Würde man den Verlauf der ersten vier Jahre Gerhard Schröders im Amt des Kanzlers der Bundesrepublik Deutschland als Kurve zeichnen, sie würde erhebliche Ausschläge zeigen - nach oben wie nach unten. Dem glanzvollen Einzug ins Bonner Kanzleramt folgte ein negatives erstes Regierungsjahr. "Wir haben damals in den Abgrund geblickt", gibt Schröder mittlerweile zu. Heute, gut zwei Jahre später, feiert ihn die konservative "Welt" als den "unbestrittenen Beherrscher der deutschen Politik", der sich "anschickt, noch während seiner ersten Amtszeit zum maßgeblichen Regierungschef des Kontinents aufzusteigen". Das Formhoch muss aber nicht zwangsläufig anhalten. In den zurückliegenden Jahren hat die Regierung Schröder mehrfach ihre Fähigkeit zum unvorhergesehenen Fiasko unter Beweis gestellt.
Haben die erstaunlichen Schwankungen damit zu tun, dass Schröder auf politisch unsicherem Grund agiert? Fehlen ihm die notwendigen politischen und persönlichen Fundamente, um die Deutschland AG durch schwierige Zeiten zu bugsieren? Oder sind die Zeiten so, dass sie nur von einem pragmatischen, ideologisch nicht festgelegten Mann gestaltet werden können, der dann und wann zwangsläufig einmal irren muss?
Schröder selbst hatte bei Amtsantritt nur vage Vorstellungen davon, wie die Politik der "neuen Mitte" aussehen sollte: den Reformstau auflösen, Deutschland "flott" kriegen, die Arbeitslosigkeit reduzieren. Aber einen Bauplan für sein Projekt hatte er nicht. Über die richtigen Wege, die zu diesen Zielen führen, war - und ist er sich auch heute - noch immer nicht im Klaren. Dennoch: Im Amt hat sich Gerhard Schröder als "lernfähiges System" erwiesen. Er regiert mit einem ganz eigenen, neuen, verblüffenden Politikstil, mit dem er nebenbei auch noch die Opposition weitgehend lahm legt: Er bindet politische Gegner in wichtige Entscheidungen ein. Er öffnet die Regierungshoheit für gesellschaftliche Gruppen und Einzelpersönlichkeiten. Er umgeht das Parlament durch Einrichtung von Sonderkommissionen und außerparlamentarischen Gremien: Schröders Berliner Räte-Republik, die er mehr zu moderieren als zu regieren scheint.
Die Kanzlerschaft hat Schröder - als Politiker und als Mensch - mehr verändert als jeder andere Lebensabschnitt zuvor. In der gegenwärtigen weltpolitischen Krise wird ein neuer Gerhard Schröder sichtbar. Er wirkt ernsthafter, seriöser, staatsmännischer denn je.
Haben die erstaunlichen Schwankungen damit zu tun, dass Schröder auf politisch unsicherem Grund agiert? Fehlen ihm die notwendigen politischen und persönlichen Fundamente, um die Deutschland AG durch schwierige Zeiten zu bugsieren? Oder sind die Zeiten so, dass sie nur von einem pragmatischen, ideologisch nicht festgelegten Mann gestaltet werden können, der dann und wann zwangsläufig einmal irren muss?
Schröder selbst hatte bei Amtsantritt nur vage Vorstellungen davon, wie die Politik der "neuen Mitte" aussehen sollte: den Reformstau auflösen, Deutschland "flott" kriegen, die Arbeitslosigkeit reduzieren. Aber einen Bauplan für sein Projekt hatte er nicht. Über die richtigen Wege, die zu diesen Zielen führen, war - und ist er sich auch heute - noch immer nicht im Klaren. Dennoch: Im Amt hat sich Gerhard Schröder als "lernfähiges System" erwiesen. Er regiert mit einem ganz eigenen, neuen, verblüffenden Politikstil, mit dem er nebenbei auch noch die Opposition weitgehend lahm legt: Er bindet politische Gegner in wichtige Entscheidungen ein. Er öffnet die Regierungshoheit für gesellschaftliche Gruppen und Einzelpersönlichkeiten. Er umgeht das Parlament durch Einrichtung von Sonderkommissionen und außerparlamentarischen Gremien: Schröders Berliner Räte-Republik, die er mehr zu moderieren als zu regieren scheint.
Die Kanzlerschaft hat Schröder - als Politiker und als Mensch - mehr verändert als jeder andere Lebensabschnitt zuvor. In der gegenwärtigen weltpolitischen Krise wird ein neuer Gerhard Schröder sichtbar. Er wirkt ernsthafter, seriöser, staatsmännischer denn je.
Das "System Schröder"
1998 hatte er es geschafft: Nach 16 Jahren der "Regentschaft" Helmut Kohls wurde mit Gerhard Schröder wieder ein SPD-Politiker Kanzler. Nun ist er selbst fast vier Jahre im Amt und muss sich im Herbst den Wählern stellen. Zeit, Bilanz zu ziehen. Nichts anderes tut Jürgen Hogrefe in seiner ausgezeichneten Schröder-Biografie. Er schildert den Kanzler als einen pragmatischen Politiker, der sich den Umständen insofern anpasst, als er - ohne Ideologie - situativ zu handeln imstande ist.
Turbulente Anfänge
Der Anfang seiner Regierungszeit war zunächst glanzvoll, dann turbulent. Mit Oskar Lafontaine trat ausgerechnet der Politiker zurück, der im Wahlkampf an seiner Seite stand und die Genossen und Wähler vertrat, die sich weiter links einordnen lassen. Damit war die Richtung vorgegeben. Schröder zeigte sich eher als Enkel Helmut Schmidts denn Willy Brandts. Sein Pragmatismus brachte ihm oft den Vorwurf ein, Kanzler der Mächtigen, Lobbyist der Automobilindustrie und aalglatter Medien- und Machtpolitiker zu sein. Hogrefe hingegen zeigt Schröder als "lernfähiges System". Sein großer Pluspunkt: Er bezieht auch Gegner in wichtige Entscheidungen mit ein und macht die Opposition so oft handlungsunfähig. Hogrefes kenntnis- und detailreiches Buch verschafft dem Leser ungewohnte Einblicke in das "System Schröder" und erlaubt es jedem, seine persönliche Wahlentscheidung gut vorzubereiten. (Henrik Flor, literaturtest.de)
1998 hatte er es geschafft: Nach 16 Jahren der "Regentschaft" Helmut Kohls wurde mit Gerhard Schröder wieder ein SPD-Politiker Kanzler. Nun ist er selbst fast vier Jahre im Amt und muss sich im Herbst den Wählern stellen. Zeit, Bilanz zu ziehen. Nichts anderes tut Jürgen Hogrefe in seiner ausgezeichneten Schröder-Biografie. Er schildert den Kanzler als einen pragmatischen Politiker, der sich den Umständen insofern anpasst, als er - ohne Ideologie - situativ zu handeln imstande ist.
Turbulente Anfänge
Der Anfang seiner Regierungszeit war zunächst glanzvoll, dann turbulent. Mit Oskar Lafontaine trat ausgerechnet der Politiker zurück, der im Wahlkampf an seiner Seite stand und die Genossen und Wähler vertrat, die sich weiter links einordnen lassen. Damit war die Richtung vorgegeben. Schröder zeigte sich eher als Enkel Helmut Schmidts denn Willy Brandts. Sein Pragmatismus brachte ihm oft den Vorwurf ein, Kanzler der Mächtigen, Lobbyist der Automobilindustrie und aalglatter Medien- und Machtpolitiker zu sein. Hogrefe hingegen zeigt Schröder als "lernfähiges System". Sein großer Pluspunkt: Er bezieht auch Gegner in wichtige Entscheidungen mit ein und macht die Opposition so oft handlungsunfähig. Hogrefes kenntnis- und detailreiches Buch verschafft dem Leser ungewohnte Einblicke in das "System Schröder" und erlaubt es jedem, seine persönliche Wahlentscheidung gut vorzubereiten. (Henrik Flor, literaturtest.de)
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Jens König bespricht zwei Biografien des Bundeskanzlers, die zweierlei Dinge gemeinsam haben: sie sind unkritisch und distanzlos, und ihre Verfasser zählen sich zum Freundeskreis des Politikers. (Neben Jürgen Hogrefes: "Gerhard Schröder - Ein Porträt" muss auch Reinhard Urschels "Gerhard Schröder - Eine Biografie" dran glauben.) Hogrefe gehört zum Berliner "Spiegel"-Büro, vermeldet König und merkt verärgert an, dass der Verfasser gleich im zweiten Satz darauf hinweise, wie lange er den Politiker Schröder kennt. Ziemlich lange, ziemlich peinlich, findet König. Aber bei weitem nicht die einzige Peinlichkeit des Buches, das für ihn ein "grandioses Beispiel für gefühligen People-Journalismus" abliefert. Lobhudelnd und langweilig. Vielleicht verführe ja auch Schröders hemdsärmeliger Umgang mit den Pressevertretern dazu, rätselt der Rezensent, sich einzubilden, den Politiker und Menschen Schröder gut zu kennen. Immerhin habe Hogrefe diesbezüglich eine These, so König: Schröder stellt für ihn einen Politiker dar, der sich zu inszenieren weiß, zugleich aber auch das, was er inszeniert, verkörpert. Politik und Person und Privatleben Schröders seien nicht mehr auseinanderzuhalten, und dafür liefert der Autor geradezu ein exemplarisches Beispiel ab: sein Kanzlerporträt müsse ohne jede Distanz und ohne jede Ironie auskommen. Hogrefe weiß viel, schließt König, aber er kann mit seinem Wissen nichts anfangen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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