'Lebendiges Judentum', schreibt Walter Benjamin 1930 an Gershom Scholem, 'habe ich in durchaus keiner anderen Gestalt kennengelernt als in dir.' Scholem, Historiker der Kabbala, früher Zionist, scharfer Kritiker der jüdischen Assimilation, Freund und Herausgeber Benjamins ist eine schillernde Gestalt und Autor faszinierender Texte. Die in den letzten Jahren veröffentlichten Jugendtagebücher und -briefe geben Einsicht in die Entwicklung des jungen Scholem und die Werkstatt seines Schreibens. Nach heftigen persönlichen Krisen und vehementen Auseinandersetzungen mit seinen Mitzionisten lernt Scholem, 'im Namen' des Judentums zu sprechen. Er eignet sich die jüdische Überlieferung an und entwirft eine Philosophie und Theologie des 'Kommentars'. Als Historiker der Kabbala macht Scholem die verschlossene Welt mystischer Texte durch eine dynamische Lektüre zum Kraftfeld jüdischer Identität. Der Band führt einen jungen Intellektuellen auf der Suche nach sich und dem Judentum vor, er untersucht die Verflechtung von politischen, theologischen und wissenschaftlichen Schriften und leuchtet deren intellektual-geschichtliche Kontexte aus.
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Mehr als zwanzig Jahre nach seinem Tod ist das Interesse am berühmten Kabbala-Forscher Gershom Scholem ungebrochen, weiß Rezensent Thomas Meyer. Auch in Deutschland gibt es seit einigen Jahren eine verstärke Rezeption Scholems. Mit seiner Dissertation über Scholem reiht sich Daniel Weidner nach Ansicht Meyers in die kleine Schar deutscher Scholem-Spezialisten ein. Entstanden ist laut Meyer eine "äußerst reflektierten Rekonstruktion der Bezüge, in denen Scholem lebt, denkt und schreibt". Er würdigt Weidners "genauen Blick" für die Brüche in Scholems Werk und für die Versuche, sie zu überschreiben. Immer wieder gelinge es Weidner, die schillernde Ambivalenz scheinbar eindeutiger Begriffe offenzulegen, und dies gegenüber dem behandelten Thema als angemessen auszuweisen, hält Meyer fest. Für Weidner ist Scholem ein "politischer" Autor, der als "Esoteriker" auftrete, der "immer zugleich etwas sagt und nicht sagt", und der beide Strategien in seine Geschichtsschreibung einbringe, die somit als "Häresie" erscheinen muss - eine Charakteristik, der Meyer zustimmt. Weidners Kunst sieht Meyer insbesondere darin, dass er die zahlreichen Spannungen bei Scholem nicht aufhebt und ihnen einen künstlichen Ursprung gibt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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