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In den entlegensten Ecken der Erde spielen Maughams Geschichten: auf einer Teeplantage in Ostasien, im Casino in Monaco, im Armenviertel in London oder auf einem Kreuzfahrtschiff in der Karibik. Doch ob in Europa oder in den britischen Kolonien, Maugham schrieb über die großen Themen der Menschheit - Liebe, Eifersucht und Tod, das Aufbegehren gegen das Schicksal und die Verzweiflung über die eigene Unzulänglichkeit.

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Produktbeschreibung
In den entlegensten Ecken der Erde spielen Maughams Geschichten: auf einer Teeplantage in Ostasien, im Casino in Monaco, im Armenviertel in London oder auf einem Kreuzfahrtschiff in der Karibik. Doch ob in Europa oder in den britischen Kolonien, Maugham schrieb über die großen Themen der Menschheit - Liebe, Eifersucht und Tod, das Aufbegehren gegen das Schicksal und die Verzweiflung über die eigene Unzulänglichkeit.
Autorenporträt
W. Somerset Maugham, geboren 1874, war früh von der Literatur angezogen. Er studierte zunächst Medizin, übte den Arztberuf aber nicht aus. Als Bühnenautor hatte er bald großen Erfolg, seinen literarischen Ruhm erlangte er jedoch als Romancier und Geschichtenerzähler. Zeitweise war er als britischer Geheimagent tätig. Er bereiste zahlreiche Länder, vor allem im Fernen Osten, dem Schauplatz vieler seiner Erzählungen, und starb 1965 in Cap Ferrat an der französischen Riviera.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2005

Von der Angst, das Leben zu verpassen
Die Geschichten von Somerset Maugham erzählen von fremden Ländern und vertrauten Gefühlen, von Frauen, Haß und der ganzen Welt

"Ich habe Bücher nur deswegen aus der Hand gelegt, weil mir bewußt wurde, daß die Zeit verging und daß es meine Aufgabe war zu leben. Ich bin hinaus in die Welt gegangen, weil ich glaubte, nur so die Erfahrungen zu machen, ohne die ich nicht schreiben konnte, aber auch deswegen, weil ich die Erfahrung um ihrer selbst willen machen wollte." Kaum ein Schriftsteller des vergangenen Jahrhunderts ist so entschlossen und wissensfreudig hinaus in die Welt gegangen wie William Somerset Maugham. Immer war er unterwegs, sah fast jedes Land der Welt, die Südsee und Malaysia, Rußland und Persien, und brachte Geschichte um Geschichte mit zurück nach Hause. Insgesamt zweihundert Stück. Als er sie später in zwei Bänden versammelte, nannte er den ersten "Ost und West" und den zweiten "Der Rest der Welt". Maugham hatte alles gesehen und alles gesagt, und zufrieden konnte er am Ende ausrufen: "Ich habe meine letzte Erzählung geschrieben."

Jetzt sind alle seine Erzählungen als Auftakt einer neuen Maugham-Werkausgabe in leicht überarbeiteter Übersetzung neu erschienen, und wer darin liest, versinkt. Es geschieht alles in der Welt da draußen, im Dschungel und auf Kreuzfahrtschiffen, im Sumpf, am Meer und auf kleinen Inseln, im Gefangenenlager und auf prächtigen Empfängen. Maugham beschreibt Menschen zur Zeit der vorletzten Jahrhundertwende und danach, die sich dort draußen in einem perfekt austarierten, persönlichen Gleichgewichtssystem ihre Lebenssicherheit bewahren und sie eines Tages, durch eine kleine Veränderung in ihrer Welt, verlieren. Es sind Versuchsanordnungen des Schreckens in einer exotischen Welt. Letzte Geschichten aus den Kolonien, in denen die Herrscher aus der alten Welt langsam die Macht verlieren. Und jeder kann jederzeit die Macht über sich selbst verlieren, wenn ein neuer Mensch hinzutritt in sein Leben und mit ihm die Liebe, der Haß oder die Angst.

Eine alte Engländerin ist der einzige Passagier auf einem Frachtschiff und treibt die deutsche Besatzung mit ihrer dämlichen Schwatzsucht in den Wahnsinn. Als letzte Rettung weisen sie ihr den schönen jungen Funker als Liebhaber für eine Nacht zu, und sie verstummt. Vier dicke Holländer sind die lebenslange Besatzung auf einem Schoner, sie sind als Sinnbild des Glücks und der Zufriedenheit in der ganzen Südsee bekannt, Bridgespieler, Pfeifenraucher, mäßige Trinker, ewige Freunde, bis eines Tages eine Frau mitreist auf ihrem Schiff. Ein lebenslang Gefangener findet eine Art beamtenhaftes Glück in seiner Aufgabe als Henker und nähert sich unaufhörlich dem eigenen Tod. Ein Ehepaar, Kautschukpflanzer im Nirgendwo, ist für den Rest des Lebens aneinandergefesselt, durch Schicksalsnotwendigkeit. Sie hat ihn betrogen, er hat ihren Liebhaber ermordet, und die nächsten vierzig Jahre werden sie fast ohne Geld auf ihrer winzigen Farm im Nichts verbringen, vereint im ewigen Haß.

Der größte Schrecken der Geschichten ist die Zeit. Dort draußen in der Welt ist die Ewigkeit. Nichts bewegt sich. Nichts verändert sich. Fünf Jahre Verbannung in Singapur erträgt der Liebhaber scheinbar mit Freuden. Der snobistische Gouverneur in seiner Dschungelresidenz, dem von der Zentralregierung ein verwahrloster und mit der Zeit aufrichtig verhaßter Stellvertreter zugewiesen wurde, tröstet sich mit der Aussicht, daß er ihn im Urlaub nicht wird sehen müssen. Der nächste Urlaub ist in drei Jahren. Alles scheint ewig zu währen. Das macht das Lesen so geruhsam und bei aller Dramatik noch beruhigend. Die Zeit ist die Ruhe und der Schrecken.

In seiner ersten und berühmtesten Erzählung, "Regen", sind es nur wenige Wochen, die der Missionar, der Arzt und ihre beiden Frauen gemeinsam mit der Hure aus Hawaii in dem einzigen Hotel der Insel verbringen müssen, weil auf ihrem Schiff eine Masernepidemie ausgebrochen war. Aber diese wenigen Tage auf diesem engen Raum, der ewige Regen draußen vor der Tür, bringen alle Leidenschaften zu Tage, Glück und Unglück wechseln die Seiten, Rachedurst, Selbstherrlichkeit und Lebenslust und ewig unterdrücktes Feuer, alles bricht aus in diesem kleinen Haus, bis am Ende der Missionar mit aufgeschnittener Kehle im eigenen Blut am Hafen liegt.

Nichts hatte darauf hingedeutet. Nur ein "unterdrücktes Feuer" in seinen Augen, das der Erzähler am Anfang bemerkt. Sonst ist er ein perfekter Vertreter jener Menschen, die ihrem starren Lebenssystem folgen, jeden Tag, und die Leidenschaften aus der Welt treiben wollen, aus der ganzen Welt. Sie alle sind gefangen in einer kleinen Ewigkeit. Es gibt jeden Tag Hackbraten, die Hure im Stockwerk unter ihnen hört unaufhörlich laut Musik und empfängt Mann auf Mann, es regnet und regnet, der Arzt droht zu verzweifeln. Doch der Missionar sagt: "Dagegen gibt es nur eines: den Tag einteilen." Und er teilt ihn ein, in immer kleinere, starrere Einheiten, und das Unglück beginnt.

Maugham hat über Anton Tschechow einmal geschrieben, er habe "die erstaunliche Fähigkeit, die Menschen mit Luft zu umgeben, so daß sie, obwohl er sie nicht plastisch schildert, ein seltsam unirdisches Leben führen. Sie werden nicht vom harten Licht des Alltags beleuchtet, sondern sind durchflutet von einem rätselhaften Grau, in dem sie sich wie körperlose Wesen bewegen. Man glaubt ihre Seelen zu sehen." Auch Somerset Maugham kennt die Seelen seiner Figuren. Es genügt ihm oft ein Blick, eine Andeutung, und er läßt die Seelen leuchten. Nicht im Grau Tschechows, sondern in der Sonne der Welt. Ihm genügen die auffällig langen Wimpern beim Anblick eines jungen Liebhabers, der Bericht von einer Flasche Whisky, den der Reisende mit ins Bett zu nehmen pflegt, ein Feuer im Blick. Und die Geschichte beginnt. Es sind Geschichten, in denen man sich verliert, weil sie so traurig sind, so wahr und plötzlich schön, weil der Erzähler am Ende mit einem Glas Whisky auf die Veranda tritt und unbeschadet bleibt, weil Maugham seine Menschen liebt und erzählen kann wie nur wenige andere.

Immer hat er darunter gelitten, daß Proust und Joyce und andere als literarisch höherwertig galten als er selbst. Was soll an Unverständlichkeit höherwertig sein, hat er immer wieder gefragt und weitergeschrieben. Hochmütig und stolz und immer glänzend gekleidet: "Gute Prosa setzt gute Manieren voraus." Er ist inzwischen der meistgelesene englische Schriftsteller des letzten Jahrhunderts, aber das hätte ihm nicht genügt. Nur die höchste Anerkennung wäre genug gewesen.

Er hat sich alles erkämpft. Wurde 1874 auf englischem Boden in Frankreich geboren, in der englischen Botschaft, wo sein Vater angestellt war, wuchs französischsprachig auf, doch dann, er war gerade zehn, starben seine Eltern, er wurde nach England zu einem mißmutigen Onkel geschickt, und ein Martyrium begann. Maugham konnte kaum Englisch, bekam keinen Sprachunterricht, stotterte erbärmlich und war das Gespött seiner Mitschüler. Mühsam erkämpfte er sich Wort für Wort, genau wie seine Selbstachtung, ging schon bald in die Welt, zunächst nach Heidelberg, wo er die Liebe zu den Büchern in sich entdeckte, und dann immer weiter hinaus. Immer neugierig auf alles. Immer in großer Angst, etwas zu verpassen. Das Leben zu verpassen.

"Ich bin nie auf der Südseite von Piccadilly entlanggelaufen, ohne erregt daran zu denken, was auf der Nordseite passieren könnte", schrieb er. Nur ein Mensch mit solcher Groß-Neugierde kann in seinen Geschichten diese Weltentführungskraft entwickeln wie William Somerset Maugham. Geschichten, denen man in jeden Weltenwinkel und Seelenwinkel hinein begeistert folgen kann.

Leben und Lesen sind selten so eine notwendige und schöne Verbindung eingegangen wie in den Büchern des Mannes, der über sein eigenes Leben schrieb: "Ich sah keinen Grund, die Forderungen der Sinne den Lockungen des Geistes unterzuordnen, und war fest entschlossen, aus den menschlichen Beziehungen, aus Essen, Trinken und Hurerei, aus Luxus, Sport, Kunst, Reisen und allen anderen Dingen so viel Befriedigung herauszuholen wie nur irgend möglich. Doch das war anstrengend, und ich bin immer wieder voller Erleichterung zu meinen Büchern und zu mir selbst zurückgekehrt."

Maugham hat oft von einer Lebensabhängigkeit geschrieben, die den solcherart Erkrankten auch zum Lesen des Telefonbuchs oder des Annoncenteils einer fünf Jahre alten Zeitung verführen kann. Diese Krankheit dürfte inzwischen selten geworden sein. Doch die Geschichten könnten einen infizieren.

VOLKER WEIDERMANN

William Somerset Maugham: "Ost und West". "Der Rest der Welt". Gesammelte Erzählungen in zwei Bänden. Diogenes 2005, 2100 Seiten, 49,90 Euro

Außerdem ist "Regen und andere Meistererzählungen" soeben als Hörbuch in fünf CDs erschienen. Diogenes Hörbuch, 39,90 Euro

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