Die neue Reclam-Reihe „Geschichte der deutschen Lyrik“ vermittelt einen umfassenden Überblick über die Entwicklung der deutschen Lyrik von ihren Anfängen bis zur Gegenwart.
In Band 4 „Zwischen Romantik und Naturalismus“ veranschaulicht der bekannte Literaturwissenschaftler Bernhard Sorg
ausführlich die deutsche Lyrik des 19. Jahrhunderts. Dabei verweist der Autor gleich in seiner Einführung…mehrDie neue Reclam-Reihe „Geschichte der deutschen Lyrik“ vermittelt einen umfassenden Überblick über die Entwicklung der deutschen Lyrik von ihren Anfängen bis zur Gegenwart.
In Band 4 „Zwischen Romantik und Naturalismus“ veranschaulicht der bekannte Literaturwissenschaftler Bernhard Sorg ausführlich die deutsche Lyrik des 19. Jahrhunderts. Dabei verweist der Autor gleich in seiner Einführung darauf, dass nach Klassik und Romantik das 19. Jahrhundert mit seinen industriellen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Umwälzungen nur partiell lyrikfähig war. Es entstand vielmehr eine epische Sicht auf die Welt, die sich in großen und umfänglichen Romanen äußerte und das lyrische Ich ablöste.
Die 125 Seiten sind keine chronologische Darstellung der deutschen Lyrik des 19. Jahrhunderts, der Autor beleuchtet vielmehr die spezifische Ausrichtung der romantischen und naturalistischen Lyrik. So richtet er den Blick z. B. auf die lyrischen Themen Natur, Nation, Religion oder Technik und zeigt an zahlreichen Gedichtbeispielen, wie die Ent-Romantisierung und Ent-Symbolisierung ehemaliger lyrischer Begriffe voranschreitet und schließlich sogar in der Parodie endet.
Zwischen diesen thematischen Betrachtungen werden in kurzen poetischen Physiognomien die wichtigsten Lyriker/innen dieser Jahrzehnte vorgestellt: Heine, Droste-Hülshoff, Mörike, Storm, Keller, Meyer und Busch. Auf sie wird in den Einzelkapiteln vor allem anhand einiger Gedichtinterpretationen eingegangen und so auf das Markante ihrer Lyrik aufmerksam gemacht.
Im Abschlusskapitel „Naturalismus“ setzt sich Korte noch ausführlich mit der Lyrik zwischen 1880 und 1895 auseinander, die er jedoch als ein Randphänomen betrachtet und die erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch die Realitätslyrik des Expressionismus zur vollen Entfaltung kommt. Obwohl sich die naturalistische Lyrik noch an das Ideal der Sprache klammert, sind die „aufwühlenden und irritierenden Ideen des Kommenden“ schon deutlich ablesbar.
Komplettiert wird die bemerkenswerte und kompakte Darstellung, die die deutsche Lyrik des 19. Jahrhunderts vor allem anhand der historischen und kulturgeschichtlichen Prozesse erläutert, durch eine Bibliographie und ein kurzes Personenregister.
Fazit: Der Reclam-Band eignet sich mit seinem Überblickscharakter vorzüglich als Einführung in die deutsche Lyrik zwischen Romantik und Naturalismus.
Manfred Orlick