Der zweite Band des dreibändigen Werks zur "Geschichte der deutschen Kunst" reicht vom Spätmittelalter bis zum Ende des Barock. Höhepunkte bilden die Jahre um 1450 und die Dürerzeit sowie die Epoche um 1730. Unterstützt durch nahezu 400, teils farbige Abbildungen erschließt der Autor in subtiler Beschreibung Kunstwerke und Kunstgattungen. Zugleich führt er den Leser ein in das spannungsreiche Verhältnis von Kunst und ihrem gesellschaftlichen Anspruch. Martin Warnke gewinnt damit für die Geschichte der deutschen Kunst zwischen Mittelalter und Aufklärung eine neue Dimension.
Die Geschichte der Kunst in Deutschland verläuft nicht geradlinig auf Höhepunkte zu, sondern weist Phasen von großer innovativer Kraft und von kriegsbedingter Lähmung auf. Ihren internationalen Ruhm zwischen 1400 und 1750 begründen Künstler wie Stephan Lochner, Riemenschneider, Dürer, Cranach, Balthasar Neumann oder Fischer von Erlach, zu denen eine Fülle regionaler Meister und Schulen tritt.
In souveränem Überblick stellt Martin Warnke Hauptwerke der verschiedenen Perioden vor und fragt nach den spezifischen Leistungen, die der Kunst abverlangt wurden, welchen Bedürfnissen sie zu entsprechen hatte und mit welchen Mitteln sie auf Ansprüche aus der Gesellschaft geantwortet hat. Dabei wird deutlich, wie seit dem 15. Jahrhundert staatliche Instanzen die Architektur in ihren Dienst nehmen. An vielgestaltigen Bauten von Kursachsen bis Wien, an Rathäusern und Kirchen von Lübeck bis Landshut zeigt der Autor, wie die Baukunst Ästhetik und Nutzen für die Länder verbindet und in welcher Weise sich die Künste in den weitläufigen Anlagen fürstlicher Residenzen - in Celle ebenso wie in Schleißheim, Potsdam oder Düsseldorf - zu den wichtigsten Medien öffentlicher Repräsentation entwickeln. Innovationen bietet auch die Malerei der Epoche. Von den spätmittelalterlichen Altartafeln eines Lucas Moser, über Bilder Albrecht Dürers bis zu Gemälden Altdorfers kann der Leser verfolgen, wie sich einweltlicher Themenbestand herausbildet: eine neue Kunst für neue Ansprüche - vom Porträt über die Landschaftsmalerei und das Stilleben bis zum politischen Flugblatt.
Die mit einem reichen Bildteil verbundene Darstellung entwirft über die Beschreibung der stilgeschichtlichen und kunsttopographischen Besonderheiten hinaus eine neue, facettenreiche Gesamtschau der deutschen Kunst vom Spät-mittelalter bis zum Ende des Barock.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Die Geschichte der Kunst in Deutschland verläuft nicht geradlinig auf Höhepunkte zu, sondern weist Phasen von großer innovativer Kraft und von kriegsbedingter Lähmung auf. Ihren internationalen Ruhm zwischen 1400 und 1750 begründen Künstler wie Stephan Lochner, Riemenschneider, Dürer, Cranach, Balthasar Neumann oder Fischer von Erlach, zu denen eine Fülle regionaler Meister und Schulen tritt.
In souveränem Überblick stellt Martin Warnke Hauptwerke der verschiedenen Perioden vor und fragt nach den spezifischen Leistungen, die der Kunst abverlangt wurden, welchen Bedürfnissen sie zu entsprechen hatte und mit welchen Mitteln sie auf Ansprüche aus der Gesellschaft geantwortet hat. Dabei wird deutlich, wie seit dem 15. Jahrhundert staatliche Instanzen die Architektur in ihren Dienst nehmen. An vielgestaltigen Bauten von Kursachsen bis Wien, an Rathäusern und Kirchen von Lübeck bis Landshut zeigt der Autor, wie die Baukunst Ästhetik und Nutzen für die Länder verbindet und in welcher Weise sich die Künste in den weitläufigen Anlagen fürstlicher Residenzen - in Celle ebenso wie in Schleißheim, Potsdam oder Düsseldorf - zu den wichtigsten Medien öffentlicher Repräsentation entwickeln. Innovationen bietet auch die Malerei der Epoche. Von den spätmittelalterlichen Altartafeln eines Lucas Moser, über Bilder Albrecht Dürers bis zu Gemälden Altdorfers kann der Leser verfolgen, wie sich einweltlicher Themenbestand herausbildet: eine neue Kunst für neue Ansprüche - vom Porträt über die Landschaftsmalerei und das Stilleben bis zum politischen Flugblatt.
Die mit einem reichen Bildteil verbundene Darstellung entwirft über die Beschreibung der stilgeschichtlichen und kunsttopographischen Besonderheiten hinaus eine neue, facettenreiche Gesamtschau der deutschen Kunst vom Spät-mittelalter bis zum Ende des Barock.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.11.1999Peng, du bist hypnotisiert
Martin Warnke verfällt Dürers Kunst / Von Werner Schade
Bei jeder Epochenübersicht liegt das Ganze mit dem Einzelnen in Streit. Man kann den Ausgleich suchen zu Lasten des einen oder des anderen. Martin Warnke verfährt nicht so. In seiner Arbeit über die deutsche Kunst zwischen 1400 und 1750 formt er Beobachtungsblöcke, die, unverfugt gesetzt, den Blick auf das einzelne Kunstwerk nicht verstellen. Neben Erörterungen aus soziologischer Sicht bleibt genügend Platz, das jeweilige Werk zu befragen. Das zweimalige Durchlaufen der Stoffgebiete von Baukunst, Bildhauerwerk und Malerei - das Kunsthandwerk bleibt ausgeklammert - ist wohl in Hinblick auf das Gesamtkonzept getroffen worden, dessen erster Teil dem inzwischen verstorbenen Heinrich Klotz verdankt wird (F.A.Z. vom 1. Dezember 1998).
Warnke setzt ein mit den Jahren um 1430, als der Aufschwung vom Ende des vierzehnten Jahrhunderts abgeklungen war. Die reiche Epoche des Weichen Stils blickt nur nebenher noch durch ein Steinretabel und zwei Holzschnitte auf dieses Feld herab. Die ersten Meisternamen, die sich dem Leser einprägen, sind Arnold von Westfalen und Benedikt Ried. Zwei großartige Paläste zeugen von ihrer Arbeit, Meißener Albrechtsburg und Prager Wladislaw-Saal. Mit lichtvollen Architekturen dieser Art befindet man sich bereits in der Zeit um 1500, dem Abschnitt der höchsten Blüte deutscher Malerei. In Prag hat man strahlend und offen gegen den Weltuntergang gebaut, kaum im Sinne von Dürers Apokalypse, eher in dem seines irdisch verankerten Marienlebens. "Es wird in diesem Buch nach Landmarken Ausschau gehalten." Zuerst sind es die erwähnten Landeskronen fürstlicher Intention, dann Kirchtürme über den größeren Städten, dann Muster der Stadtplanung, schließlich die Schlossanlagen des Barock neben den Städten und der Rausch der Kirchen, die ihnen in den katholischen Landesteilen antworten.
Hatten die frühen Werkmeister ihre Leistungen noch in überregional abgestimmten Satzungen den Bauherrn angeboten, so bildete sich seit der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts an den Höfen das Amt des Bauintendanten heraus, zuletzt verkörpert in Militäringenieuren wie Balthasar Neumann in Franken. Die Architektur des Barock hatte überwältigende Maßstäbe im Sinn; Johann Bernhard Fischer von Erlach glaubte sie in Wien 1721 aus historischen Beschreibungen entnehmen zu können. Die Reformation hat die protestantischen Landesteile zunächst nur zögernd daran teilnehmen lassen, aber auch Berlin, Potsdam und Dresden sind zuletzt mit bedeutenden Bauten und hervorragenden Skulpturen bedacht worden. Den Reichtum der Kloster- und Universitätsanlagen des Südens und Ostens, die auch mit der Vielgestalt ihrer Funktionen, ihren Bibliotheken und Festsälen zu glänzen vermochten, haben sie nicht erreicht.
Im Bereich der Malerei verdient der Beitrag der Deutschen besondere Beachtung. Traten doch bereits in der Epoche Jan van Eycks und Rogier van der Weydens Künstler wie Konrad Witz, Hans Multscher, Stephan Lochner, bald danach Martin Schongauer dem starken Gewicht der Niederländer entgegen. In eindrucksvoller Weise verwandelte die Malerei des Konrad Witz leblose Dinge zu lebendigen Geschöpfen. Die grafischen Künste der Deutschen schufen ein wirksames Gewicht im Wettstreit der Nationen. Warnke weist am Beispiel Schongauers auf die eigene Mitteilsamkeit der Formen als einen neuen Zug hin. Das Fühlen und Denken in Bildern nahm damals einen bedeutenden Aufschwung, wie durch Beispiele der Zeichenkunst, die außerhalb der Betrachtung bleibt, unterstrichen werden könnte.
Dem Ansehen der Maler stehen die Bildhauer nicht nach. Bereits um 1430 ist aus vornehmem Tonmarmor das Grabmal des Ulrich Kastenmayr in Straubing gearbeitet worden, ein Werk, das man in die Nähe des Arnolfini-Doppelbildnisses von Jan van Eyck gestellt hat. Ein bedeutender Bildhauer aus Holland, Nikolaus Gerhaert, fasste in Deutschland Fuß und drückte dem Werk folgender Generationen sein Siegel auf. Die Altarwerke von Michael Pacher, Veit Stoss und Tilman Riemenschneider bilden eine eindrucksvolle Gruppe. Aber auch Grünewalds für Isenheim gemalte Tafeln gehören in die Kategorie des Flügelaltars (dessen Entfaltung bei Baldung, Dürer, Holbein dem Älteren und Cranach außerhalb der Betrachtung bleibt).
Unter der Überschrift "Zwecke neuer Erfindungen" geht Warnke ausführlich auf das Aufkommen von Holzschnitt und Kupferstich ein. Es fällt bekanntlich schwer, die Entstehung des Bilddrucks genau nachzuzeichnen; einer der alten Holzschnitte trägt das Datum 1423. Solche Jahreszahlen sind selten, hat man doch sicherlich kaum die Auflage eines einzelnen Blattes innerhalb eines Jahres absetzen können. Am Anfang sind kolorierte Heiligenbilder im Holzschnitt entstanden, Devotionalien, die neben Teigdrucken und Schrotblättern in manchem alten Manuskript erhalten geblieben sind. Man suchte die Nähe von Reliquien mit ihrer Heilsversicherung. Es wird auf der anderen Seite Spielkarten in großer Zahl gegeben haben, doch ist davon wenig erhalten. Der Gebrauch und die Ablehnung durch die Kirche haben nicht viel davon überkommen lassen; es scheint, dass der Beruf des Kartenmalers als unerwünscht galt, Juden haben ihn unter anderem ausgeübt.
Bedeutungsvoll ist, dass der spärliche Anhauch von Kunst, den diese frühen Drucke besitzen, bald gesteigert und ausgebaut werden konnte. Mit Selbstbewusstsein finden sich neben Heiligendarstellungen und Martyrien dann erotisch-satirische Themen, dazu einzelne Jahreszahlen und selten Monogramme. Von Martin Schongauer, dem ersten namhaften Stecher, hat man die Anschauung eines kraftvollen Malers, der nicht auf Kleinformate beschränkt war. Es ist für den Bilddruck entscheidend gewesen, dass sich ihm hervorragende Zeichner gewidmet haben, keiner war bedeutender als Dürer. Hier ist gegen den Verfasser einzuwenden, dass Holzschnitt und Kupferstich für die Künste mehr bewirkt haben, als es durch die Vermittlung neuer Themen und Motive geschehen konnte. Die Zeichnung wurde in der Schule der Grafik gefordert und erlebte deutliche Steigerungen. Das gilt, so paradox es klingt, sogar für den Nichtgrafiker Grünewald, dessen Körperstudien in Lebensgröße noch im siebzehnten Jahrhundert Erstaunen erregten.
Von der Masse der Grafiker ist nicht viel zu vermelden, auch Flugblatt und Emblematik späterer Jahrzehnte haben sich mit bescheidener Zuarbeit begnügt. Die lange dunkle Epoche zwischen 1550 und 1600 ist aber im Hinblick auf Zeichnungen, wie man seit Heinrich Geisslers Ausstellung von 1979 in Stuttgart weiß, nicht ganz leblos gewesen. Das überraschende Auftauchen Adam Elsheimers ist ohne diese Voraussetzung (vom Autor nicht beachtet) kaum zu erklären. Es fällt daher auch schwer, den Bruch nachzuvollziehen, den Warnke in Hinblick auf Baldung, Cranach, Altdorfer und Holbein im Verhältnis zu Dürers Kunst feststellen zu können glaubt. Er macht es sich zu leicht, diese Künstler unter der Überschrift "Über die Schönheit hinaus" als Zeugen eines Vorauskommandos der barocken Künste zu betrachten.
Warnkes Entscheidung scheint im Grunde der Überschätzung Dürers zu entspringen. Zu einem Epochensymbol eignen er und einzelne seiner Werke sich nicht, wie der Verfasser zutreffend in einer Anmerkung einräumt. Zeitweilige Gefolgsleute wie Cranach und Baldung sind bald zu Dürer auf Distanz gegangen, und Grünewald blieb dem Nürnberger so fern, wie es bei gemeinsamer Zeitgenossenschaft überhaupt nur möglich sein konnte. Dass die Werke einer so erfindungsreichen Zeit, wie es der Anfang des sechzehnten Jahrhunderts war, aufeinander einwirkten und Einfluss auf die späteren Zeiten nahmen, bleibt indessen festzuhalten.
Was in der Kunst des Barock geschieht, ist gerade die Anerkennung und schöpferische Vervielfältigung der überkommenen Anstöße. Eine Seite ist immer durch die Gegenseite definiert. Das Gewahrwerden des Raumes in jeder Lage, unter jedem denkbaren Gesichtspunkt, das Entwaffnen der begrenzenden Anschauungen und die Möglichkeit, das Darzustellende in Allegorien, Dehnbarkeiten und Faltungen aufzufangen, zeichnet den barocken Standpunkt erst aus. Manche Lösung mussten die Zeitgenossen als gewaltsam empfinden. Das rasche Abwerfen der Gewichte in der Phase der Rocaille (die vielleicht im Ohrmuschelstil des siebzehnten Jahrhunderts einen Vorläufer unter umgekehrtem Vorzeichen gehabt hatte) ist deutlich genug. Warnke interpretiert es in glänzender Weise als eine Art von Infektion. Die Männer der Aufklärung haben sich weder auf das Rokoko noch auf die Faltungen des Barock einlassen wollen. Für sie lagen die Elemente der Erneuerung, die auf Ernst und Geschlossenheit hindeuten, in der antiken Kunst. Vor ihrem neuen Verständnis für Dramaturgie hatte die gewaltige Vorstellung eines inneren Theaters barocker Prägung keine Gewalt mehr.
Martin Warnke: "Geschichte der deutschen Kunst". Zweiter Band: Spätmittelalter und Frühe Neuzeit 1400 bis 1750. Verlag C. H. Beck, München 1999. 496 S. 403 Farb- und S/W-Abb., geb., 128,- DM, bei Abnahme des Gesamtwerks 98,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Martin Warnke verfällt Dürers Kunst / Von Werner Schade
Bei jeder Epochenübersicht liegt das Ganze mit dem Einzelnen in Streit. Man kann den Ausgleich suchen zu Lasten des einen oder des anderen. Martin Warnke verfährt nicht so. In seiner Arbeit über die deutsche Kunst zwischen 1400 und 1750 formt er Beobachtungsblöcke, die, unverfugt gesetzt, den Blick auf das einzelne Kunstwerk nicht verstellen. Neben Erörterungen aus soziologischer Sicht bleibt genügend Platz, das jeweilige Werk zu befragen. Das zweimalige Durchlaufen der Stoffgebiete von Baukunst, Bildhauerwerk und Malerei - das Kunsthandwerk bleibt ausgeklammert - ist wohl in Hinblick auf das Gesamtkonzept getroffen worden, dessen erster Teil dem inzwischen verstorbenen Heinrich Klotz verdankt wird (F.A.Z. vom 1. Dezember 1998).
Warnke setzt ein mit den Jahren um 1430, als der Aufschwung vom Ende des vierzehnten Jahrhunderts abgeklungen war. Die reiche Epoche des Weichen Stils blickt nur nebenher noch durch ein Steinretabel und zwei Holzschnitte auf dieses Feld herab. Die ersten Meisternamen, die sich dem Leser einprägen, sind Arnold von Westfalen und Benedikt Ried. Zwei großartige Paläste zeugen von ihrer Arbeit, Meißener Albrechtsburg und Prager Wladislaw-Saal. Mit lichtvollen Architekturen dieser Art befindet man sich bereits in der Zeit um 1500, dem Abschnitt der höchsten Blüte deutscher Malerei. In Prag hat man strahlend und offen gegen den Weltuntergang gebaut, kaum im Sinne von Dürers Apokalypse, eher in dem seines irdisch verankerten Marienlebens. "Es wird in diesem Buch nach Landmarken Ausschau gehalten." Zuerst sind es die erwähnten Landeskronen fürstlicher Intention, dann Kirchtürme über den größeren Städten, dann Muster der Stadtplanung, schließlich die Schlossanlagen des Barock neben den Städten und der Rausch der Kirchen, die ihnen in den katholischen Landesteilen antworten.
Hatten die frühen Werkmeister ihre Leistungen noch in überregional abgestimmten Satzungen den Bauherrn angeboten, so bildete sich seit der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts an den Höfen das Amt des Bauintendanten heraus, zuletzt verkörpert in Militäringenieuren wie Balthasar Neumann in Franken. Die Architektur des Barock hatte überwältigende Maßstäbe im Sinn; Johann Bernhard Fischer von Erlach glaubte sie in Wien 1721 aus historischen Beschreibungen entnehmen zu können. Die Reformation hat die protestantischen Landesteile zunächst nur zögernd daran teilnehmen lassen, aber auch Berlin, Potsdam und Dresden sind zuletzt mit bedeutenden Bauten und hervorragenden Skulpturen bedacht worden. Den Reichtum der Kloster- und Universitätsanlagen des Südens und Ostens, die auch mit der Vielgestalt ihrer Funktionen, ihren Bibliotheken und Festsälen zu glänzen vermochten, haben sie nicht erreicht.
Im Bereich der Malerei verdient der Beitrag der Deutschen besondere Beachtung. Traten doch bereits in der Epoche Jan van Eycks und Rogier van der Weydens Künstler wie Konrad Witz, Hans Multscher, Stephan Lochner, bald danach Martin Schongauer dem starken Gewicht der Niederländer entgegen. In eindrucksvoller Weise verwandelte die Malerei des Konrad Witz leblose Dinge zu lebendigen Geschöpfen. Die grafischen Künste der Deutschen schufen ein wirksames Gewicht im Wettstreit der Nationen. Warnke weist am Beispiel Schongauers auf die eigene Mitteilsamkeit der Formen als einen neuen Zug hin. Das Fühlen und Denken in Bildern nahm damals einen bedeutenden Aufschwung, wie durch Beispiele der Zeichenkunst, die außerhalb der Betrachtung bleibt, unterstrichen werden könnte.
Dem Ansehen der Maler stehen die Bildhauer nicht nach. Bereits um 1430 ist aus vornehmem Tonmarmor das Grabmal des Ulrich Kastenmayr in Straubing gearbeitet worden, ein Werk, das man in die Nähe des Arnolfini-Doppelbildnisses von Jan van Eyck gestellt hat. Ein bedeutender Bildhauer aus Holland, Nikolaus Gerhaert, fasste in Deutschland Fuß und drückte dem Werk folgender Generationen sein Siegel auf. Die Altarwerke von Michael Pacher, Veit Stoss und Tilman Riemenschneider bilden eine eindrucksvolle Gruppe. Aber auch Grünewalds für Isenheim gemalte Tafeln gehören in die Kategorie des Flügelaltars (dessen Entfaltung bei Baldung, Dürer, Holbein dem Älteren und Cranach außerhalb der Betrachtung bleibt).
Unter der Überschrift "Zwecke neuer Erfindungen" geht Warnke ausführlich auf das Aufkommen von Holzschnitt und Kupferstich ein. Es fällt bekanntlich schwer, die Entstehung des Bilddrucks genau nachzuzeichnen; einer der alten Holzschnitte trägt das Datum 1423. Solche Jahreszahlen sind selten, hat man doch sicherlich kaum die Auflage eines einzelnen Blattes innerhalb eines Jahres absetzen können. Am Anfang sind kolorierte Heiligenbilder im Holzschnitt entstanden, Devotionalien, die neben Teigdrucken und Schrotblättern in manchem alten Manuskript erhalten geblieben sind. Man suchte die Nähe von Reliquien mit ihrer Heilsversicherung. Es wird auf der anderen Seite Spielkarten in großer Zahl gegeben haben, doch ist davon wenig erhalten. Der Gebrauch und die Ablehnung durch die Kirche haben nicht viel davon überkommen lassen; es scheint, dass der Beruf des Kartenmalers als unerwünscht galt, Juden haben ihn unter anderem ausgeübt.
Bedeutungsvoll ist, dass der spärliche Anhauch von Kunst, den diese frühen Drucke besitzen, bald gesteigert und ausgebaut werden konnte. Mit Selbstbewusstsein finden sich neben Heiligendarstellungen und Martyrien dann erotisch-satirische Themen, dazu einzelne Jahreszahlen und selten Monogramme. Von Martin Schongauer, dem ersten namhaften Stecher, hat man die Anschauung eines kraftvollen Malers, der nicht auf Kleinformate beschränkt war. Es ist für den Bilddruck entscheidend gewesen, dass sich ihm hervorragende Zeichner gewidmet haben, keiner war bedeutender als Dürer. Hier ist gegen den Verfasser einzuwenden, dass Holzschnitt und Kupferstich für die Künste mehr bewirkt haben, als es durch die Vermittlung neuer Themen und Motive geschehen konnte. Die Zeichnung wurde in der Schule der Grafik gefordert und erlebte deutliche Steigerungen. Das gilt, so paradox es klingt, sogar für den Nichtgrafiker Grünewald, dessen Körperstudien in Lebensgröße noch im siebzehnten Jahrhundert Erstaunen erregten.
Von der Masse der Grafiker ist nicht viel zu vermelden, auch Flugblatt und Emblematik späterer Jahrzehnte haben sich mit bescheidener Zuarbeit begnügt. Die lange dunkle Epoche zwischen 1550 und 1600 ist aber im Hinblick auf Zeichnungen, wie man seit Heinrich Geisslers Ausstellung von 1979 in Stuttgart weiß, nicht ganz leblos gewesen. Das überraschende Auftauchen Adam Elsheimers ist ohne diese Voraussetzung (vom Autor nicht beachtet) kaum zu erklären. Es fällt daher auch schwer, den Bruch nachzuvollziehen, den Warnke in Hinblick auf Baldung, Cranach, Altdorfer und Holbein im Verhältnis zu Dürers Kunst feststellen zu können glaubt. Er macht es sich zu leicht, diese Künstler unter der Überschrift "Über die Schönheit hinaus" als Zeugen eines Vorauskommandos der barocken Künste zu betrachten.
Warnkes Entscheidung scheint im Grunde der Überschätzung Dürers zu entspringen. Zu einem Epochensymbol eignen er und einzelne seiner Werke sich nicht, wie der Verfasser zutreffend in einer Anmerkung einräumt. Zeitweilige Gefolgsleute wie Cranach und Baldung sind bald zu Dürer auf Distanz gegangen, und Grünewald blieb dem Nürnberger so fern, wie es bei gemeinsamer Zeitgenossenschaft überhaupt nur möglich sein konnte. Dass die Werke einer so erfindungsreichen Zeit, wie es der Anfang des sechzehnten Jahrhunderts war, aufeinander einwirkten und Einfluss auf die späteren Zeiten nahmen, bleibt indessen festzuhalten.
Was in der Kunst des Barock geschieht, ist gerade die Anerkennung und schöpferische Vervielfältigung der überkommenen Anstöße. Eine Seite ist immer durch die Gegenseite definiert. Das Gewahrwerden des Raumes in jeder Lage, unter jedem denkbaren Gesichtspunkt, das Entwaffnen der begrenzenden Anschauungen und die Möglichkeit, das Darzustellende in Allegorien, Dehnbarkeiten und Faltungen aufzufangen, zeichnet den barocken Standpunkt erst aus. Manche Lösung mussten die Zeitgenossen als gewaltsam empfinden. Das rasche Abwerfen der Gewichte in der Phase der Rocaille (die vielleicht im Ohrmuschelstil des siebzehnten Jahrhunderts einen Vorläufer unter umgekehrtem Vorzeichen gehabt hatte) ist deutlich genug. Warnke interpretiert es in glänzender Weise als eine Art von Infektion. Die Männer der Aufklärung haben sich weder auf das Rokoko noch auf die Faltungen des Barock einlassen wollen. Für sie lagen die Elemente der Erneuerung, die auf Ernst und Geschlossenheit hindeuten, in der antiken Kunst. Vor ihrem neuen Verständnis für Dramaturgie hatte die gewaltige Vorstellung eines inneren Theaters barocker Prägung keine Gewalt mehr.
Martin Warnke: "Geschichte der deutschen Kunst". Zweiter Band: Spätmittelalter und Frühe Neuzeit 1400 bis 1750. Verlag C. H. Beck, München 1999. 496 S. 403 Farb- und S/W-Abb., geb., 128,- DM, bei Abnahme des Gesamtwerks 98,- DM.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
"Werner Schade lässt in seiner Rezension die unverfugten Blöcke der großen Kapitel über Malerei, Baukunst, Skulptur, aber auch Kupferstich in diesem Buch Revue passieren und lobt, dass bei Warnke der Blick auf das Einzelne nicht durch das große Ganze verstellt wird, auch wenn er findet, dass der Autor einer Überschätzung Dürers erliege.
© Perlentaucher Medien GmbH"
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