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"Kunstmuseen lehren uns, was wir sehen sollen, wenn wir Kunst betrachten", lautet der scheinbar einfache Eingangssatz dieses Buches. Aber was versteht man jeweils unter Kunst? Was sollen wir sehen, wenn wir sie betrachten, und wer bestimmt darüber? Wie bewältigt das Museum die ihm zugewiesenen Vermittlungsaufgaben? James Sheehan beantwortet diese Fragen, indem er Ideen-, Institutionen- und Architekturgeschichte miteinander verbindet. Sein Buch zeigt in eindrucksvoller Weise, wie Museen den Ort der Kunst in der deutschen Kultur widerspiegeln und zugleich mitbestimmen. In den letzten Jahrzehnten…mehr

Produktbeschreibung
"Kunstmuseen lehren uns, was wir sehen sollen, wenn wir Kunst betrachten", lautet der scheinbar einfache Eingangssatz dieses Buches. Aber was versteht man jeweils unter Kunst? Was sollen wir sehen, wenn wir sie betrachten, und wer bestimmt darüber? Wie bewältigt das Museum die ihm zugewiesenen Vermittlungsaufgaben? James Sheehan beantwortet diese Fragen, indem er Ideen-, Institutionen- und Architekturgeschichte miteinander verbindet. Sein Buch zeigt in eindrucksvoller Weise, wie Museen den Ort der Kunst in der deutschen Kultur widerspiegeln und zugleich mitbestimmen. In den letzten Jahrzehnten des Alten Reichs - mit denen die Darstellung einsetzt - werden erstmals die Kunstsammlungen der Monarchen und Fürsten öffentlich zugänglich gemacht. Es bildet sich bald eine eindrucksvolle Museumsvielfalt heraus, der Umgang mit der Kunst wird zunehmend professionalisiert. Gegen Ende des Jahrhunderts gibt es kaum einen großen Ort in Deutschland, der nicht über ein Museum verfügte, aber diese Einrichtung gerät jetzt in eine Krise: Das Museum wird der Ort politischer und kultureller Auseinandersetzungen über den Umgang mit der Kunst der Moderne. In diesem Zusammenhang entstehen schließlich die Anfänge unserer heutigen Museumskultur und -architektur. James Sheehans Buch wird aus der Diskussion über das Verhältnis von Kunst, Politik und Kultur und über die Rolle, die das Museum darin einnehmen soll, nicht mehr wegzudenken sein.
Autorenporträt
James J. Sheehan ist Dickason Professor in the Humanities an der Stanford University. Seine Bücher German Liberalism in the Nineteenth Century (1978, deutsch 1983) und German History 1770-1866 (1989, deutsch 1994) gelten als bedeutende Werke zur deutschen Geschichte. Er ist unter anderem Mitglied der American Academy und Fellow des Wissenschaftskollegs zu Berlin. 1995/96 wurde er mit dem Humboldt-Forschungspreis ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.2002

Wir sind ein Volk von Museumsbesuchern
James J. Sheehan erzählt die Geschichte eines deutschen Erfolgsmodells / Von Henning Ritter

Nachdem die Museumsgeschichte jahrzehntelang nur gemächliche Fortschritte machte, hat die Wiedervereinigung eine ungemein belebende Wirkung auf die Beschäftigung mit der Aufgabe und Geschichte der deutschen Museen gebracht. Die Erneuerung der Häuser in den neuen Bundesländern, vor allem aber die umfassende Rekonstruktion der Berliner Museumsinsel stellten eine Reihe von Problemen, die nur Kenner der Museumsgeschichte beantworten konnten. Aber auch der exorbitante Museumsboom überall in Europa und in den Vereinigten Staaten hat dazu beigetragen, daß in den vergangenen Jahren mehr über die Geschichte der Museumsidee publiziert wurde als in all den Jahrzehnten zuvor.

Wichtige Anstöße sind dabei von französischen Autoren wie Krzysztof Pomian oder Edouard Pommier ausgegangen. Auch in Frankreich spielten museale Aktivitäten wie die Erneuerung des Louvre oder die Gründung des Musée d'Orsay eine entscheidende Rolle. Ein folgenreicher Beitrag zu dem unübersehbaren Thema kam aus England, wo Francis Haskell die traditionelle Fixierung an den Kunstgeschmack für eine weit ausgreifende neue Geschmacksgeschichte der Kunst fruchtbar machte, die den Betrachter, den Ausstellungs- und Museumsbesucher weit ernster nahm als je zuvor. Die Kunstmuseen erschienen nun eingebettet in ein ganzes Spektrum von Kunsterfahrung, von Ausstellungen, Kunstkatalogen und Reproduktionen, die alle an der Bildung des kanonischen Geschmacks der jeweiligen Zeit beteiligt waren. Ebenso studierte man die Museen auch als administrative Gebilde, in denen Fürsten, Künstler, Restauratoren, Beamte und professionelle Kunsthistoriker auf dem Weg vom höfischen zum demokratischen Museum eine wechselvolle Rolle spielten.

Unter diesen Umständen die zweihundertjährige Geschichte der Kunstmuseen im deutschsprachigen Raum auf dreihundert Seiten zusammenfassend darzustellen, wie es der amerikanische Historiker James J. Sheehan unternimmt, könnte als eine fast unlösbare Aufgabe erscheinen. Der Autor, der mit Arbeiten zur Geschichte des deutschen Liberalismus auch hierzulande bekannt geworden ist, hat den Vorzug, mit der Epoche zwischen 1830 und 1914, in der die deutschen Kunstmuseen ihre Glanzzeit erlebten, bestens vertraut zu sein. Das kommt seiner Darstellung zugute, die sich im übrigen durch die Tugenden der angelsächsischen akademischen Prosa auszeichnet. Selbst komplizierte Gedankengebilde wie die Philosophie und Ästhetik um 1800 werden mit wenigen Strichen so nachgezeichnet, daß der Uneingeweihte zu folgen vermag und der Kenner die Treffsicherheit der Wiedergabe bewundert.

Die Geschichte, die Sheehan erzählt, ist ungewöhnlich genug. Man muß sich klarmachen, daß die Kunstmuseen, wie sie um 1800 erschienen, zwar vereinzelte Vorläufer hatten, daß aber mit dem neuen Museumsgedanken eine tiefgreifende Veränderung des Kunstbewußtseins einherging: nicht nur eine neue Art der Wertschätzung der Kunstwerke, sondern auch neue Verhaltensweisen und Umgangsformen mit ihnen. Das alles wurde innerhalb weniger Jahre bewirkt - durch einen neuen Typus von Kunstkennern, ein neues, bürgerliches Publikum, neue Arten der Präsentation von Kunst. Es war ein europäischer Vorgang: Der neue Louvre, die National Gallery, Schinkels Altes Museum, die Münchner Pinakothek waren die Pioniere einer ins Unübersehbare wachsenden Anzahl von Museen, die sich nicht nur auf die schönen Künste beschränkten, sondern bald auch Geschichte, Kulturgeschichte, Naturwissenschaften und Technik umfaßten. Keine andere Bauaufgabe aus den Anfängen des neunzehnten Jahrhunderts ist bis heute so lebendig geblieben wie die des Museums.

Zugleich verbindet sich mit dem Museum die Geschichte des allmählichen Heranwachsens der Öffentlichkeit. Museen gehören innerhalb der höfischen Welt schon vor 1789 zu den ersten Institutionen, die ausdrücklich der Öffentlichkeit, dem allgemeinen Publikum, geweiht werden. Und so lang auch die Auseinandersetzung um die Prärogative der Höfe im Sammeln und Ausstellen währte, bildete sich hier doch frühzeitig eine Schicht von Kennern und Gelehrten, die sich der Öffentlichkeit gegenüber verantwortlich fühlten. James Sheehan tut recht daran, auch den scheinbar unwichtigen Fragen wie den Öffnungszeiten, den Eintrittspreisen und der Struktur der Administration der Sammlungen nachzugehen. All dies sind Symptome der Entwicklung einer Bildungswelt, die sich überall durch Institutionen verwirklichte.

Weil die Kunstmuseen und die neue Disziplin der Kunstgeschichte, die sich im deutschen Sprachraum ungewöhnlich früh entwickelten, parallel zueinander entstanden, war von Anfang an eine Kluft zwischen den Werken der historischen Kunstepochen und der Gegenwartskunst entstanden. Das Museum wurde zum Museum der Alten Meister. Diese Spaltung hat zu einem einzigartigen Drama geführt. Auf der einen Seite bildete sich jene Museumsfeindschaft heraus, die von der Kunst der Avantgarde in Deutschland wie in Frankreich lange geteilt wurde, andererseits drängte die zeitgenössische Kunst in das Museum. Daß in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts Museen der zeitgenössischen Kunst nach dem Muster der Museen der Alten Meister entstanden, war das paradoxe Ergebnis des beispiellosen Erfolges der Alten Meister über die Kunst der Gegenwart. Die traditionelle Bildungsidee verschmolz in den zahllosen Museen, die in Deutschland neue Kunst sammelten, mit den antibürgerlichen Strategien der Avantgarde und Volkspädagogik. Der Schlußteil des Buches von Sheehan schildert die krisenhafte Situation seit dem sogenannten Tschudi-Skandal in der Berliner Nationalgalerie, deren kürzliche Neueröffnung überwältigend deutlich machte, wieviel Qualitätvolles selbst dort gesammelt werden konnte, wo die Einsprüche des Kaisers Wagnisse unterbanden.

Nicht zuletzt macht das Buch von Sheehan, das wohl zum ersten Mal eine Übersicht über die deutsche Museumsgeschichte des neunzehnten Jahrhunderts gibt, darauf aufmerksam, wie reich, wie glanzvoll und konfliktträchtig diese Museumslandschaft gewesen ist, die immer noch das meiste von dem behütet, was unseren Kunstbesitz ausmacht. Blickt man nach Frankreich, so wird vor allem eines auffallen: Während sich dort in der großen Literatur der Zeit eine Fülle von Reflexen des Louvre wie der zeitgenössischen Kunst findet, muß man in der deutschen Literatur der Zeit mühsam danach fahnden. Sheehan hat es getan. Er ist freilich, Fontane ausgenommen, bei wenigen Schriftstellern fündig geworden. Ob auch dieses Schweigen der Literatur über die Künste eine Folge der triumphalen Rolle des Museums ist?

James J. Sheehan: "Geschichte der deutschen Kunstmuseen". Von der fürstlichen Kunstkammer zur modernen Sammlung. Aus dem Amerikanischen von Martin Pfeiffer. Verlag C. H. Beck, München 2002. 368 S., 31 Abb., geb., 34,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

James J. Sheehan hat in seiner Untersuchung über die Geschichte deutscher Kunstmuseen viel im Blick, berichtet Heinz Schlaffer. Der Autor beginne mit dem ersten Museum, dem Fridericianum in Kassel, und ende mit der Stuttgarter Staatsgalerie. Aus der Museumsgeschichte lasse sich, stimmt der Rezensent dem Autor zu, eine "gebaute Kulturgeschichte" ablesen, in der Adel und Bürgertum, philosophische Theorien, Geschichte und Öffentlichkeit aufeinander treffen. In den Museen der Vergangenheit werde der deutliche Einfluss der Fürsten deutlich, referiert Schlaffer, mag aber deren Bedeutung nicht gleichermaßen hoch schätzen wie Sheehan. Denn auch die Fürsten seien, meint der Rezensent, vom Bürgertum beeinflusst gewesen. Auch nicht nachvollziehbar findet Schlaffer, dass Sheehan keine theoretische Begründung für die Stuttgarter Staatsgalerie bereit hält. Schließlich hätte hier der Postmoderne-Diskurs einige Erklärungen zu bieten. Und überhaupt, denkt Schlaffer, werde die Kunstwissenschaft dem gegenwärtigen Museumsbau nicht gerecht, denn der sei weit davon entfernt, zur "historischen Gemäldegalerie" zurückzukehren.

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