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"Früher begann der Tag mit einer Schusswunde" - mit dieser Sammlung kurzer Prosatexte schrieb Wolf Wondratschek sich in den Status eines Kultautors. Als radikaler, liebender, experimenteller Bohemien verfasste er Verse von lakonischer Eleganz und Gelassenheit.
"Über die Liebe spricht heute kein Lyriker so vertrauenswürdig wie Wolf Wondratschek." Der Spiegel
"Seine Gedichte sind wie Schüsse in ein Herz, das für die starken Dinge des Lebens schlägt." Frankfurter Neue Presse
"Es mag sein, dass von der deutschen Dichtung der siebziger Jahre nicht viel bleiben wird. Die Gedichte dieses Autors werden bleiben." Marcel Reich-Ranicki
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Produktbeschreibung
"Früher begann der Tag mit einer Schusswunde" - mit dieser Sammlung kurzer Prosatexte schrieb Wolf Wondratschek sich in den Status eines Kultautors. Als radikaler, liebender, experimenteller Bohemien verfasste er Verse von lakonischer Eleganz und Gelassenheit.

"Über die Liebe spricht heute kein Lyriker so vertrauenswürdig wie Wolf Wondratschek." Der Spiegel

"Seine Gedichte sind wie Schüsse in ein Herz, das für die starken Dinge des Lebens schlägt." Frankfurter Neue Presse

"Es mag sein, dass von der deutschen Dichtung der siebziger Jahre nicht viel bleiben wird. Die Gedichte dieses Autors werden bleiben." Marcel Reich-Ranicki
Autorenporträt
Wolf Wondratschek wuchs in Karlsruhe auf. Von 1962 bis 1967 studierte er Literaturwissenschaft, Philosophie und Soziologie an den Universitäten in Heidelberg, Göttingen und Frankfurt am Main. Seit 1967 lebte er als freier Schriftsteller zunächst in München. In den Jahren 1970 und 1971 lehrte er als Gastdozent an der University of Warwick, Ende der 1980er-Jahre unternahm er ausgedehnte Reisen unter anderem in die USA und nach Mexiko. Er lebt seit 1996 in Wien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.08.2018

Weil ich den Applaus hasse
Der Ullstein-Verlag schenkt seinem Autor Wolf Wondratschek zum 75. Geburtstag eine Gesamtausgabe seiner Gedichte

Es gibt im Nachlass des Filmregisseurs Helmut Dietl einen Text, in dem er vor etwa zehn Jahren, bevor er mit Benjamin von Stuckrad-Barre am Drehbuch seines Films "Zettl" zu arbeiten begann, entwarf, was aus seinen Figuren aus "Rossini" geworden war: aus dem Wirt Paolo Rossini und aus dem Regisseur Uhu Zigeuner, dem Patrick Süskind nachempfundenen Schriftsteller Jakob Windisch, Autor der "Loreley", oder aus der bezaubernden Kellnerin Serafina. In diesem Text, der immerzu liebevoll und zugleich hoffnungslos komisch ist, gibt es auch eine Passage über den in "Rossini" von Jan Josef Liefers gespielten Dichter Bodo Kriegnitz, der Züge von Wolf Wondratschek trug, aus dessen "Carmen"-Gedicht ja auch der Untertitel von "Rossini" stammte: "Die mörderische Frage, wer mit wem schlief".

"Bodo ist ein unnachahmlicher Leser", heißt es bei Dietl. "Seine Stimme ist weich und melodisch, wenn er will, hart und männlich - brutal, wenn es sein muss, aber nie unangenehm heftig oder gar laut. Er schreit nicht - er flüstert. Bodo ist der größte lebende deutsche Poesieflüsterer ohne Verleger. Er verachtet Verleger. Ganz besonders den, der drei Jahrzehnte lang seine schmalen Bändchen in Auflagen von ein- bis zweitausend Stück herausgab, um sich dann plötzlich und schnöde von ihm zu trennen, weil er durch den Verkauf von mehreren Millionen Exemplaren der ,Loreley' von Jakob Windisch ein neues Geschäftsmodell für sich entdeckte. Bodo Kriegnitz", schrieb Dietl, "verachtet auch Jakob Windisch, aber nicht, weil er ihn etwa für einen schlechten Schriftsteller hielte - seine Meinung über den Bestseller ,Loreley' (parfümierte, pseudoliterarische Quarkspeise) hatte sich schlagartig geändert, als er von Jakob eine Postkarte erhielt, die vorne mit einem Porträt von Rimbaud schmeichelte und hinten mit einem feinen, kleinen Lob für Bodos letzten Gedichtband -, sondern ganz einfach, weil Jakob nichts mehr schreibt. Und da Bodo jeden Tag schreibt, auch wenn ihm nichts einfällt, verachtet er jeden Dichter, der nicht täglich in den grausamen Krieg gegen das leere, weiße Blatt zieht."

Bodo Kriegnitz ist nicht Wolf Wondratschek. Aber wer Wondratschek schon einmal seine Gedichte hat vorlesen hören, mit dieser tiefen melodischen Stimme, der weiß, dass das mit der Stimme zutrifft. Und, Verachtung hin oder her, dass er sich mit seinen Verlegern überworfen hat, kompromisslos lieber ganz ohne Verlag dastand und seine Werke an einen Mäzen verkaufte, anstatt in etwas einzuwilligen, das seinem Purismus und seinen ökonomischen Vorstellungen widersprach - auch das ist allgemein bekannt.

Doch ist Helmut Dietls Text zehn Jahre alt. Bodo Kriegnitz mag immer noch der große Poesieflüsterer ohne Verleger sein, Wolf Wondratschek ist es nicht. Dessen neuer Verleger heißt Gunnar Cynybulk. Und in dieser Woche, in der der Dichter seinen 75. Geburtstag feiert, erscheint im Ullstein-Verlag nicht nur Wondratscheks neuer Roman, "Selbstbild mit russischem Klavier", sondern, als erster Teil seines Gesamtwerks, eine neue Ausgabe seiner Gedichte: dreizehn extrem schön gestaltete Bände in bunten Farben, die einzeln oder auch zusammen in einem Schuber zu haben sind.

Und es gibt noch eine Neuigkeit: Nicht nur wir können den Autor, dessen Ruhm Ende der sechziger Jahre mit "Früher begann der Tag mit einer Schusswunde", einer Sammlung kurzer Prosatexte, begann, neu entdecken, sondern die Welt: Bis auf einen Band, der in Mexiko erschien, ist Wondratschek bisher nicht übersetzt worden. "The bestkept secret of German literature" schrieb der Literaturagent Michael Gaeb deshalb auf einen Folder, den er den mit ihm bekannten Verlegern im Ausland mitbrachte. "You don't become a cult author for no reason", stand als Reich-Ranicki-Zitat vorne auf dem Cover. Drinnen waren ins Englische übersetzte Passagen aus dem Werk zu lesen und Fotos zu sehen: Wondratschek als junger Mann mit Krawatte und Pfeife, mit Zigarette im Mundwinkel im Freien an der Schreibmaschine, Wondratschek mit Veruschka, mit Rocky Graziano, George Tabori, Muhammad Ali, Hanna Schygulla oder Cher.

Es funktionierte. In Frankreich wird der Dichter bei den Éditions du Seuil erscheinen, in den Vereinigten Staaten bei Farrar, Straus and Giroux, in Holland bei Lebowski. Die neue Aufmerksamkeit müsste ihm eigentlich auch wie ein Geschenk vorkommen, bei anderen Autoren, vermutet man, wäre das jedenfalls so. Bei Wondratschek ist man sich nicht so sicher. In "Selbstbild mit russischem Klavier", seinem neuen Roman, gibt es eine Passage über den Applaus. Das Buch hat keine wirkliche Handlung. In einem Wiener Kaffeehaus lernt ein Schriftsteller einen alten Russen kennen, Suvorin, der einmal ein berühmter Pianist gewesen ist und ihm seine Geschichte erzählt. Eine Geschichte, die so viele Selbstbespiegelungsmomente des Schriftstellers Wondratschek enthält, dass sie sich wie ein langes, an manchen Stellen allzu langgezogenes Selbstgespräch liest.

"Ich wollte, wenn der Wunsch nur durchzusetzen gewesen wäre, nach dem Verklingen des letzten Akkords unsichtbar sein", heißt es da. "Dass ich die Augen schloss, lässt vermuten, dass ich zumindest versuchte, es zu sein. Wenn ich nichts sehe, dachte ich, sehen andere auch nichts. Diese alte Kinderei, die Sie wahrscheinlich auch kennen. Ich wollte mich verstecken. Und warum? Ganz einfach, weil ich Applaus hasse. Was für ein dummes Geschäft, dieses Applaudieren! Nicht einen Augenblick Stille, keine halbe Sekunde. Was für Ignoranten! Was für Barbaren!"

Wenn man die neuen Gedichtbände aufschlägt und manches wieder liest, was man schon kennt, die Verse aus "Chuck's Zimmer" etwa, das allermeiste aber überhaupt erst jetzt entdeckt, zum Teil auch, weil es bisher noch nie veröffentlicht worden ist, will man tatsächlich gar nicht applaudieren. Vielmehr versenkt man sich still in diese Gedichte, die eine unnachahmliche Mischung aus Zartheit und Härte haben, aus Vornehmheit und Vulgarität, aus Intellektualität und Proletentum. Denn das ist die Wondratschek-Dialektik, die seinen Sound ausmacht. Wolfgang Rihm und die Stones, Bob Dylan und Mozart, ein formvollendetes Sonett ("Am Quai von Siracusa") und ein "5-Zeilen-Gedicht" ("Knall dich voll / Geh ins Kino / Mach die Augen zu / Die Bullen schießen wie wild / Aber sie treffen nur deine Cola"): Alles steht gleichberechtigt nebeneinander.

So geht man, "Warum Gefühle zeigen?" lesend, wieder mit Chuck durch München, folgt der "Letzten Nacht in Mailand", liest das "Lied von der Liebe" und entdeckt dann die "Raoulito-Gedichte", die in dem nach einem Bild von Martin Kippenberger benannten Band "For a Life Without a Dentist" zu finden sind. Es sind bisher nicht veröffentlichte Gedichte, die Wolf Wondratschek seinem im Juli 1991 geborenen Sohn Raoul jedes Jahr zu Weihnachten und zum Geburtstag geschrieben hat. "Ich schrieb sie, die frühen, für mich. Später, als er sie vielleicht noch nicht ganz verstehen, aber immerhin doch lesen konnte, schrieb ich welche direkt für ihn. Noch später versenkte ich hin und wieder einfach ein Gedicht in seinen Briefkasten, einfach so. Ein Lebenszeichen", schreibt Wondratschek in seiner Nachbemerkung.

"Raoulito wünscht sich was" heißt eines der frühen Gedichte, die man eigentlich gar nicht selber lesen, sondern wie ein Lied hören will: "Sagt nie, dass ich müde bin. / Ich bin noch ein Kind. / Ich will erst schlafen gehen, wenn alle eingeschlafen sind. / Also lasst mich in Ruhe. / Ich bin noch ein Kind. / Ich kann mit Augen schlafen, / die offen sind."

JULIA ENCKE

Wolf Wondratschek: "Gesammelte Gedichte in 13 Bänden", Ullstein-Verlag (einzelne Bände 7 bis 9 Euro oder als Schuber für 58 Euro). Wolf Wondratschek: "Selbstbild mit russischem Klavier". Roman. 272 Seiten, 22 Euro. Das Literaturhaus Berlin und der Verlag laden am 30. August zu einem Fest mit dem Autor ein.

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