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Der Roman schildert das Schicksal des Engländers Stephen Wraysford während des Ersten Weltkriegs. Er ist Leutnant und liegt mit seiner Einheit in Frankreich an der Somme, wo er eine der größten Schlachten dieses Krieges miterlebt. Unvermutet wechselt dann der Schauplatz der Handlung von den Schlachtfeldern Flanderns in das England des Jahres 1978. Aus Anlaß des 60. Jahrestags des Waffenstillstands beginnt eine junge Frau, Nachforschungen über ihren Großvater Stephen anzustellen, der an dem schrecklichen Kriegsgeschehen beteiligt war.

Produktbeschreibung
Der Roman schildert das Schicksal des Engländers Stephen Wraysford während des Ersten Weltkriegs. Er ist Leutnant und liegt mit seiner Einheit in Frankreich an der Somme, wo er eine der größten Schlachten dieses Krieges miterlebt. Unvermutet wechselt dann der Schauplatz der Handlung von den Schlachtfeldern Flanderns in das England des Jahres 1978. Aus Anlaß des 60. Jahrestags des Waffenstillstands beginnt eine junge Frau, Nachforschungen über ihren Großvater Stephen anzustellen, der an dem schrecklichen Kriegsgeschehen beteiligt war.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.05.1998

Die große Trostgemeinschaft
Volles Orchester: Sebastian Faulks erzählt vom Ersten Weltkrieg

In England und Frankreich heißt der Erste Weltkrieg der "Große Krieg": Die Apokalypse läßt sich nicht numerieren. Immer wieder, von Siegfrid Sassoon bis Pat Barker, haben die Schrecken dieses Krieges Dichter nach Worten suchen lassen, nach Wegen, sich dem Unbeschreiblichen anzunähern.

Gänzlich unbeschwert von jeglichen Zweifeln an der Erzählbarkeit des Schreckens, macht sich der britische Autor Sebastian Faulks ans Werk. Mit beinahe naiv anmutender erzählerischer Geradlinigkeit führt sein jetzt auch auf deutsch erschienener Roman "Gesang vom Großen Feuer" mitten hinein in die Große Geschichte, schlägt einen weiten Bogen von der Jahrhundertwende über den Ersten Weltkrieg bis in die siebziger Jahre. Faulks erzählt streng konventionell; auf die relativierende Wirkung von Ironie und Humor verzichtet er zugunsten ungebrochener Erschütterung.

Der englische Originaltitel "Birdsong" schlägt zwar einen stilleren Ton an als die Übersetzung mit ihrer Verheißung eines homerischen Gesanges, aber das Pathos des deutschen Titels trifft Faulks' Erzählgestus eigentlich besser. Bei ihm kann man sich rühren lassen von den großen Themen der Leidenschaft zwischen Mann und Frau, der Freundschaft zwischen Kameraden, der Mutterliebe, kann sich treiben lassen im Erzählfluß. Das sind gute Voraussetzungen für einen Bestseller, und so läßt sich wohl auch die Erfolgsgeschichte des Romans begründen. In Großbritannien erreichte er Auflagenzahlen von 400000, in den Vereinigten Staaten wurden immerhin über 100000 Exemplare verkauft. Ein Film ist bereits in Arbeit.

Der Held des Romans, der junge Engländer Stephen, durchlebt in einer französischen Provinzstadt eine unglückliche Liebesaffäre mit einer verheirateten Frau. Die Verwirrung des Herzens geht einher mit den Verworrenheiten des Ersten Weltkrieges. Die Schilderungen des Kriegsgeschehens gehören zu den eindrücklichsten Passagen des Romans. In ausgebrannten Dörfern und verminten Tunneln wird Stephen Zeuge der Vernichtung einer Generation. Inmitten der Sinnlosigkeit des Krieges, begraben unter dem Schlamm des Niemandslandes, findet Stephen schließlich aus seiner Gleichgültigkeit heraus und gewinnt seine Fähigkeit zu menschlicher Anteilnahme zurück.

Diese Geschichte einer Erlösung setzt sich zwei Generationen später fort: Elizabeth, gutaussehend, erfolgreich, unzufrieden, läßt sich zum sechzigsten Jahrestag des Kriegsendes von den Ereignissen der Vergangenheit berühren und geht dem Schicksal ihres Großvaters Stephen nach. In der Trauer um die verlorene Generation stößt sie auf die Leere in ihrem eigenen Leben. Als sie unerwartet schwanger wird, schließt sich der Kreis von Leben und Sterben, Vergangenheit und Zukunft.

Dieser Illusion, daß sich Leid durch den Akt der Erinnerung und die verläßliche Erneuerungskraft des Lebens wiedergutmachen läßt, verschreibt sich der Roman blindlings. Die Geschichte des Krieges und die private Geschichte einer geglückten Sinnfindung werden zusammen erzählt, als ob sie sich gegenseitig aufwiegen könnten. In seinem bedenklichen Optimismus übertrifft Faulks dabei seine eigenen Figuren. Die Überlebenden des Krieges läßt er nämlich in seinem Roman verstummen und verdämmern. Sie können nicht mehr ins alltägliche Leben zurückfinden, und die Sprache ist ihnen abhanden gekommen, denn der erlebte Schrecken läßt sich nicht in Worte fassen. Aber was für die Figuren gilt, hält der Autor nicht durch. Indem er Elizabeth als Vertreterin der Enkelgeneration einführt und ihr die Kraft der erlösenden Anteilnahme andichtet, entläßt er den Leser in die schuldfreie Gegenwart.

Doch so bequem läßt sich Vergangenheit nicht entsorgen. Daß komplexe Zugriffe angemessener sind, zeigt ein Blick auf andere Versuche, die Erfahrungen des Großen Krieges literarisch zu verarbeiten. Die englische Autorin Pat Barker etwa verzichtet auf Konstrukte der nachträglichen Sinnstiftung. Eindringlich schildert sie in ihrer preisgekrönten Weltkriegs-Trilogie von 1991, 1993 und 1995 die psychische Zerrüttung der überlebenden Soldaten. Dabei entstehen Fragen nach Schuld und Verantwortung, die keine einfachen Antworten zulassen.

Bei Faulks dagegen lösen sich solche Verunsicherungen auf im zweifelhaften Vertrauen auf den Kreislauf des Lebens. Mit seinem fesselnd erzählten, aber letztlich simplen Sinnangebot sucht er die Drastik der Kriegserfahrung auf fragwürdige Weise zu mildern - ein Trost, wo sich Trost verbieten müßte. ANNETTE PEHNT

Sebastian Faulks: "Gesang vom Großen Feuer". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Klaus Modick. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 1997. 604 S., geb., 49,80 DM.

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