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Diese Geschichte der chinesischen Literatur vermittelt dem Literaturfreund wie dem Sinologen eine verläßliche Übersicht und Orientierung. Zugleich bietet sie die Grundlage für weitergehende Studien und eignet sich durch ihre zahlreichen Textbeispiele ebenso zur Lektüre wie als Nachschlagewerk. Erstmals in deutscher Sprache wird die reichste in sich geschlossene literarische Tradition der Menschheit umfassend gewürdigt. Helwig Schmidt-Glintzer stellt in diesem Werk die Geschichte der chinesischen Literatur erstmals unter Berücksichtigung ihres gesellschaftlichen und geistesgeschichtlichen…mehr

Produktbeschreibung
Diese Geschichte der chinesischen Literatur vermittelt dem Literaturfreund wie dem Sinologen eine verläßliche Übersicht und Orientierung. Zugleich bietet sie die Grundlage für weitergehende Studien und eignet sich durch ihre zahlreichen Textbeispiele ebenso zur Lektüre wie als Nachschlagewerk. Erstmals in deutscher Sprache wird die reichste in sich geschlossene literarische Tradition der Menschheit umfassend gewürdigt. Helwig Schmidt-Glintzer stellt in diesem Werk die Geschichte der chinesischen Literatur erstmals unter Berücksichtigung ihres gesellschaftlichen und geistesgeschichtlichen Hintergrundes von ihren Anfängen bis in die Gegenwart in deutscher Sprache dar. Er beschreibt alle wesentlichen Zeugnisse der chinesischen Literatur, vom Buch der Wandlungen über Werk und Lehre des Konfuzius und der Daoisten bis hin zu den Werken der Zen-Meister, vom Jin Ping Mei bis zur Entstehung der Peking-Oper und von der revolutionären Literatur und den Dichtungen Mao Zedongs bis zur Literatur der achtziger Jahre. Er stellt die literarischen Werke in den Zusammenhang der literarischen, ästhetischen und historischen Entwicklung. Dabei werden jene Merkmale und Eigentümlichkeiten des chinesischen Geistes deutlich, die sich über mehrere Jahrtausende bewahrt haben und deren Kenntnis auch zu einem besseren Verständnis des gegenwärtigen China beiträgt.
Autorenporträt
Helwig Schmidt-Glintzer, geboren 1948, ist Direktor der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und Professor an der Universität Göttingen. Arbeitsschwerpunkt: Buddhismus und seine Geschichte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.11.2002

Kann nur noch stammeln, welch schöner Herbst unter kühlem Himmel
Die Tang-Lyrik und die verlorene Unschuld der Konvention: Wolfgang Kubins erster Band einer monumentalen neuen Literaturgeschichte Chinas

Xin Qiji war nicht gerade das, was man sich unter einem Poeten oder Intellektuellen gemeinhin vorstellt. Er war ein Mann entschlossener Taten und Worte, ein Militär, der die Chinesen im zwölften Jahrhundert (Südliche Song-Zeit) immer wieder zum Widerstand gegen die Okkupatoren im Norden aufrief. Als das scheiterte, zog er sich auf einen Landsitz zurück, wie so viele enttäuschte chinesische Amtsträger vor ihm. Doch dieser Xin Qiji schrieb außerdem Gedichte, die heute zu den bedeutendsten ihrer Zeit gezählt werden. In vielen deutschen Anthologien fehlt er gleichwohl. Auch in der umfangreichen "Geschichte der chinesischen Literatur", die der Bonner Sinologe Wolfgang Kubin jetzt herausgegeben hat, bekommt er nicht viel Platz, aber dafür einen prominenten: Er erscheint da am Ende des ersten Bands über "chinesische Dichtkunst" als letzter Vertreter der Klassik, was über die bloße Chronologie hinaus eine fast selbstironische, sich selbst unterlaufende Pointe hat.

Denn das Gedicht, das da von ihm abgedruckt ist, scheint mit all seiner Lakonie und Respektlosigkeit die ihm vorausliegende große Tradition in sich zusammenzufassen und aufzuheben: "In jungen Jahren kannte ich keine Schwermut, / Gern stieg ich auf den Söller. / Gern stieg ich auf den Söller, / Für ein neues Lied mußte ich zur Schwermut mich zwingen. // Heute kenne ich Schwermut zur Genüge, / Ich möchte sie benennen, doch breche ab. / Ich möchte sie benennen, doch breche ab, / Und sage nur, welch schöner Herbst unter kühlem Himmel."

Die "Schwermut" ist einer der beliebtesten Topoi der chinesischen Dichtung. Von den um 300 vor Christus verfaßten "Elegien von Chu" bis zu den Höhepunkten der Tang-Lyrik im achten Jahrhundert sind alle Natur- und Geschichtsbetrachtungen, die in strengen tradierten Formen die Verlorenheit des Menschen und die Vergeblichkeit seiner Ambitionen besangen, von Melancholie durchtränkt. Sogar bei jenen daoistischen oder buddhistischen Weisen, die das Glück der Konkretion und der Loslösung predigten, blieb sie der allzeit präsente Vorstellungsrahmen, der erst einmal aufgegriffen sein wollte, um dann überschritten zu werden. Xin Qiji dagegen sagt nun, er habe sich in seiner Jugend zur Schwermut immer erst zwingen müssen, wenn er etwas schreiben wollte; kaum habe ihn im Alter aber dieser lyrische Gemütszustand nun wirklich ergriffen, könne er nur noch "welch schöner Herbst unter kühlem Himmel" stammeln.

Über die psychologische Wahrheit dieser Zeilen hinaus wird hier die Möglichkeit, überhaupt etwas Authentisches in der Kunst oder Literatur zu sagen, sehr radikal bezweifelt, damit aber auch die gesamte Tradition, die auf dieser Möglichkeit und der Möglichkeit der Weitergabe gründet. "Den Büchern der Alten zu trauen ist ganz ohne Nutz", heißt es in einem anderen Gedicht des Autors. Aber nicht nur die Kunst, auch die Natur ist für Xin Qiji eher unheimlich als hilfreich, womit auch der klassische Ausweg der Kulturmenschen aus der Kultur verstellt ist. Übrig bleiben nur das Ich und sein Alkohol, was, wie Kubin vermerkt, Xin als einen eher daoistischen denn buddhistischen Dichter ausweist.

Es liegt auf der Hand, daß diese poetische Reflexion über die Grenzen des Sagbaren wie alle Weltliteratur nicht nur in den Grenzen philologischen Spezialistentums von Interesse ist - daß sie aber andererseits mehr als die Werke anderer Literaturen eines speziellen Wissens bedarf, um ihre Wahrheit voll zu entfalten. Dieses Wissen liefert Wolfgang Kubin in dem ersten Band der von ihm herausgegebenen Literaturgeschichte in reichem Maß. Der Leser kann hier die erstaunliche paradoxe Verbindung von Konvention und Subjektivität, die Xin Qiji gesprengt hat, in den einzelnen Phasen der chinesischen Lyrik nachvollziehen. Über mehr als ein Jahrtausend lang war der Topos der Schwermut eine der kollektiven Übereinkünfte in der Dichtergemeinde, die eine Freiheit im Ausdruck und die Möglichkeit der Individualität nicht verhinderten, sondern überhaupt erst eröffneten.

Kubin zeigt, daß die immer subtiler ausgeformten Gesetze bei Themenwahl, Schriftzeichenkombination und Versmaß als Abbild kosmischer Gesetze verstanden wurden; sie sollten die Dichtung zu einem Gemeinsamkeit stiftenden Ereignis machen, das typische, von allen als vorbildlich anerkannte Reaktionsweisen vorstellte. Die im Westen geläufige Vorstellung von "Subjektivität" läßt sich daher nicht umstandslos übernehmen. Um die chinesische Art von Originalität zu fassen, bedarf es anderer Kategorien, die Kubin mit einer skrupulösen, auch die zahlreichen Abweichungen vom Kanon nicht verschweigenden Gründlichkeit aufschließt.

Die "Geschichte der chinesischen Literatur" in zehn Bänden, von denen außer dem ersten über die Lyrik auch die beiden Teilbände über den Roman soeben erschienen sind, ist ein monumentales Unternehmen deutscher Gelehrsamkeit, wie man es sonst nur vom neunzehnten Jahrhundert her zu kennen meint. In sieben Monographien wird da die Zeitspanne von dreitausend Jahren abgeschritten: Thomas Zimmer schreibt über den Roman der ausgehenden Kaiserzeit, Monika Motsch über die Erzählung, Marion Eggert, Wolfgang Kubin und Rolf Trauzettel über den Essay, Wolfgang Kubin und Dietrich Tschanz über das Theater, Karl-Heinz Pohl über die ästhetische Theorie und Wolfgang Kubin über die Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts. Die drei letzten Bände sind eine Bibliographie in deutscher Sprache, ein biographisches Handbuch und ein Register. 2005 soll das Werk abgeschlossen sein.

Seit 1988 verfolgt Wolfgang Kubin, der bisher vor allem als Herausgeber einer Werkausgabe Lu Xuns, als Übersetzer moderner Lyrik (unter anderem Bei Daos) und als Autor eigener Gedichte hervorgetreten ist, dieses Vorhaben. Ursprünglich sollte es bei Suhrkamp erscheinen, jetzt hat es K.G. Saur übernommen. Jeder Band erscheint in einer Auflage von vierhundert Exemplaren: Allein daran sieht man, daß es Herausgeber und Verlag offenbar nicht um kurzfristige schnelle Wirkung geht.

Die Fachwissenschaft wird noch lange damit zu tun haben, das gewaltige Material, das in diesem Werk verarbeitet ist, zu würdigen. Allein die hundertfünfzig von Thomas Zimmer berücksichtigten Romane stellen die Forschung, die sich häufig auf die Primärkenntnis weniger exemplarischer Bücher verließ, auf eine neue Basis. Was dieses Unternehmen von vorangegangenen unterscheidet, zeigt schon der erste Band. Die zuletzt erschienene Literaturgeschichte war die des Münchner Sinologen Helwig Schmidt-Glinzer von 1990 (wiederaufgelegt 1999), der einen nützlichen Überblick über die großen Entwicklungslinien und Namen bot. Kubin aber verläßt diese enzyklopädische Vogelperspektive und geht mitten in die Analyse einzelner Gedichte und in die darüber bestehenden Forschungskontroversen hinein. Außer den Quellen und den Stimmen der deutschen Fachkollegen läßt er auch die internationale Rezeption zu Wort kommen, zumal die chinesische, japanische und amerikanische. So wird der Leser in ein die Jahrhunderte und Kontinente umgreifendes Gespräch einbezogen.

Das geht bisweilen auf Kosten der Orientierung. Kubin setzt viel voraus, argumentiert häufig aus dem Inneren des chinesischen Diskurses heraus und macht sich dabei um eine didaktische, lehrbuchhafte Aufbereitung des Stoffes wenig Gedanken. Man mag dabei bedauern, daß er die philosophischen Fragen nach dem für die chinesische Tradition so essentiellen Zusammenhang der Dichtung mit kosmologischen Vorstellungen zwar nennt, so wie sie in der Forschung vorkommen, daraus aber keinen eigenen Ansatz der Darstellung entwickelt. Doch diese Enthaltung von allzuviel Systematik hat ihre eigene Logik: Es spricht daraus ein großer Respekt für das einzelne Kunstwerk, das sich eben nicht umstandslos auf den gemeinsamen Nenner einer Theorie bringen läßt, und sei diese noch so gut durchdacht und begründet.

So hat es der Leser hier mit einem veritablen Arbeitsbuch zu tun, das die Kluft, die sich besonders bei chinesischer Literatur zwischen Übertragung und Original auftut, nicht durch generalisierende Formeln zu übertünchen sucht. Bei vielen Gedichten geht Kubin sogar den Bedeutungsvarianten der einzelnen Schriftzeichen nach, um die Texte so von ihren Grundelementen her durchsichtig zu machen. Die chinesische Dichtung hat vom "Buch der Lieder" bis zur Tang-Lyrik die deutsche Literatur immer wieder in mehreren Schüben angezogen. Es fehlt nicht an philologisch genauen Übersetzern wie Günther Debon, der Li Bai, oder Stephan Schuhmacher, der Wang Wei übertrug; und auch eine Reihe Nachdichter fühlten sich inspiriert, allen voran Klabund durch Li Bai und Brecht durch Bai Juyi (in früherer Umschrift Po Chü-yi). Das von Kubin bereitgestellte Material gibt nun Aussicht auf eine neue Phase der Beschäftigung, die sich auf den ursprünglichen sprachlichen und kulturellen Zusammenhang stärker als früher einläßt.

Wolfgang Kubin (Hrsg.): "Geschichte der chinesischen Literatur". Neun Bände und ein Registerband. K.G. Saur Verlag, München 2002 ff. Für Bezieher des Gesamtwerks pro Teilband 110,- [Euro].

Wolfgang Kubin: "Die chinesische Dichtkunst: Von den Anfängen bis zum Ende der Kaiserzeit". K.G. Saur Verlag, München 2002. 441 S., geb., 128,- [Euro].

Thomas Zimmer: "Der chinesische Roman der ausgehenden Kaiserzeit". 2 Teilbände. K.G. Saur Verlag, München 2002. Ca. 1000 S., geb., 256,- [Euro].

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