Hans Maiers "Gesammelte Schriften" - der abschließende Band
Das gängige Bild von den obrigkeitsfixierten, gehorsamswilligen Deutschen kontrastiert in seltsamer Weise mit dem Bild der freiheitsliebenden Deutschen, das in Europa bis zum 18., ja bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts vorherrschte. Seit den sechziger Jahren ist Hans Maier diesem Grundthema der deutschen Geschichte immer wieder in grundlegenden Aufsätzen nachgegangen und hat das spannungsreiche Verhältnis der Deutschen zu Obrigkeitsstaat und Freiheit durchleuchtet. Ein zweites großes Thema seiner historischen Abhandlungen ist die Schnittstelle zwischen der gelehrten Welt und der Politik, die er in ganz unterschiedlichen Epochen, vom 16. Jahrhundert bis zum Nationalsozialismus, in den Blick genommen hat. Nicht zuletzt aber gehören seine Beiträge zur deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts zu den Glanzstücken dieses fünften und abschließenden Bandes der "Gesammelten Schriften" von Hans Maier.
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Das gängige Bild von den obrigkeitsfixierten, gehorsamswilligen Deutschen kontrastiert in seltsamer Weise mit dem Bild der freiheitsliebenden Deutschen, das in Europa bis zum 18., ja bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts vorherrschte. Seit den sechziger Jahren ist Hans Maier diesem Grundthema der deutschen Geschichte immer wieder in grundlegenden Aufsätzen nachgegangen und hat das spannungsreiche Verhältnis der Deutschen zu Obrigkeitsstaat und Freiheit durchleuchtet. Ein zweites großes Thema seiner historischen Abhandlungen ist die Schnittstelle zwischen der gelehrten Welt und der Politik, die er in ganz unterschiedlichen Epochen, vom 16. Jahrhundert bis zum Nationalsozialismus, in den Blick genommen hat. Nicht zuletzt aber gehören seine Beiträge zur deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts zu den Glanzstücken dieses fünften und abschließenden Bandes der "Gesammelten Schriften" von Hans Maier.
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Hans Maier schließt seine Gesammelten Schriften mit Beiträgen zur Geschichte ab
Im kommenden Juni wird Hans Maier, Emeritus für Politische Wissenschaft in München und Staatsminister für Unterricht und Kultus von 1970 bis 1986 unter den Ministerpräsidenten Alfons Goppel und Franz Josef Strauß, achtzig Jahre alt. Der Ehrentag wird doppelt vorbereitet: zum einen durch Memoiren, die für das Frühjahr 2011 angekündigt sind, zum anderen durch eine Werkschau. Nach "Revolution und Kirche", "Politische Religionen", "Kultur und Politische Welt" und "Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre" liegt jetzt "Die Deutschen und ihre Geschichte" vor - laut Verlag, dem der Leser diesbezüglich gar nicht folgen möchte, der "abschließende Band".
Fünfzehn Glanzstücke, entstanden zwischen 1964 und 2007, widmen sich dem Bürger im Obrigkeitsstaat, den Voraussetzungen des Sozialstaates, der Universitätsgeschichte allgemein und der nationalsozialistischen Hochschulpolitik sowie Weichenstellungen im 20. Jahrhundert. Hier vergleicht Maier die Stimmung bei den Kriegsanfängen von 1914 und 1939: hochfliegend der eine, tonlos der andere: "Sieht man von wenigen unverbesserlichen Nazi-Barden ab, so ist der Beginn des Zweiten Weltkriegs in Deutschland kaum verklärt und kaum gefeiert, eher wie ein übermächtiges Schicksal somnambul und passiv hingenommen worden." Das änderte sich wenige Monate später mit Hitlers Siegen im Jahr 1940.
Mit dem 8. Mai 1945 setzt sich ein eigener Beitrag auseinander und knüpft an das berühmte Diktum von Theodor Heuss an: "erlöst und vernichtet in einem". Für Maier wurden die Deutschen "geschlagen und befreit", und zwar "befreit von einem Regime, das sie aus eigener Kraft nicht abzuschütteln in der Lage waren, befreit durch Völker, die ihre Kriegsgegner waren und deren Sieg der bittere, aber notwendige Preis für das Ende der eigenen Unterdrückung war". Eine solche Einsicht sei 1945 noch keineswegs Allgemeingut gewesen: "Wie hätten auch Geschlagene, Gefangene, Enteignete, in die Flucht Getriebene, mit dem Tod Bedrohte - und in dieser Lage waren damals Millionen Deutsche - erkennen können, dass die ,befreit' worden waren?" Es bedurfte einiger Zeit - so Maier -, bis dann die Mehrheit der Deutschen die neueröffneten Chancen der Geschichte zu erkennen vermochte, im Bonner Staat, dessen "Tendenz zur Beschränkung, Zähmung, Minimalisierung der Staatsmacht" kaum zu übersehen gewesen sei.
Zu den schlimmsten Hinterlassenschaften des Nationalsozialismus zähle auch "der Missbrauch und die ihm folgende Diskreditierung des Normalen", weil Hitler nicht allein durch Drohungen und Terror seine Erfolge errang, sondern zudem Gefühle, Opfersinn, Anhänglichkeit der Massen, die Begeisterung der Jugend ausbeutete. Dennoch warnte Maier schon 1995 vor einer Tabuisierung des Nationalen. Ein "aufgeklärter Patriotismus" müsse den Dialog suchen und alles daransetzen, die von Hitler missbrauchten Gefühle und Symbole zurückzufordern "für den alltäglichen Gebrauch, ohne den keine Demokratie auskommen kann".
In einer exzellenten Studie über Spuren der Adenauer-Zeit in Literatur und Publizistik arbeitet Maier das "Unverhältnis" zwischen dem Alten in Bonn und den vielen Schreibenden im Land heraus. Nur Hermann Lenz bilde mit seinen Eugen-Rapp-Romanen und dem "sympathisch-offenen Bekenntnis" zu Adenauer eine Ausnahme. Sprache und Zeitgefühl stehen im Zentrum vieler erhellender Beiträge, die Maiers ausgeprägtes Misstrauen gegen alte und neue Parolen spüren lassen - bis hin zur Freude des großen Formulierungsmeisters darüber, dass von oben verordneter Sprachgebrauch doch einstürzen konnte: "Überhaupt war das Wörtlichnehmen von Worten, das Bestehen auf dem in ihnen angelegten und gemeinten Sinn bei den revolutionären Vorgängen im Warschauer Pakt von 1980 an ein starker Hebel in der Hand der Ohnmächtigen."
RAINER BLASIUS
Hans Maier: Die Deutschen und ihre Geschichte. Mit einem Nachwort von Hans-Peter Schwarz. Gesammelte Schriften, Band 5. Verlag C. H. Beck, München 2010. 388 S., 48,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Lektüre für ideenlose Unionsparteien sieht Jens Hacke in diesem fünften Band der gesammelten Schriften des Politikwissenschaftlers Hans Maier. Was ein leichthändiger und doch gelehriger Liberalkonservatismus ohne nationale Überheblichkeiten ist, kann er Maiers ideengeschichtlichen Schriften zur Genese eines deutschen Staatsmodells und zur politischen Kultur in Deutschland entnehmen. Klar und einsichtig erscheint ihm, wie der Autor den Sozialstaat rekonstruiert und verteidigt gegen Trends. Nicht weniger beeindrucken ihn Maiers moralisch sensible Einlassungen zu dunkleren Themen, wie der nationalsozialistischen Hochschulpolitik, die für ihn noch immer aktuell sind.
© Perlentaucher Medien GmbH
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