Der Band behandelt die geschichtliche Entwicklung der deutschen Sprache von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Einzelne Kapitel setzen Schwerpunkte auf Laut, Schrift und Rechtschreibung, Wort- und Formbildung sowie Satzbau, Wortschatz einschließlich der Entlehnungen aus fremden Sprachen, Standard- und Literatursprache sowie Mundarten und Perioden der deutschen Sprachgeschichte.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.06.2010Sprachabmischung
Der Ursprung der deutschen Hochsprache liegt nicht in der Literatur, sondern in der Verwaltung. Der mittelhochdeutsche Minnesang klang aus, ohne einen verbindlichen Standard ausgebildet zu haben. Die zahlreichen Mundarten zur Einheit zu verbinden war vor allem das Werk frühneuzeitlicher Kanzleien mit Zentrum in Sachsen. Bewohner der Stadt Hannover, die sich auf die korrekte Aussprache des Deutschen gewohnheitsmäßig viel einbilden, kann man in ihrem Stolz also mit dem einfachen sprachgeschichtlichen Hinweis kränken, dass die deutsche Standardsprache zwar aus dem Hoch- beziehungsweise Oberdeutschen kommt, dies aber nicht im Norden, sondern im heutigen Süd- und Mitteldeutschland gelegen war. Das dem heutigen Norddeutschland entstammende Niederdeutsche wäre demnach nur ein Schattengewächs. So einfach ist der Umkehrschluss dann aber doch nicht. Wenn auch die schriftliche Sprachnorm des Hochdeutschen aus südlichen Gebieten stammte, so war die Aussprachenorm, erst Ausgang des 19. Jahrhunderts nach dem Vorbild der Bühnenaussprache kodifiziert, ans Niederdeutsche angelehnt, dem Machtgefälle folgend, das sich von Sachsen ins Preußisch-Nordische verschoben hatte. Was sich ergibt, ist ein symbiotisches Bild: oberdeutsche Schriftsprache in niederdeutscher Aussprache. Thorsten Roelckes "Geschichte der deutschen Sprache" rekonstruiert diesen langen Einheitsweg des Deutschen konzise und einsichtig. Der Autor gibt sich optimistisch, was die Selbsterhaltungskraft des Deutschen im globalen Sprachgemisch betrifft. Das Gespenst der Beliebigkeit sieht er von innen kommen: von der Permissivität der Rechtschreibreform. (Thorsten Roelcke: "Geschichte der deutschen Sprache". C.H. Beck Verlag, München 2009. 128 S., br., 8,95 [Euro].)
thom
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Ursprung der deutschen Hochsprache liegt nicht in der Literatur, sondern in der Verwaltung. Der mittelhochdeutsche Minnesang klang aus, ohne einen verbindlichen Standard ausgebildet zu haben. Die zahlreichen Mundarten zur Einheit zu verbinden war vor allem das Werk frühneuzeitlicher Kanzleien mit Zentrum in Sachsen. Bewohner der Stadt Hannover, die sich auf die korrekte Aussprache des Deutschen gewohnheitsmäßig viel einbilden, kann man in ihrem Stolz also mit dem einfachen sprachgeschichtlichen Hinweis kränken, dass die deutsche Standardsprache zwar aus dem Hoch- beziehungsweise Oberdeutschen kommt, dies aber nicht im Norden, sondern im heutigen Süd- und Mitteldeutschland gelegen war. Das dem heutigen Norddeutschland entstammende Niederdeutsche wäre demnach nur ein Schattengewächs. So einfach ist der Umkehrschluss dann aber doch nicht. Wenn auch die schriftliche Sprachnorm des Hochdeutschen aus südlichen Gebieten stammte, so war die Aussprachenorm, erst Ausgang des 19. Jahrhunderts nach dem Vorbild der Bühnenaussprache kodifiziert, ans Niederdeutsche angelehnt, dem Machtgefälle folgend, das sich von Sachsen ins Preußisch-Nordische verschoben hatte. Was sich ergibt, ist ein symbiotisches Bild: oberdeutsche Schriftsprache in niederdeutscher Aussprache. Thorsten Roelckes "Geschichte der deutschen Sprache" rekonstruiert diesen langen Einheitsweg des Deutschen konzise und einsichtig. Der Autor gibt sich optimistisch, was die Selbsterhaltungskraft des Deutschen im globalen Sprachgemisch betrifft. Das Gespenst der Beliebigkeit sieht er von innen kommen: von der Permissivität der Rechtschreibreform. (Thorsten Roelcke: "Geschichte der deutschen Sprache". C.H. Beck Verlag, München 2009. 128 S., br., 8,95 [Euro].)
thom
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main