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Saisonarbeiter, Fremdarbeiter, Gastarbeiter, Flüchtlinge - jeder dieser Begriffe markiert eine Etappe in der Geschichte der deutschen Ausländerpolitik. Ausländer waren niemals nur willkommene Arbeitskräfte. Stets waren sie auch Objekte wirtschafts- und bevölkerungspolitischer Kalkulationen sowie Zielscheibe völkischer und rassistischer Diffamierungen. Erstmals zeichnet Ulrich Herbert in dieser Darstellung vom Kaiserreich bis zur Ära Kohl die Geschichte einer Politik nach, deren Ambivalenzen bis heute wirksam sind. Wer gedacht hatte, daß fremdenfeindliche Gewalttaten in Deutschland der…mehr

Produktbeschreibung
Saisonarbeiter, Fremdarbeiter, Gastarbeiter, Flüchtlinge - jeder dieser Begriffe markiert eine Etappe in der Geschichte der deutschen Ausländerpolitik. Ausländer waren niemals nur willkommene Arbeitskräfte. Stets waren sie auch Objekte wirtschafts- und bevölkerungspolitischer Kalkulationen sowie Zielscheibe völkischer und rassistischer Diffamierungen. Erstmals zeichnet Ulrich Herbert in dieser Darstellung vom Kaiserreich bis zur Ära Kohl die Geschichte einer Politik nach, deren Ambivalenzen bis heute wirksam sind. Wer gedacht hatte, daß fremdenfeindliche Gewalttaten in Deutschland der Vergangenheit angehören, der sah sich in den vergangenen Monaten eines anderen belehrt. In den neuen Bundesländern, aber keineswegs nur dort, ist ein beunruhigendes Klima der Intoleranz entstanden, das viele Ausländer in der Bundesrepublik verunsichert und nicht zum gern gepflegten Image der aufgeklärten Zivilgesellschaft passen will. Doch während die Diskussion über Ursachen und Gegenmaßnahmen endlich in Gang gekommen ist, schwankt die öffentliche Debatte über die allgemeine Ausländerpolitik auch weiterhin zwischen Integration und Abwehr, Arbeitskräftebedarf und Überfremdungsangst, Toleranz und Ausgrenzung. Auf der Suche nach einer zeitgemäßen Gestaltung der Ausländerpolitik kann das Buch des Freiburger Zeithistorikers Ulrich Herbert wichtige Orientierungshilfen bieten. Der wohl beste Kenner des Themas schildert in dieser ersten Gesamtdarstellung Wege und Irrwege der deutschen Ausländerpolitik von den Anfängen im Kaiserreich bis zur aktuellen Situation im wiedervereinigten Deutschland. Dabei wird deutlich, daß die Widersprüche der staatlichen Ausländerpolitik so alt sind wie diese selbst. Schon die polnischen Saisonarbeiter auf den ostelbischen Gütern wurden einerseits wegen " Leutemangel" ins Land geholt und andererseits mit antipolnischen Repressionen konfrontiert. Herberts gut geschriebene und spannend zu lesende Darstellung differenziert präzise zwischen Erscheinungsformen, Methoden und Instrumenten der Ausländerpolitik - bis hin zum singulären Zwangsarbeitersystem des NS-Regimes. Zugleich aber vermag sie zu zeigen, warum viele Probleme der Ausländerpolitik bis heute ungelöst geblieben sind.
Autorenporträt
Ulrich Herbert, geb. 1951, ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Freiburg. Er hat zahlreiche Publikationen insbesondere zur Geschichte der Fremdarbeiter und der Zeit des Nationalsozialismus vorgelegt. 1996 erschien die vielbeachtete Biographie Best. 1999 erhielt er den Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.10.2001

Suche nach dem einen Guß
Entwicklung der Ausländerpolitik in Deutschland 1880 bis 2000

Ulrich Herbert: Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland. Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter, Flüchtlinge. C. H. Beck Verlag, München 2001. 442 Seiten, 58,- Mark.

In der innenpolitischen Auseinandersetzung ist die komplexe Problematik der Ausländerpolitik ein Dauerthema, das in der Regel mehr emotional als rational behandelt wird. Zu einer sachgerechten Argumentation bietet die Studie von Ulrich Herbert reichlich Stoff. Dabei handelt es sich um eine überarbeitete, aber für die Zeit ab 1973 neu erarbeitete Darstellung.

Im Kaiserreich blieb die Ausländerbeschäftigung von einem Spannungsverhältnis gekennzeichnet. Auf der einen Seite bestand "Leutemangel", auf der anderen galt die Maxime, jegliche "Überfremdung" zu verhindern. Abwehrmaßnahmen unterschiedlichster Art mündeten 1908 in eine Kombination von Legitimationszwang für Auslandspolen und eine Karenzzeit durch saisonal begrenzte Arbeitsmöglichkeiten. Die allmähliche Integration der lange Zeit diskriminierten "Ruhrpolen" erfolgte über die Herausbildung eines spezifischen Sondermilieus. Das Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 schrieb die Abwehrpraxis ("ius sanguinis") für Einbürgerungen fest.

Während des Ersten Weltkrieges wurden in großem Umfang auch Kriegsgefangene als Arbeitskräfte eingesetzt, zudem weitere, zunächst in Polen zwangsweise rekrutierte Arbeiter. Das System von Reglementierung und Repression mit seiner Tendenz zur Perfektionierung führte zu einer Gewöhnung an Unterdrückungsmechanismen. In der Weimarer Instabilitätsrepublik wurden ausländische Arbeitskräfte weiterhin als konjunkturelle Reservearmee vor allem in der Landwirtschaft eingesetzt, aber rechtlich bessergestellt. 1933 war die Beschäftigung von Ausländern quantitativ unbedeutend. Erst der Beginn der Aufrüstung führte zu einem Mangel an Arbeitskräften. Das bald auftauchende Problem, mit zunehmender Beschäftigung nichtdeutscher Arbeiter gegen das ideologische Prinzip der NSDAP zu verstoßen, entschärfte sich durch deren insgesamt geringe Zahl.

Nach Kriegsbeginn 1939 führte die Entscheidung, massenweise Ausländer zu beschäftigen, nicht aber deutsche Frauen heranzuziehen, zu rasch gesteigerten Zwangsmaßnahmen für den "Ausländereinsatz" von Zivilarbeitern und Kriegsgefangenen. Disziplinierungsmaßnahmen fixierten den Status des "Herrenmenschen". Im Sommer 1944 arbeiteten etwa 7,7 Millionen Ausländer, auch als KZ-Häftlinge, im Reich, teilweise unter unmenschlichen Bedingungen. Den meisten Deutschen fehlte - auch später noch - ein Schuldbewußtsein wegen derartiger Diskriminierungen.

Nach 1945 wurden die in ihre Heimat zurückgekehrten Zwangsarbeiter durch den millionenfachen Zustrom von Ostvertriebenen und Flüchtlingen "ersetzt". Das Wirtschaftswachstum in der Bundesrepublik machte deren rasche Integration möglich, wobei die Neubürger die Voraussetzung dieses "Wunders" mit erarbeiteten. Noch in den fünfziger Jahren begann die "Ära der Gastarbeiter". Deren Folgeprobleme blieben vorerst unbeachtet und wurden auch später jeweils nur etappenweise gelöst. Der 1973 eingeführte "Anwerbestopp" für Arbeiter aus Nicht-EG-Ländern erreichte nicht sein Ziel. Das dann geltende Prinzip "Eingliederung ja - Einwanderung nein" schuf eine Integration auf Widerruf und erschwerte die Situation für die zweite Generation der Ausländer.

Bei den Einheimischen verstärkten sich Ängste und Ablehnung, vor allem bei den sozial schwachen Gruppen, bis hin zu Bedrohungsgefühlen und Ausländerfeindschaft. Mit zunehmendem Druck durch armutsorientierte Massenwanderung wurden aus Arbeitsemigranten Einwanderer. Die Ausländerpolitik der SPD/FDP-Koalition schwankte zwischen Maßnahmen zur Integration und solchen zur Förderung von Rückkehrmöglichkeiten, die der Regierung Kohl hielt zunächst an einer "Integration auf Zeit" fest. Dabei verschärfte sich das Problem türkischer Einwanderer mit der Ausweitung eines islamischen Fundamentalismus.

Bei den in den neunziger Jahren massenweise einströmenden Asylsuchenden kam es zu problematischen Überschneidungen mit der Zuwanderung deutschstämmiger "Spätaussiedler" aus den kommunistischen Staaten Osteuropas. Die Auswirkungen der Asylantenproblematik führten zur Emotionalisierung in der Bevölkerung unter dem Tenor "Deutschland ist kein Einwanderungsland". Dabei wuchs der Zuwanderungsdruck weiter auf etwa 7,3 Millionen (8,9 Prozent).

Befürchtungen vor einer multikulturellen Gesellschaft entluden sich in Gewaltaktionen, nicht zuletzt auch dort, wo die SED fremdenfeindliche Stimmungen unterdrückt hatte. Das Asylbeschleunigungsgesetz von 1991 half wenig, zumal in den folgenden Jahren schon aus demographischen Gründen "gezielte", aber quotierte Zuwanderung als notwendig galt. Der 1993 erreichte Kompromiß suchte die Zuwanderung über das Asylrecht zu lösen. Die von der rot-grünen Koalition 1999 durchgesetzte Reform des Staatsbürgerschaftsrechts beurteilt Herbert, wegen des weiterhin fehlenden Einwanderungsgesetzes, noch nicht als "Einwanderungspolitik aus einem Guß". Gleichwohl sieht er in dieser Lösung eine "historische Wende" angesichts einer insgesamt widersprüchlichen Bilanz zwischen wirtschaftlichen Zwängen und nationalen Aspekten der Zuwanderung von Ausländern.

Das Buch ist ein Beispiel für die Möglichkeit, Gegenwartsprobleme durch nüchterne Darstellung ihrer historischen Entwicklung verständlicher zu machen. Die Untersuchung ist allerdings mit zunehmender zeitlicher Annäherung an die Gegenwart nicht mehr so verdichtet wie in früheren Abschnitten. Zudem sind im Schlußkapitel Schlagzeilen einer norddeutschen Boulevardzeitung und gegenläufige Kommentare einer süddeutschen Zeitung zu oft als Belege für Pro- beziehungsweise Contra-Verhalten zur Ausländerpolitik zitiert.

RUDOLF MORSEY

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Zuwanderung nur bei blühender Konjunktur: So könnte die Kernthese des Autors Ulrich Herbert lauten. Bereits im 19. Jahrhundert sollten polnische Arbeitskräfte für Arbeit in Landwirtschaft und "aufblühendem Bergbau" angelockt werden, hat der mit "eg" zeichnende Rezensent in dieser "sehr lesenswerten" Untersuchung erfahren. Aus dem selben Grunde sind 1955 auch Italiener durch Anwerbeabkommen in die Bundesrepublik geholt worden, so eg. Doch mit stagnierendem Wachstum änderte sich die politische Ausrichtung, Deutschland hatte ein "Gastarbeiterproblem", übermittelt "eg". Besonders hebt der Rezensent hervor, dass die Studie "erhellenden Einsichten zur Kontinuität nach der Stunde Null" liefere: Italiener seien die erste nationale Gruppe von Gastarbeitern gewesen - und wurden als Zwangsarbeiter 1939-1945 besonders schlecht behandelt. Nach Kriegsende wurde der Zwangsarbeitereinsatz nach Auskunft des Autors zum "kriegsbedingten Sonderfall" verklärt.

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