht sich Richter bei der herausgezoomten Vergrößerung der Pinselspur um malerischen Furor: Das Bild der großen Geste besteht aus kleinen, watteweichen malerischen Gesten, die Bilder verbinden in einer Form Analyse und Performance, Repräsentation und Präsenz von Malerei. Richter will "das Malen" malen. Die Zoomtechnik reißt dabei die abstrakte Geste ins Figurative: Man denkt vor diesen Bildern, deren Farben - anders als bei Lichtenstein oder Barnett Newman - verschmutzt und ölig, verdorbener Pop sind, an die nebeligen Aufnahmen ferner Planeten, die Anfang der siebziger Jahre Weltraum- und Zukunftsträume beflügelten. So gesehen, sind die Bilder vielleicht nicht nur im Format Historienbilder ihrer Zeit.
NIKLAS MAAK
Helmut Friedel: "Gerhard Richter". Rot - Gelb - Blau. Prestel Verlag, München 2007. 128 S., Abb., geb., 39,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Holger Liebs ist dem Herausgeber Helmut Friedl dankbar für die "kluge" Kontextualisierung von Gerhard Richters Werken "Rot" "Gelb" und "Blau". Wichtig und überfällig erscheint ihm die mit den im Band enthaltenen Essays vorgenommene kunsthistorische Einordnung der Arbeiten als "Schlüsselwerke" in Richters Oeuvre. Für Liebs holt der Maler mit ihnen zur "Reflexion über Malmethoden" aus und erforscht die "reine Dynamik der Farbe". Dass und wie er sich damit in die Traditionslinie der Palettenbildnisse einreiht, verbucht Liebs als Erkenntnis dieser Lektüre.
© Perlentaucher Medien GmbH
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