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Er war das jüngste Gründungsmitglied der Gruppe 47, hochgelobt von Dichtern wie Thomas Mann, Gottfried Benn und Heinrich Böll. Er schrieb Liebesgedichte, in denen die Liebe nicht benannt wird, und die vorsichtigsten und zerbrechlichsten Verse der deutschen Nachkriegsliteratur. Zeit seines Lebens blieb er ein Autor für Kenner und Eingeweihte, ein immer im Verschwinden begriffener Riese. Sein lyrisches Werk wuchs in die Tiefe statt in die Breite und liegt nun - ergänzt um bisher unveröffentlichte Texte und ein Nachwort von Albert von Schirnding - mit diesem Band erstmals gesammelt vor.

Produktbeschreibung
Er war das jüngste Gründungsmitglied der Gruppe 47, hochgelobt von Dichtern wie Thomas Mann, Gottfried Benn und Heinrich Böll. Er schrieb Liebesgedichte, in denen die Liebe nicht benannt wird, und die vorsichtigsten und zerbrechlichsten Verse der deutschen Nachkriegsliteratur. Zeit seines Lebens blieb er ein Autor für Kenner und Eingeweihte, ein immer im Verschwinden begriffener Riese. Sein lyrisches Werk wuchs in die Tiefe statt in die Breite und liegt nun - ergänzt um bisher unveröffentlichte Texte und ein Nachwort von Albert von Schirnding - mit diesem Band erstmals gesammelt vor.
Autorenporträt
Wolfgang Bächler, geboren 1925 in Augsburg, gestorben 2007 in München, gilt als einer der wichtisten deutschsprachigen Lyriker; auch seine Prosa, darunter die 'Traumprotokolle', wurde hochgerühmt. Nach Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft studierte er in München Literatur- und Theaterwissenschaft und war der jüngste Mitbegründer der Gruppe 47. 1956 ging er nach Paris und später ins Elsaß; von 1967 bis zu seinem Tod lebte er in München.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Sabine Doering vermutet, dass nur noch eine Handvoll Menschen weiß, wer Wolfgang Bächler war: Nachkriegsdichter, der jüngste Teilnehmer des ersten Treffens der Gruppe 47, "ein bisschen Rilke, ein wenig George und recht viel Pathos", verrät die Rezensentin. Später konnte sich Bächler aber aus den strikten Formzwängen befreien, Gottfried Benn sei Dank, erklärt Doering, der die späteren Werke besser zu gefallen scheinen, beispielsweise "Erinnerungen an Budapest", in dem der Dichter lässig Deutsch, Ungarisch, Französisch, Italienisch und Griechisch zu einem "Idiom moderner Europäer" mischt. Mit fortschreitendem Alter wurde Bächler allerdings zunehmend depressiv, bedauert Doering. Sie findet es bedrückend, wie sehr der Dichter versuchte, sich schreibend gegen seine Melancholie zu wehren: "Durch Wiesenschaumkraut und Weizenwogen / treibt das Wrack eines Kirchenschiffs / mit zerbrochenem Mast und geborstenem Bug / aus gotischer Zeit in unsere Zeit, / von Priestern und Betern verlassen" Nicht nur für jene, denen Bächler kein Begriff mehr ist, gibt es in diesem Band einiges zu entdecken, verspricht die Rezensentin.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.01.2013

Riesenknie
Wolfgang Bächlers Lyrik

"Die Erde bebt noch von den Stiefeltritten." Mit dieser Diagnose, deren rhythmisches Ebenmaß perfekt dem beschriebenen militärischen Gleichschritt entspricht, traf der junge Wolfgang Bächler den lyrischen Geschmack der Nachkriegszeit; noch heute kann man sie in Gedichtanthologien finden. Mit achtzehn wurde der bayerische Abiturient 1943 zum Arbeits- und Kriegsdienst eingezogen, nach schweren Verwundungen in Frankreich erlebte er das Kriegsende im Lazarett. Bald darauf war er der jüngste Teilnehmer beim ersten Treffen der Gruppe 47, wo seine Lyrik - ganz im Stil der Vorkriegsdichtung: ein bisschen Rilke, ein wenig George und recht viel Pathos - große Zustimmung fand.

"Als ich Soldat war, schrieb ich kein Gedicht", bekannte Bächler 1950 in seinem ersten Gedichtband "Zisterne", der der Erfahrung des Krieges antithetisch die einst vertraute bürgerliche Welt entgegenstellt. Allein der Wohlklang des Reims schien geeignet, den erlebten Schrecken zu bannen: "Die Verse schliefen irgendwo daheim. / Das Blut floss stumm, gerann zu schwarzem Seim." Was für heutige Ohren schlicht und recht epigonal klingt, rief damals breites Echo hervor; Bächler galt als ein großes dichterisches Talent in der jungen Bundesrepublik.

Später fand der früh so Gelobte zu einem selbständigeren und originelleren Ton; die Begegnung mit den Gedichten Gottfried Benns und die Übersiedlung nach Frankreich, wo er von 1956 bis 1966 lebte, lösten ihn aus den strengen Formzwängen. Diese Entwicklung lässt sich in der gediegenen Ausgabe verfolgen, die fünf Jahre nach Bächlers Tod nun erstmals seine gesamte Lyrik präsentiert. Es ist eine willkommene Zusammenstellung, zumal Bächler heute nur noch wenigen bekannt sein dürfte. Die Ausgabe ermöglicht zudem erstaunliche Entdeckungen.

Das große freirhythmische Gedicht "Erinnerungen an Budapest" etwa, das im Dezember 1956 entstand und den "verhafteten ungarischen Freunden und Gastgebern gewidmet" ist, erzählt in ausholenden ruhigen Satzbögen von Besuchen Bächlers bei ungarischen Intellektuellen. Besonderen Charme entfaltet dieser autobiographische Bericht durch die urbane Lässigkeit, mit der hier im Parlando-Stil Sprachen gemischt werden. Deutsch, Ungarisch, Französisch, Italienisch und Griechisch vereinen sich zum Idiom moderner Europäer, die sich nicht durch die politische Wirklichkeit einengen lassen wollen: "Budapest / das waren für mich die Ufer der Donau, Ballada, / Tema con variazoni, das Tátrai-Quartett, / die Ady-Lieder von Bartók, der blinde Sänger Ungár Imre, / hereingeführt auf die Bühne, und Báthy Anna: / ,Allein mit dem Meer - Három öszi könnycsepp' / ,Nem mehetek hozzád - Ich kam nicht zu dir' / ,Az ágyam hivogat' und ,Duók két hegedüre'. / In der Pause sein Schüler Kosma, der Heimweg / Mit Georg Lukács und seiner Gattin. Budapest!"

Es kostete Wolfgang Bächler später offenbar immer größere Anstrengung, zu dieser heiteren Leichtigkeit seiner mittleren Jahre zu finden. Jahrzehntelang litt er an schweren Depressionen und veröffentlichte seit den achtziger Jahren kaum noch neue Texte. Schon früh war in Bächlers Gedichten häufiger vom Herbst als vom Frühling die Rede, auch die Kirchen als traditionelle Stätten des Trostes wurden dem Verfall preisgegeben: "Durch Wiesenschaumkraut und Weizenwogen / treibt das Wrack eines Kirchenschiffs / mit zerbrochenem Mast und geborstenem Bug / aus gotischer Zeit in unsere Zeit, / von Priestern und Betern verlassen."

Beständiger als alte Verheißungen vom Glück sind für Wolfgang Bächler die Tröstungen, die der Sprache innewohnen; hierin ist er sich über die Jahre hinweg treu geblieben. Klang und Rhythmus vermögen dort noch etwas Halt zu geben, wo andere Mittel versagen: "Mit verdorrten Händen liege ich da, mit verholztem Körper / und verwachsenem Mund, / verriegelt, versiegelt, / ein Riesenknie auf der Brust." Es ist beklemmend zu verfolgen, wie sehr sich Bächler gegen die erdrückende Erfahrung der Melancholie immer wieder schreibend zur Wehr zu setzen versuchte, obwohl er die Verlockung des Verstummens oft verspürte: "Ausbrechen / in die Freiheit des Schweigens", lauten die programmatischen Schlussverse des Bandes "Ausbrechen", der 1976 erschien. Die Ängste freilich kehrten zurück: "Der Raum vergewaltigt uns. / Wird uns die Zeit befreien?" Diese bange Frage stellte er sechs Jahre später.

Gegen die Schatten der Depression, deren Folgen Wolfgang Bächler in immer neuen Bildern darzustellen versuchte, vermochte die Zeit offenbar nur wenig auszurichten. Viele seiner Verse haben jedoch die Prüfung durch die Zeit überstanden, sie wirken heute noch erstaunlich unverbraucht. Ein weithin vergessener Lyriker ist mit dieser Ausgabe neu zu entdecken.

SABINE DOERING

Wolfgang Bächler: "Gesammelte Gedichte".

Hrsg. von Katja Bächler und Jürgen Hosemann. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2012. 396 S., geb., 17,- [Euro].

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