This collection of essays presents the history of the "Tübingen School of Plato”, including all the central works by its principal exponents. It includes detailed descriptions of the succession of theoretical principles that characterized Platonism from pre-Socratic philosophy to Neo-Platonism. The elucidation of interconnections within the broad realm of contemporary Plato research make this volume a perfect introduction to Plato.
Der Band der hier gesammelten Aufsätze demonstriert den Paradigmenwechsel vom neuplatonischen über das romantische zum dritten Platonbild, das den literarischen und zugleich "ungeschriebenen" Platon zu einem längst fälligen Totalprospekt vereint. Er resümiert die Platonforschung der letzten 50 Jahre in Gestalt einer Dokumentation, die der Begründer der Tübinger Schule von 1962 bis 2013 schriftlich fixiert hat. Der I. Teil fasst die grundlegenden systemtheoretischen Untersuchungen zusammen, der II. Teil verfolgt die Fortwirkung der platonischen Grundkonzeption bei Aristoteles und im Hellenismus, der III. Teil nimmt einige zentrale Felder der Kontinuität oder Analogie in der Sicht der Neuzeit in den Blick, während der IV. Teil Stellungnahmen zu den verschiedensten konkurrierenden Platonbildern entwickelt. Die forschungsgeschichtlichen Verflechtungen sind dabei überall erkennbar gemacht. Die Spezifica der Tübinger Position werden darum gerade hier (IV.) profilierend abgehoben.
Der Aufsatzband legt die historischen Voraussetzungen offen für den mehr systemtheoretischen, noch ausstehenden Komplementärband "Platons Grundlegung der Philosophie", der erstmals in der deutschen Originalsprache erscheinen wird und der in dem Sinne doppeldeutig ist, dass er einmal Platons Grundlegung seiner eigenen Philosophie und zweitens die Grundlegung der nachfolgenden Systematiken westlichen Philosophierens bei Platon durchsichtig macht.
Der Band der hier gesammelten Aufsätze demonstriert den Paradigmenwechsel vom neuplatonischen über das romantische zum dritten Platonbild, das den literarischen und zugleich "ungeschriebenen" Platon zu einem längst fälligen Totalprospekt vereint. Er resümiert die Platonforschung der letzten 50 Jahre in Gestalt einer Dokumentation, die der Begründer der Tübinger Schule von 1962 bis 2013 schriftlich fixiert hat. Der I. Teil fasst die grundlegenden systemtheoretischen Untersuchungen zusammen, der II. Teil verfolgt die Fortwirkung der platonischen Grundkonzeption bei Aristoteles und im Hellenismus, der III. Teil nimmt einige zentrale Felder der Kontinuität oder Analogie in der Sicht der Neuzeit in den Blick, während der IV. Teil Stellungnahmen zu den verschiedensten konkurrierenden Platonbildern entwickelt. Die forschungsgeschichtlichen Verflechtungen sind dabei überall erkennbar gemacht. Die Spezifica der Tübinger Position werden darum gerade hier (IV.) profilierend abgehoben.
Der Aufsatzband legt die historischen Voraussetzungen offen für den mehr systemtheoretischen, noch ausstehenden Komplementärband "Platons Grundlegung der Philosophie", der erstmals in der deutschen Originalsprache erscheinen wird und der in dem Sinne doppeldeutig ist, dass er einmal Platons Grundlegung seiner eigenen Philosophie und zweitens die Grundlegung der nachfolgenden Systematiken westlichen Philosophierens bei Platon durchsichtig macht.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.01.2015Mündlich mehr
Ein Band mit Hans Krämers Aufsätzen zu Platon
"Arete bei Platon und Aristoteles. Zum Wesen und zur Geschichte der platonischen Ontologie", so hieß die 1959 als Buch erschienene Dissertation Hans Krämers. Sie führte eine nachgerade kopernikanische Wende in der Geschichte des neuzeitlichen Platon-Verständnisses herbei. Was Krämer damals unternommen hatte, war nicht mehr und nicht weniger als dies: an die Stelle der teilnehmenden Frage "Was sagt uns Platon?" die historische Frage zu setzen: "Was sagte Platon?" Krämer befreite Platon aus wirkmächtigen Vereinnahmungen für philosophische Konzepte, vor allem im 19. Jahrhundert durch die Romantiker Friedrich Schlegel und Friedrich Schleiermacher, aber auch durch spätere Philosophen. Durch Schleiermacher, dessen Platon-Übersetzung bis heute nicht ihre Bedeutung verloren hat, war zum Kern der modernen Platon-Deutung eine Lesart geworden, die die Dialoge als absolut aporetische Texte nahm, statt in ihnen auch die dogmatischen Anteile zu sehen.
Krämer brachte mit seinem großen Wurf die Dialoge in Verbindung mit den Zeugnissen der sogenannten ungeschriebenen Lehre (agrapha dogmata), wie sie sich in übereinstimmenden Referaten bei Aristoteles, dessen Nachfolger in der Leitung der peripatetischen Schule Theophrast, beim Aristoteles-Kommentator Alexander von Aphrodisias und dem Doxographen Sextus Empiricus finden. Diese und andere Stellen der indirekten Platon-Überlieferung bekräftigen nicht nur Platons Misstrauen in die Zulänglichkeit des geschriebenen Wortes, das sich etwa im Dialog "Phaidros" und im "Siebtem Brief" thematisiert findet, sondern bieten Hinweise auf dogmatische Inhalte einer nur mündlich im Kreis der Schüler (wohl unter dem Titel "Über das Gute") vorgetragenen Lehre. Die mündliche Überlieferung dieser Lehre verwundert umso weniger, je mehr man in Betracht zieht, dass "Literatur" erst im Laufe des vierten vorchristlichen Jahrhunderts, also der Lebenszeit Platons, zu einem primär von der Schriftlichkeit her verstandenen Teil der Kultur geworden ist.
Krämer hat sich in zahlreichen Arbeiten mit Kritikern seines Platon-Bilds auseinandergesetzt, nicht nur scharfsinnig, sondern, wo nötig' auch scharfzüngig. Zukünftige Interpreten werden an den Widerständen, die es zu überwinden galt, ehe das neue Paradigma - Thomas S. Kuhn schrieb Krämers Arbeiten ausdrücklich diesen Charakter zu - sich durchsetzte, eines der interessantesten Kapitel der Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte zu analysieren haben.
Die rund dreißig Beiträge des pünktlich zum 85. Geburtstag des Autors erschienenen Sammelbands zeigen deutlicher als Krämers große Platon-Monographien die Zwischenstationen auf dem schwierigen Weg der Etablierung eines neuen Platon-Verständnisses.
HANS-ALBRECHT KOCH.
Hans Krämer: "Gesammelte Aufsätze zu Platon". Herausgegeben von Dagmar Mirbach. Verlag de Gruyter, Berlin/Boston 2014. 592 S., geb., 138,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Band mit Hans Krämers Aufsätzen zu Platon
"Arete bei Platon und Aristoteles. Zum Wesen und zur Geschichte der platonischen Ontologie", so hieß die 1959 als Buch erschienene Dissertation Hans Krämers. Sie führte eine nachgerade kopernikanische Wende in der Geschichte des neuzeitlichen Platon-Verständnisses herbei. Was Krämer damals unternommen hatte, war nicht mehr und nicht weniger als dies: an die Stelle der teilnehmenden Frage "Was sagt uns Platon?" die historische Frage zu setzen: "Was sagte Platon?" Krämer befreite Platon aus wirkmächtigen Vereinnahmungen für philosophische Konzepte, vor allem im 19. Jahrhundert durch die Romantiker Friedrich Schlegel und Friedrich Schleiermacher, aber auch durch spätere Philosophen. Durch Schleiermacher, dessen Platon-Übersetzung bis heute nicht ihre Bedeutung verloren hat, war zum Kern der modernen Platon-Deutung eine Lesart geworden, die die Dialoge als absolut aporetische Texte nahm, statt in ihnen auch die dogmatischen Anteile zu sehen.
Krämer brachte mit seinem großen Wurf die Dialoge in Verbindung mit den Zeugnissen der sogenannten ungeschriebenen Lehre (agrapha dogmata), wie sie sich in übereinstimmenden Referaten bei Aristoteles, dessen Nachfolger in der Leitung der peripatetischen Schule Theophrast, beim Aristoteles-Kommentator Alexander von Aphrodisias und dem Doxographen Sextus Empiricus finden. Diese und andere Stellen der indirekten Platon-Überlieferung bekräftigen nicht nur Platons Misstrauen in die Zulänglichkeit des geschriebenen Wortes, das sich etwa im Dialog "Phaidros" und im "Siebtem Brief" thematisiert findet, sondern bieten Hinweise auf dogmatische Inhalte einer nur mündlich im Kreis der Schüler (wohl unter dem Titel "Über das Gute") vorgetragenen Lehre. Die mündliche Überlieferung dieser Lehre verwundert umso weniger, je mehr man in Betracht zieht, dass "Literatur" erst im Laufe des vierten vorchristlichen Jahrhunderts, also der Lebenszeit Platons, zu einem primär von der Schriftlichkeit her verstandenen Teil der Kultur geworden ist.
Krämer hat sich in zahlreichen Arbeiten mit Kritikern seines Platon-Bilds auseinandergesetzt, nicht nur scharfsinnig, sondern, wo nötig' auch scharfzüngig. Zukünftige Interpreten werden an den Widerständen, die es zu überwinden galt, ehe das neue Paradigma - Thomas S. Kuhn schrieb Krämers Arbeiten ausdrücklich diesen Charakter zu - sich durchsetzte, eines der interessantesten Kapitel der Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte zu analysieren haben.
Die rund dreißig Beiträge des pünktlich zum 85. Geburtstag des Autors erschienenen Sammelbands zeigen deutlicher als Krämers große Platon-Monographien die Zwischenstationen auf dem schwierigen Weg der Etablierung eines neuen Platon-Verständnisses.
HANS-ALBRECHT KOCH.
Hans Krämer: "Gesammelte Aufsätze zu Platon". Herausgegeben von Dagmar Mirbach. Verlag de Gruyter, Berlin/Boston 2014. 592 S., geb., 138,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Hans-Albrecht Koch kann in diesem zum 85. Geburtstag von Hans Krämer erscheinenden Sammelband besser als an Krämers großen Platon-Monografien erkennen, wie sich ein neues Platon-Verständnis durch die Arbeit Krämers etablierte. Die "kopernikanische Wende" in der Geschichte des Platon-Verständnisses besteht laut Koch in dem Verzicht auf Vereinnahmung Platons für philosophische Konzepte und in der historischen (anstelle der teilnehmenden) Frage: Was sagte Platon? Dass und wie der Autor sich mit den Kritikern seines Platon-Bildes scharfsinnig auseinandergesetzt hat, kann Koch hier ebenfalls nachlesen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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