Lyrik war über 200 Jahre lang der Gradmesser individueller Befindlichkeit. Im Reim, in der Rhythmik der Sprache, in der Musikalität der Bilder - in der Tonalität des Gedichtes insgesamt kam zum Ausdruck, was sich nur in diesem Medium vermitteln ließ.Dieser Band beleuchtet die Glanzzeit deutscher Lyrik und erweckt sie damit zum Leben - fesselnd geschrieben von einem Kenner der historischen Szenerie, eben dieser 200 Jahre von Goethe bis Celan. Im Hintergrund spricht immer der existenziell engagierte Lyriker Bruno Hillebrand, wenn er den Dichtern begegnet, von Goethe über Schiller, Hölderlin, Novalis und Eichendorff, Heine und Nietzsche, Hofmannsthal, George und Rilke, Benn und Brecht bis hin zu Eich, Bobrowski, Bachmann und Celan.Die Dichter werden gerade auch biographisch und mit Bezug auf ihre literarische Umwelt behandelt. Sammelbewegungen wie der Expressionismus und Dadaismus, die Gruppe 47 oder die Konkrete Poesie werden in ihren Verflechtungen gesondert. Immer sind ausführliche Beispiele beigegeben in Form von Gedichten, Manifesten, Briefen etc. In diesem Buch wird nicht interpretiert, sondern ein historisches Panorama ausgeleuchtet.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.12.2009Summe des Lebens
Man kann noch so viel über Methoden diskutieren und die Literaturgeschichte in Hand- und Lehrbücher abpacken, bis der Bologna-Generation endgültig Hören und Sehen und vor allem das kritische Urteilen vergeht. Entscheidend ist, ob wir zu historischen Textphänomenen überhaupt noch eine Beziehung entwickeln können, die über das trockene Kartieren und Konstatieren hinausgeht. Eine aufregende Sache ist es vor diesem Hintergrund, die deutsche Lyrik von 1770 bis 1970 zu betrachten, also die Epoche des Individualismus und ihrer Ausdrucksformen Revue passieren zu lassen. Welche Ansichten, welche Folgerungen ergeben sich daraus für uns heute? Gerade das ist eine Frage, die Literaturwissenschaft heute so gut wie nicht mehr beantwortet. Wohltuend nimmt sich demgegenüber der große Essay aus, den Bruno Hillebrand jetzt nach fast zwanzigjähriger Arbeit über den Spannungsbogen der Lyrik zwischen Goethe und Celan vorgelegt hat. Es ist das Buch eines Lyrikers, der selbst noch aus den Restbeständen dessen argumentiert, was er im Verlauf der vergangenen zweihundert Jahre sukzessive verschwinden sieht. Der große Gesang, den Goethe anstimmt, den die Romantik weiterträgt und den Heine so hinreißend persifliert, mündet im zwanzigsten Jahrhundert ins Verstummen. Wer wissen will, wie es dazu kam, nicht nur in einem historisch-politischen Sinne, sondern gerade auch aus dem Sprachbegehren der Dichter heraus, dem sei dieses Buch anempfohlen. Vieles ist hier versammelt, was man sonst nur verstreut in den verschiedensten Poetiken findet. Nicht allem stimmt man zu, der Autor fordert heraus, spitzt zu, gibt sich oft genug als intellektueller Provokateur. Man hat es hier also nicht mit einem Lehrbuch zu tun und auch nicht mit einem im engeren Sinne wissenschaftlichen Werk. Zweifellos aber ist es die Summe eines Lebens als Lyriker und Essayist und zugleich die minutiöse Rekonstruktion der existentiellen Substanz, die im lyrischen Sprechen seit Menschengedenken angesiedelt war und die mit und nach Goethe auf eine wahrhaft ekstatische und dramatische Bahn geraten ist. (Bruno Hillebrand: "Gesang und Abgesang deutscher Lyrik von Goethe bis Celan". Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010. 590 S., geb., 74,- [Euro].) schär
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Man kann noch so viel über Methoden diskutieren und die Literaturgeschichte in Hand- und Lehrbücher abpacken, bis der Bologna-Generation endgültig Hören und Sehen und vor allem das kritische Urteilen vergeht. Entscheidend ist, ob wir zu historischen Textphänomenen überhaupt noch eine Beziehung entwickeln können, die über das trockene Kartieren und Konstatieren hinausgeht. Eine aufregende Sache ist es vor diesem Hintergrund, die deutsche Lyrik von 1770 bis 1970 zu betrachten, also die Epoche des Individualismus und ihrer Ausdrucksformen Revue passieren zu lassen. Welche Ansichten, welche Folgerungen ergeben sich daraus für uns heute? Gerade das ist eine Frage, die Literaturwissenschaft heute so gut wie nicht mehr beantwortet. Wohltuend nimmt sich demgegenüber der große Essay aus, den Bruno Hillebrand jetzt nach fast zwanzigjähriger Arbeit über den Spannungsbogen der Lyrik zwischen Goethe und Celan vorgelegt hat. Es ist das Buch eines Lyrikers, der selbst noch aus den Restbeständen dessen argumentiert, was er im Verlauf der vergangenen zweihundert Jahre sukzessive verschwinden sieht. Der große Gesang, den Goethe anstimmt, den die Romantik weiterträgt und den Heine so hinreißend persifliert, mündet im zwanzigsten Jahrhundert ins Verstummen. Wer wissen will, wie es dazu kam, nicht nur in einem historisch-politischen Sinne, sondern gerade auch aus dem Sprachbegehren der Dichter heraus, dem sei dieses Buch anempfohlen. Vieles ist hier versammelt, was man sonst nur verstreut in den verschiedensten Poetiken findet. Nicht allem stimmt man zu, der Autor fordert heraus, spitzt zu, gibt sich oft genug als intellektueller Provokateur. Man hat es hier also nicht mit einem Lehrbuch zu tun und auch nicht mit einem im engeren Sinne wissenschaftlichen Werk. Zweifellos aber ist es die Summe eines Lebens als Lyriker und Essayist und zugleich die minutiöse Rekonstruktion der existentiellen Substanz, die im lyrischen Sprechen seit Menschengedenken angesiedelt war und die mit und nach Goethe auf eine wahrhaft ekstatische und dramatische Bahn geraten ist. (Bruno Hillebrand: "Gesang und Abgesang deutscher Lyrik von Goethe bis Celan". Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010. 590 S., geb., 74,- [Euro].) schär
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