Using details from the ancient Scandinavian legends that were the inspiration for "Hamlet", this tale brings to life Gertrude's girlhood as the daughter of King Rorik, her arranged marriage to the man who becomes King, and her middle-aged affair with her husband's younger brother.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.04.2000Updike in Love
Vorläufiges Ende einer Affäre mit Shakespeare: Der Roman "Gertrude and Claudius" / Von Gabriel Josipovici
"Gib mir ein Ei, Gevatter, ich will dir zwei Kronen geben", sagt der Narr zu König Lear. "Was für zwei Kronen werden das sein?", fragt Lear. "Nun, nachdem ich das Ei durchgeschnitten und das Inwendige herausgegessen habe, die beiden Kronen des Eis. Als du deine Krone mitten durchspaltetest und beide Hälften weggabst, da trugst du deinen Esel auf dem Rücken durch den Dreck; du hattest wenig Witz in deiner kahlen Krone, als du deine goldene wegschenktest. Wenn ich diesmal in meiner eigenen Manier rede, so lass den peitschen, der's zuerst so findet. (Singt) Nie machten Narr'n so wenig Glück, / Denn Weise wurden täppisch; / Ihr bisschen Scharfsinn ging zurück, / Und all ihr Tun ward läppisch."
Wie der Chor im griechischen Drama sprechen Shakespeares Narren die Wahrheit aus, die der Held nicht hören will. Wir hören dem Narren gern zu, weil sein Realismus nüchtern ist, aber auch, weil er schnellen Geistes ist und wunderbar mit Worten spielen kann. In dieser Szene sagt er Lear die bittere Wahrheit: dass dieser sein Königreich niemals seinen Töchtern hätte übergeben dürfen und dass des Königs Entscheidung zu tun hat mit seinem Wunsch, in die Kindheit zurückzukehren, und auch zu tun hat mit den sexuellen Aspekten dieses Wunsches. Aber natürlich will Lear nichts davon hören.
Der Zauber von Hamlet, die Gründe dafür, dass dieses Stück die westliche Imagination so in den Bann geschlagen hat, liegt darin, dass Hamlet ebenfalls zu Shakespeares Narren gehört, nur ist er kein bezahlter Diener, kein angestellter Possenreißer, sondern so frei wie du und ich. "Wie, hängen stets noch Wolken über euch?", fragt Claudius. "Nicht doch, mein Fürst, ich habe zu viel Sonne", antwortet sein Neffe. "Wirf, guter Hamlet", bittet seine Mutter, nun die Gattin seines Onkels, "ab die nächt'ge Farbe / Und lass dein Aug' als Freund auf Dänmark sehn! / Such nicht beständig mit gesenkten Wimpern / Nach deinem edlen Vater in dem Staub: / Du weißt, es ist gemein: was lebt, muß sterben / Und Ew'ges nach der Zeitlichkeit erwerben."
Kurz und in der Kürze schroff ist Hamlets Antwort: "Ja, gnäd'ge Frau, es ist gemein." - "Nun wohl", setzt sie nach. "Weswegen scheint es so besonders dir?" - "Scheint, gnäd'ge Frau? Nein, ist; mir gilt kein ,scheint'. / Nicht bloß mein düstrer Mantel, gute Mutter / . . . Noch die gebeugte Haltung des Gesichts / Samt aller Sitte, Art, Gestalt des Grames / Ist das, was wahr mich kund gibt; dies scheint wirklich: / Es sind Gebärden, die man spielen könnte. / Was über allen Schein, trag' ich in mir; / All dies ist nur des Kummers Kleid und Zier."
Nun meldet sich der König wieder zu Wort: "Es ist gar lieb und Eurem Herzen rühmlich, Hamlet, / Dem Vater diese Trauerpflicht zu leisten. / Doch wisst, auch Eurem Vater starb ein Vater; / Dem seiner, und der Nachgelassne soll, / Nach kindlicher Verpflichtung, ein'ge Zeit / Die Leichentrauer halten. Doch zu beharren / ist das Tun / Gottlosen Starrsinns; ist das unmännlich Leid; / Zeigt einen Willen, der dem Himmel trotzt, / Ein unverschanztes Herz und wild Gemüt; / Zeigt blöden, ungelehrigen Verstand."
Diese ersten Szenen aus Lear und Hamlet sind bemerkenswert. Wie schnell und mühelos lässt Shakespeare seine Charaktere vor uns entstehen: der unverständige Lear und der weise Narr; das beklommene und daher aufgeblasene Königspaar Claudius und Gertrude, Hamlet in den Fängen eines inneren Wahns, wie er mit der Rolle des verlassenen Sohnes spielt, um der Trauer über seinen Verlust und seiner Wut angesichts der übereilten Wiederverheiratung seiner Mutter Herr zu werden. Hier wird uns so vieles klar, obwohl so wenig nur gesagt wird: Nach einem Dutzend Versen glauben wir, diese Charaktere besser zu kennen als sie sich selbst.
In der Bibel verhält es sich ganz ähnlich. Vielleicht sind genau aus diesem Grund Schriftsteller seit zweihundert Jahren von Shakespeares Stücken und der Bibel besessen. Was uns an diesen Texten so fasziniert, was uns wünschen lässt, sie zu unseren eigenen zu machen, indem wir sie in unseren eigenen Worten umschreiben, ist der Eindruck, dass wir die Charaktere in ihnen sehr gut zu kennen meinen und doch so wenig über sie wissen.
Aber der Versuch, Derartiges neu zu schreiben, in unsere eigenen Worte zu kleiden, scheitert fast immer. Warum? Eine Antwort auf diese Frage könnte sich in John Updikes jüngstem Buch finden. Updike gehört zu den intelligentesten und begabtesten Autoren unserer Zeit, aber sein Talent schien immer wurzellos, nie schien er ihm wirklich gerecht werden zu können. Wird Shakespeare ihm helfen?
Angeregt durch einen Essay des berühmten Shakespeare-Forschers G. Wilson Knight, in dem behauptet wird, dass Claudius, Gertrude, Polonius, Ophelia und Laertes alle auf ihre Weise bewundernswert sind, aber durch Hamlets Selbstbezogenheit in den Tod getrieben werden, hat Updike einen Roman geschrieben, der dort endet, wo das Stück beginnt ("Gertrude and Claudius", Alfred A. Knopf, New York 2000). Dieser Roman erzählt davon, wie Gertrude und Claudius sich ineinander verliebt haben und warum Claudius gezwungen war, seinen Bruder zu töten, um ihre Leben zu retten, nachdem ihr Ehebruch entdeckt worden war. Mit einem möglichen Seitenblick auf "Macbeth" zeigt der Roman schließlich, dass dieser Mord die Beziehungen der Liebenden untereinander und zu ihrer Welt für immer verändert hat.
Bei diesem Sujet, dem Ehebruch, der immerhin eines der großen Themen der Weltliteratur darstellt und immer schon zu Updikes Lieblingsthemen gehörte, hätte man einiges erwarten dürfen, zumindest aber doch wohl, dass der Roman seine Figuren und ihre Lebensumstände breit ausmalt. Aber irgendetwas ist schief gegangen. Liegt es an Updike oder an der Form, die er gewählt hat? "Ihr Haar", lesen wir, "ungebändigt, wie es einer Jungfrau zukam, war rot wie Kupfer, das sich im Blech des Sonnenlichts aufgelöst hatte." "Sie rieb seine bloßen Schultern, die glatt wie eine Rüstung waren bis auf einen Striemen, den ein türkisches Krummschwert hinterlassen hatte." "Gertrude", lesen wir weiter, "erblickte sich selbst in einem rotbraunen Reitmantel und gewickelten Umhang, der nur die gespaltenen Spitzen ihrer knöchelhohen Elchlederstiefel sehen ließ."
Das Problem solcher Passagen liegt, wie immer im klassischen Roman, darin, dass es doch recht lange dauert, die Beschreibung dessen zu lesen, was man mit dem Auge in einer einzigen Sekunde erfasst. Man verliert Zeit. Überdies werden Figuren durch die endlose Beschreibung ihrer Kleidung ja auch nicht lebendig, sie verwandelt sie lediglich in Kleiderpuppen.
Updikes Dialoge sind jedoch auch nicht viel besser: "Mein Sohn hat so viel Phantasie, und das Theater hat ihn schon als Kind fasziniert", sagt Gertrude zu Ophelia. "Wenn er den Liebhaber voll und ganz spielt, macht es nichts, wenn er falsch spielt", antwortet ihr Ophelia. "Ich habe Hamlet schon einem Studium unterzogen, als ich nicht mehr war als ein Augenpaar auf ungelenken Gliedern. Ich war noch nicht zehn, als er einundzwanzig wurde. Er erschien mir, wie allen, die ihn sahen, wie die Inkarnation eines Prinzen." Hat irgendjemand jemals so gesprochen, außer vielleicht in schlechten Hollywood-Filmen?
Das Wunder von Shakespeares Stücken besteht darin, dass die Figuren in all ihrer Komplexität vor uns stehen, sobald sie ihren Mund öffnen, und dass die Dramen nicht einfach eine Geschichte erzählen, sondern die Samen von hunderten von möglichen Geschichten in uns aussäen. Im Gegensatz dazu will der klassische Roman erzählen, wie alles wirklich war, und neigt deswegen zur Anekdote. Ein Romancier wie Dostojewski überwindet dieses Hindernis durch die schiere Intensität seiner Konzeption, aber er ist die Ausnahme, welche die Regel bestätigt. Bei Shakespeare spielt es keine Rolle, wie die Figuren aussehen, was sie tragen, wo sie wohnen. Aus diesem Grund können Shakespeare-Inszenierungen in jeder Zeit spielen oder in keiner, an jedem Ort oder nirgendwo. Dies ist kein Zeichen dafür, dass diese Dramen arm sind, sondern es beweist, wie lebendig sie sind. Updikes neuer Roman hingegen, all seinem Ernst, all seinen guten Absichten zum Trotz, bleibt tot. Deshalb weiß ich, dass ich dieses Buch nie wieder öffnen werde, auch wenn die Lektüre durchaus keine Zeitverschwendung war. Ich weiß es so sicher, wie ich weiß, dass ich mich wieder in der Schlange anstellen werde, wenn es darum geht, eine Karte für die nächste Inszenierung des "Lear" oder des "Hamlet" zu ergattern.
Aus dem Englischen von Julika Griem.
Gabriel Josipovici ist Schriftsteller und Professor für Anglistik an der University of Sussex. Zuletzt erschien von ihm der Roman "Jetzt".
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Vorläufiges Ende einer Affäre mit Shakespeare: Der Roman "Gertrude and Claudius" / Von Gabriel Josipovici
"Gib mir ein Ei, Gevatter, ich will dir zwei Kronen geben", sagt der Narr zu König Lear. "Was für zwei Kronen werden das sein?", fragt Lear. "Nun, nachdem ich das Ei durchgeschnitten und das Inwendige herausgegessen habe, die beiden Kronen des Eis. Als du deine Krone mitten durchspaltetest und beide Hälften weggabst, da trugst du deinen Esel auf dem Rücken durch den Dreck; du hattest wenig Witz in deiner kahlen Krone, als du deine goldene wegschenktest. Wenn ich diesmal in meiner eigenen Manier rede, so lass den peitschen, der's zuerst so findet. (Singt) Nie machten Narr'n so wenig Glück, / Denn Weise wurden täppisch; / Ihr bisschen Scharfsinn ging zurück, / Und all ihr Tun ward läppisch."
Wie der Chor im griechischen Drama sprechen Shakespeares Narren die Wahrheit aus, die der Held nicht hören will. Wir hören dem Narren gern zu, weil sein Realismus nüchtern ist, aber auch, weil er schnellen Geistes ist und wunderbar mit Worten spielen kann. In dieser Szene sagt er Lear die bittere Wahrheit: dass dieser sein Königreich niemals seinen Töchtern hätte übergeben dürfen und dass des Königs Entscheidung zu tun hat mit seinem Wunsch, in die Kindheit zurückzukehren, und auch zu tun hat mit den sexuellen Aspekten dieses Wunsches. Aber natürlich will Lear nichts davon hören.
Der Zauber von Hamlet, die Gründe dafür, dass dieses Stück die westliche Imagination so in den Bann geschlagen hat, liegt darin, dass Hamlet ebenfalls zu Shakespeares Narren gehört, nur ist er kein bezahlter Diener, kein angestellter Possenreißer, sondern so frei wie du und ich. "Wie, hängen stets noch Wolken über euch?", fragt Claudius. "Nicht doch, mein Fürst, ich habe zu viel Sonne", antwortet sein Neffe. "Wirf, guter Hamlet", bittet seine Mutter, nun die Gattin seines Onkels, "ab die nächt'ge Farbe / Und lass dein Aug' als Freund auf Dänmark sehn! / Such nicht beständig mit gesenkten Wimpern / Nach deinem edlen Vater in dem Staub: / Du weißt, es ist gemein: was lebt, muß sterben / Und Ew'ges nach der Zeitlichkeit erwerben."
Kurz und in der Kürze schroff ist Hamlets Antwort: "Ja, gnäd'ge Frau, es ist gemein." - "Nun wohl", setzt sie nach. "Weswegen scheint es so besonders dir?" - "Scheint, gnäd'ge Frau? Nein, ist; mir gilt kein ,scheint'. / Nicht bloß mein düstrer Mantel, gute Mutter / . . . Noch die gebeugte Haltung des Gesichts / Samt aller Sitte, Art, Gestalt des Grames / Ist das, was wahr mich kund gibt; dies scheint wirklich: / Es sind Gebärden, die man spielen könnte. / Was über allen Schein, trag' ich in mir; / All dies ist nur des Kummers Kleid und Zier."
Nun meldet sich der König wieder zu Wort: "Es ist gar lieb und Eurem Herzen rühmlich, Hamlet, / Dem Vater diese Trauerpflicht zu leisten. / Doch wisst, auch Eurem Vater starb ein Vater; / Dem seiner, und der Nachgelassne soll, / Nach kindlicher Verpflichtung, ein'ge Zeit / Die Leichentrauer halten. Doch zu beharren / ist das Tun / Gottlosen Starrsinns; ist das unmännlich Leid; / Zeigt einen Willen, der dem Himmel trotzt, / Ein unverschanztes Herz und wild Gemüt; / Zeigt blöden, ungelehrigen Verstand."
Diese ersten Szenen aus Lear und Hamlet sind bemerkenswert. Wie schnell und mühelos lässt Shakespeare seine Charaktere vor uns entstehen: der unverständige Lear und der weise Narr; das beklommene und daher aufgeblasene Königspaar Claudius und Gertrude, Hamlet in den Fängen eines inneren Wahns, wie er mit der Rolle des verlassenen Sohnes spielt, um der Trauer über seinen Verlust und seiner Wut angesichts der übereilten Wiederverheiratung seiner Mutter Herr zu werden. Hier wird uns so vieles klar, obwohl so wenig nur gesagt wird: Nach einem Dutzend Versen glauben wir, diese Charaktere besser zu kennen als sie sich selbst.
In der Bibel verhält es sich ganz ähnlich. Vielleicht sind genau aus diesem Grund Schriftsteller seit zweihundert Jahren von Shakespeares Stücken und der Bibel besessen. Was uns an diesen Texten so fasziniert, was uns wünschen lässt, sie zu unseren eigenen zu machen, indem wir sie in unseren eigenen Worten umschreiben, ist der Eindruck, dass wir die Charaktere in ihnen sehr gut zu kennen meinen und doch so wenig über sie wissen.
Aber der Versuch, Derartiges neu zu schreiben, in unsere eigenen Worte zu kleiden, scheitert fast immer. Warum? Eine Antwort auf diese Frage könnte sich in John Updikes jüngstem Buch finden. Updike gehört zu den intelligentesten und begabtesten Autoren unserer Zeit, aber sein Talent schien immer wurzellos, nie schien er ihm wirklich gerecht werden zu können. Wird Shakespeare ihm helfen?
Angeregt durch einen Essay des berühmten Shakespeare-Forschers G. Wilson Knight, in dem behauptet wird, dass Claudius, Gertrude, Polonius, Ophelia und Laertes alle auf ihre Weise bewundernswert sind, aber durch Hamlets Selbstbezogenheit in den Tod getrieben werden, hat Updike einen Roman geschrieben, der dort endet, wo das Stück beginnt ("Gertrude and Claudius", Alfred A. Knopf, New York 2000). Dieser Roman erzählt davon, wie Gertrude und Claudius sich ineinander verliebt haben und warum Claudius gezwungen war, seinen Bruder zu töten, um ihre Leben zu retten, nachdem ihr Ehebruch entdeckt worden war. Mit einem möglichen Seitenblick auf "Macbeth" zeigt der Roman schließlich, dass dieser Mord die Beziehungen der Liebenden untereinander und zu ihrer Welt für immer verändert hat.
Bei diesem Sujet, dem Ehebruch, der immerhin eines der großen Themen der Weltliteratur darstellt und immer schon zu Updikes Lieblingsthemen gehörte, hätte man einiges erwarten dürfen, zumindest aber doch wohl, dass der Roman seine Figuren und ihre Lebensumstände breit ausmalt. Aber irgendetwas ist schief gegangen. Liegt es an Updike oder an der Form, die er gewählt hat? "Ihr Haar", lesen wir, "ungebändigt, wie es einer Jungfrau zukam, war rot wie Kupfer, das sich im Blech des Sonnenlichts aufgelöst hatte." "Sie rieb seine bloßen Schultern, die glatt wie eine Rüstung waren bis auf einen Striemen, den ein türkisches Krummschwert hinterlassen hatte." "Gertrude", lesen wir weiter, "erblickte sich selbst in einem rotbraunen Reitmantel und gewickelten Umhang, der nur die gespaltenen Spitzen ihrer knöchelhohen Elchlederstiefel sehen ließ."
Das Problem solcher Passagen liegt, wie immer im klassischen Roman, darin, dass es doch recht lange dauert, die Beschreibung dessen zu lesen, was man mit dem Auge in einer einzigen Sekunde erfasst. Man verliert Zeit. Überdies werden Figuren durch die endlose Beschreibung ihrer Kleidung ja auch nicht lebendig, sie verwandelt sie lediglich in Kleiderpuppen.
Updikes Dialoge sind jedoch auch nicht viel besser: "Mein Sohn hat so viel Phantasie, und das Theater hat ihn schon als Kind fasziniert", sagt Gertrude zu Ophelia. "Wenn er den Liebhaber voll und ganz spielt, macht es nichts, wenn er falsch spielt", antwortet ihr Ophelia. "Ich habe Hamlet schon einem Studium unterzogen, als ich nicht mehr war als ein Augenpaar auf ungelenken Gliedern. Ich war noch nicht zehn, als er einundzwanzig wurde. Er erschien mir, wie allen, die ihn sahen, wie die Inkarnation eines Prinzen." Hat irgendjemand jemals so gesprochen, außer vielleicht in schlechten Hollywood-Filmen?
Das Wunder von Shakespeares Stücken besteht darin, dass die Figuren in all ihrer Komplexität vor uns stehen, sobald sie ihren Mund öffnen, und dass die Dramen nicht einfach eine Geschichte erzählen, sondern die Samen von hunderten von möglichen Geschichten in uns aussäen. Im Gegensatz dazu will der klassische Roman erzählen, wie alles wirklich war, und neigt deswegen zur Anekdote. Ein Romancier wie Dostojewski überwindet dieses Hindernis durch die schiere Intensität seiner Konzeption, aber er ist die Ausnahme, welche die Regel bestätigt. Bei Shakespeare spielt es keine Rolle, wie die Figuren aussehen, was sie tragen, wo sie wohnen. Aus diesem Grund können Shakespeare-Inszenierungen in jeder Zeit spielen oder in keiner, an jedem Ort oder nirgendwo. Dies ist kein Zeichen dafür, dass diese Dramen arm sind, sondern es beweist, wie lebendig sie sind. Updikes neuer Roman hingegen, all seinem Ernst, all seinen guten Absichten zum Trotz, bleibt tot. Deshalb weiß ich, dass ich dieses Buch nie wieder öffnen werde, auch wenn die Lektüre durchaus keine Zeitverschwendung war. Ich weiß es so sicher, wie ich weiß, dass ich mich wieder in der Schlange anstellen werde, wenn es darum geht, eine Karte für die nächste Inszenierung des "Lear" oder des "Hamlet" zu ergattern.
Aus dem Englischen von Julika Griem.
Gabriel Josipovici ist Schriftsteller und Professor für Anglistik an der University of Sussex. Zuletzt erschien von ihm der Roman "Jetzt".
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