Rainer Brambach gilt als einer der originellsten deutschsprachigen Dichter seiner Generation. Paul Celan und Hans Magnus Enzensberger zollten ihm Anerkennung.
Anläßlich seines zwanzigsten Todestags erscheint dieser Band mit seinen Gesammelten Gedichten.
"Wenn zwei oder drei seiner Gedichte Bestand haben würden, wäre das schon ungeheuer, hat Brambach gemeint. Da war er bescheiden wie immer, zu bescheiden: für mich sind es jedenfalls mehr, die zum Beeindruckendsten gehören, was deutschsprachige Lyrik nach dem Zweiten Weltkrieg zu bieten hat." (Ernst Nef/Neue Zürcher Zeitung)
Anläßlich seines zwanzigsten Todestags erscheint dieser Band mit seinen Gesammelten Gedichten.
"Wenn zwei oder drei seiner Gedichte Bestand haben würden, wäre das schon ungeheuer, hat Brambach gemeint. Da war er bescheiden wie immer, zu bescheiden: für mich sind es jedenfalls mehr, die zum Beeindruckendsten gehören, was deutschsprachige Lyrik nach dem Zweiten Weltkrieg zu bieten hat." (Ernst Nef/Neue Zürcher Zeitung)
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.03.2004Was der Nußbaum verschweigt
Der Dichter war immer der Gärtner: Rainer Brambachs Verse
"Ein Gedicht schreiben / ohne Ballast". Das war das erklärte Ziel des Lyrikers Rainer Brambach, der vor zwanzig Jahren starb. Viel Ballast hat er tatsächlich nicht hinterlassen, dieser Basler Dichter, der 1917 geboren wurde, ein unstetes Leben mit vielen Berufen führte und in seinen Liedern gern die Rolle eines Vaganten eingenommen hat: "Wenn wir trinken, bleiben wir beständig: / willst du, Leser, dich nicht ein wenig zu uns hocken?"
Die Einladung lohnt sich. Brambachs lyrisches OEuvre ist schmal, doch die rund 140 Gedichte, die er als gut genug für den Druck befand, geben Anlaß für vielfältige Entdeckungen. Übermütige Kneipenlieder finden sich darunter und melancholische Alltagsbeschreibungen, verhaltene Liebeserklärungen und vor allem Naturgedichte. Brambach kennt die lyrische Tradition sehr genau, in die er sich stellt, er zitiert Hölderlin, variiert Reim und Metrum romantischer Gedichte und umspielt in vielen Formen den lakonischen Ton Günter Eichs, der seine lyrischen Anfänge freundschaftlich unterstützt hat.
Epigonales gibt es dennoch nicht in Brambachs Versen, denn es gelingt ihm, die Widersprüche moderner Naturerfahrung in unverbrauchten Bildern darzustellen: "Das blaue Band, wie Mörike es sah, / flatternd in den Lüften, wo? / Ich sehe einen Kondensstreifen / quer über den Himmel gezogen." Am Ende kann aber auch die Flugzeugtechnik nicht das Lied eines Vogels übertönen, das "unsäglich" bleibt, unübersetzbar in die Sprache nüchterner Rationalität: "aber die Amsel ist abends immer da / auf dem First gegenüber singt sie ihr Lied / unsäglich".
Bei aller Freude über die Natürlichkeit von Tier- und Pflanzenwelt blieb Brambach skeptisch gegenüber einem mystischen Naturvertrauen: "Vierblättriger Klee bleibt Grünfutter, das weiß auch das Kind im Haus. / Und das Hufeisen über dem Stall / gehörte dem Ackergaul, der umfiel und starb und sonst nichts." Sonst nichts - klarer hätte Brambach den Unterschied zwischen sich und den nur wenig älteren Dichtern der naturmagischen Schule kaum benennen können. Wo Oskar Loerke, Georg Britting oder auch der junge Günter Eich in ihren Naturbeschreibungen eine geheime Botschaft hinter den realen Erscheinungen zu ergründen hofften, hält die Natur in Brambachs Gedichten keine verschlüsselten Nachrichten bereit. Selbst der Gärtner "wird niemals erfahren, / was der Nußbaum verschweigt, / der am Nachmittag fallen muß".
In der Rolle des Gärtners hat Brambach sich gern porträtiert und damit einen seiner vielen Berufe zur poetischen Metapher gewendet. Das handwerkliche Können wog für ihn mehr als die dichterische Inspiration, und das horazische Lob des Poeten, der seiner Nachwelt ein Werk, dauerhafter als Erz, hinterläßt, wandelt sich bei ihm zur stolzen Selbstvergewisserung: "Ich war ein Gartenbauarbeiter, / ich habe Bleibendes geschaffen." An anderer Stelle vergleicht Brambach das Schaffen des Dichters mit dem eines Steinmetzes, der "über Granit gebeugt" seiner schweißtreibenden Arbeit nachgeht und mühsam das widerspenstige Material zu formen versucht. Das entstehende Gedicht gleicht einem Werkstück, das in der Alltagswelt seinen angemessenen Ort hat. Für Elfenbeintürme gibt es auf dieser poetischen Landkarte keinen Platz: "Ich schreibe Gedichte auf den Rummelplätzen, / in Museen, Kasernen und Zoologischen Gärten. / Ich schreibe überall, / wo Menschen und Tiere sich ähnlich werden." So verkündet es programmatisch das erste Gedicht der Sammlung.
Häufiger als die Tierparks beschreibt Brambach dann allerdings doch die Kneipen, Bistros und Beizen seiner Heimatstadt, in denen er seine Freunde traf. "Bevor du heimgehst, schau in den ,Goldenden Stern' / wer sitzt da schreibend und allein: der Frank!" Gemeint ist, so erläutert es die Widmung, der fast dreißig Jahre jüngere Frank Geerk, der bis heute in Basel lebt und 1989 eine Sammlung von Brambachs Gedichten mit dem idyllischen Titel "Heiterkeit im Garten" herausbrachte.
Auch Hans Bender, der Herausgeber dieser neuen Gesamtausgabe, war ein Freund Rainer Brambachs. 1954 hatte er Texte des damals noch unbekannten Dichters in der ersten Nummer seiner "Akzente" abgedruckt, woraus eine enge Verbindung zwischen den beiden fast Gleichaltrigen erwuchs, die bis zu Brambachs frühem Tod Bestand hatte. Ein Briefgedicht beschreibt diese Freundschaft; es zeigt den homme des lettres als verläßlichen Gefährten des poetischen Gärtners: "Für dich der Tisch, das Papier / und die verläßliche Feder - / Für mich die Axt, / ich mag Trauerweiden nicht. / Was sind das für Bäume, / die zu Boden zeigen, Hans / seit Straßburg neben mir unterwegs / auf dieser Erde."
SABINE DOERING
Rainer Brambach: "Gesammelte Gedichte". Mit einem Nachwort von Hans Bender. Diogenes Verlag, Zürich 2003. 182 S., geb., 16,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Dichter war immer der Gärtner: Rainer Brambachs Verse
"Ein Gedicht schreiben / ohne Ballast". Das war das erklärte Ziel des Lyrikers Rainer Brambach, der vor zwanzig Jahren starb. Viel Ballast hat er tatsächlich nicht hinterlassen, dieser Basler Dichter, der 1917 geboren wurde, ein unstetes Leben mit vielen Berufen führte und in seinen Liedern gern die Rolle eines Vaganten eingenommen hat: "Wenn wir trinken, bleiben wir beständig: / willst du, Leser, dich nicht ein wenig zu uns hocken?"
Die Einladung lohnt sich. Brambachs lyrisches OEuvre ist schmal, doch die rund 140 Gedichte, die er als gut genug für den Druck befand, geben Anlaß für vielfältige Entdeckungen. Übermütige Kneipenlieder finden sich darunter und melancholische Alltagsbeschreibungen, verhaltene Liebeserklärungen und vor allem Naturgedichte. Brambach kennt die lyrische Tradition sehr genau, in die er sich stellt, er zitiert Hölderlin, variiert Reim und Metrum romantischer Gedichte und umspielt in vielen Formen den lakonischen Ton Günter Eichs, der seine lyrischen Anfänge freundschaftlich unterstützt hat.
Epigonales gibt es dennoch nicht in Brambachs Versen, denn es gelingt ihm, die Widersprüche moderner Naturerfahrung in unverbrauchten Bildern darzustellen: "Das blaue Band, wie Mörike es sah, / flatternd in den Lüften, wo? / Ich sehe einen Kondensstreifen / quer über den Himmel gezogen." Am Ende kann aber auch die Flugzeugtechnik nicht das Lied eines Vogels übertönen, das "unsäglich" bleibt, unübersetzbar in die Sprache nüchterner Rationalität: "aber die Amsel ist abends immer da / auf dem First gegenüber singt sie ihr Lied / unsäglich".
Bei aller Freude über die Natürlichkeit von Tier- und Pflanzenwelt blieb Brambach skeptisch gegenüber einem mystischen Naturvertrauen: "Vierblättriger Klee bleibt Grünfutter, das weiß auch das Kind im Haus. / Und das Hufeisen über dem Stall / gehörte dem Ackergaul, der umfiel und starb und sonst nichts." Sonst nichts - klarer hätte Brambach den Unterschied zwischen sich und den nur wenig älteren Dichtern der naturmagischen Schule kaum benennen können. Wo Oskar Loerke, Georg Britting oder auch der junge Günter Eich in ihren Naturbeschreibungen eine geheime Botschaft hinter den realen Erscheinungen zu ergründen hofften, hält die Natur in Brambachs Gedichten keine verschlüsselten Nachrichten bereit. Selbst der Gärtner "wird niemals erfahren, / was der Nußbaum verschweigt, / der am Nachmittag fallen muß".
In der Rolle des Gärtners hat Brambach sich gern porträtiert und damit einen seiner vielen Berufe zur poetischen Metapher gewendet. Das handwerkliche Können wog für ihn mehr als die dichterische Inspiration, und das horazische Lob des Poeten, der seiner Nachwelt ein Werk, dauerhafter als Erz, hinterläßt, wandelt sich bei ihm zur stolzen Selbstvergewisserung: "Ich war ein Gartenbauarbeiter, / ich habe Bleibendes geschaffen." An anderer Stelle vergleicht Brambach das Schaffen des Dichters mit dem eines Steinmetzes, der "über Granit gebeugt" seiner schweißtreibenden Arbeit nachgeht und mühsam das widerspenstige Material zu formen versucht. Das entstehende Gedicht gleicht einem Werkstück, das in der Alltagswelt seinen angemessenen Ort hat. Für Elfenbeintürme gibt es auf dieser poetischen Landkarte keinen Platz: "Ich schreibe Gedichte auf den Rummelplätzen, / in Museen, Kasernen und Zoologischen Gärten. / Ich schreibe überall, / wo Menschen und Tiere sich ähnlich werden." So verkündet es programmatisch das erste Gedicht der Sammlung.
Häufiger als die Tierparks beschreibt Brambach dann allerdings doch die Kneipen, Bistros und Beizen seiner Heimatstadt, in denen er seine Freunde traf. "Bevor du heimgehst, schau in den ,Goldenden Stern' / wer sitzt da schreibend und allein: der Frank!" Gemeint ist, so erläutert es die Widmung, der fast dreißig Jahre jüngere Frank Geerk, der bis heute in Basel lebt und 1989 eine Sammlung von Brambachs Gedichten mit dem idyllischen Titel "Heiterkeit im Garten" herausbrachte.
Auch Hans Bender, der Herausgeber dieser neuen Gesamtausgabe, war ein Freund Rainer Brambachs. 1954 hatte er Texte des damals noch unbekannten Dichters in der ersten Nummer seiner "Akzente" abgedruckt, woraus eine enge Verbindung zwischen den beiden fast Gleichaltrigen erwuchs, die bis zu Brambachs frühem Tod Bestand hatte. Ein Briefgedicht beschreibt diese Freundschaft; es zeigt den homme des lettres als verläßlichen Gefährten des poetischen Gärtners: "Für dich der Tisch, das Papier / und die verläßliche Feder - / Für mich die Axt, / ich mag Trauerweiden nicht. / Was sind das für Bäume, / die zu Boden zeigen, Hans / seit Straßburg neben mir unterwegs / auf dieser Erde."
SABINE DOERING
Rainer Brambach: "Gesammelte Gedichte". Mit einem Nachwort von Hans Bender. Diogenes Verlag, Zürich 2003. 182 S., geb., 16,90 [Euro].
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»Ein Lyriker außerhalb der Moden, der Cliquen, der Tendenzen. Ein OEuvre, das bleiben wird.« Hans-Jürgen Heise / Die Zeit Die Zeit