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Die "Geschichte der kroatischen Literatur" ist eine sehr ausführliche Darstellung zu diesem Thema. Von den ersten Inschriften in slavisch-kroatischer Sprache auf römischem Boden reicht sie bis in unsere Tage. Zum ersten Mal kann diese Literatur frei von aller Zensur, ideologischer oder konfessioneller Einschränkung beschrieben werden. Sie entwickelte sich im Schnittpunkt der romanischen, russischen und deutschen Literatur selbständig, mit Höhepunkten in Renaissance und Barock sowie im 19. und 20. Jahrhundert. Eindrucksvoll wird die Bildung der Kroaten als Nation ohne Staat im Spiegel ihrer…mehr

Produktbeschreibung
Die "Geschichte der kroatischen Literatur" ist eine sehr ausführliche Darstellung zu diesem Thema. Von den ersten Inschriften in slavisch-kroatischer Sprache auf römischem Boden reicht sie bis in unsere Tage. Zum ersten Mal kann diese Literatur frei von aller Zensur, ideologischer oder konfessioneller Einschränkung beschrieben werden. Sie entwickelte sich im Schnittpunkt der romanischen, russischen und deutschen Literatur selbständig, mit Höhepunkten in Renaissance und Barock sowie im 19. und 20. Jahrhundert. Eindrucksvoll wird die Bildung der Kroaten als Nation ohne Staat im Spiegel ihrer Literatur dargestellt.
Das Werk enthält im Anhang ein ausführliches "Lexikon der Autoren".
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.07.1996

Nicht ohne mein Latein
Ivo Franges schreibt eine Geschichte der kroatischen Literatur

Es gibt viele Gründe, die deutsche Ausgabe der "Geschichte der kroatischen Literatur" von Ivo Franges zu begrüßen. Mit ihr legt der Doyen der kroatischen Literaturwissenschaft ein Werk vor, das die Eigenart und Bedeutung der kroatischen Literatur vorstellt und sie endlich aus den Konglomeraten herausschält, denen sie bislang immer wieder zugeordnet wurde: dem jugoslawischen und dem serbokroatischen. Die kroatische Literatur bildet in der europäischen Literaturwelt einen soliden Block, den man erst einmal zur Kenntnis nehmen muß, ehe er übergreifenden Strukturen - südosteuropäischen, mitteleuropäischen - zugewiesen werden kann.

Die kroatische Literatur ist trotz einer beachtlichen Reihe von Autoren hierzulande nur wenig bekannt. Im staatspolitischen Selbstverständnis der Kroaten spielt die alte slawonisch-dalmatinische Territorialeinheit, die bereits im zehnten Jahrhundert von König Tomislav geschaffen und in der Folgezeit formalrechtlich niemals unterbrochen wurde, eine entscheidende Rolle. Trotz der erstaunlichen Konstanz, die die kroatischen Verhältnisse in dieser Hinsicht zeigen, hat es im Laufe der Zeit ethnische Veränderungen gegeben, die die Frage nach der Substanz der kroatischen Literatur komplizieren. Welche Autoren sind ihr zuzurechnen? Ist sie die Literatur der Kroaten oder die Literatur in Kroatien?

Franges hat alle Autoren berücksichtigt, die unzweifelhaft als Kroaten gelten können, darunter nun auch jene, die das Tito-Regime ausgegrenzt hatte. Seine Hauptlinie führt vom Humanismus des Marko Marulic über die großen Ragusaner Marin Drzic und Ivan Gundulic, die nationale Romantik Ivan Mazuranics, den poetischen Realismus August Senoas, den Modernismus Silvije Strahimir Kranjcevics und Antun Gustav Matoss zu Miroslav Krleza, dem Klassiker des zwanzigsten Jahrhunderts, und Tin Ujevic, der als bedeutendster Lyriker der Zwischenkriegszeit erst kürzlich in deutscher Übertragung vorgestellt wurde ("Spielzeug der Winde", 1995). Doch auch einige kroatisch-serbische Autoren (zumeist aus der Krajina stammend) rechnet er der kroatischen Literatur zu. Es fehlt Ognjeslav Utjesenovic-Ostrozinski, der mit seinem Gedicht "Das Echo vom Balkan" immerhin als erster "illyrischer" Dichter im Vormärz europäische Beachtung fand. Aus der Sicht der sich verfestigenden bosnischen Literatur ist die Zuordnung der Dichter Safvet-Beg Basagic und Musa Cazim Catic problematisch. Ebenso nimmt sich die Aufnahme des heiligen Hieronymus, dessen Beziehungen zum Kroatentum mythischer Natur sind, des karolingischen Häretikers Gottschalk, der im neunten Jahrhundert am Hofe des Fürsten Trpimir weilte, oder auch des Abbaten Alberto Fortis, der mit seinen dalmatinischen Reisebeschreibungen ("Viaggio in Dalmazia", 1774) als erster die "morlakischen" Volksbräuche und -lieder beschrieb, recht gewaltsam aus.

Das Buch besteht aus zwei Teilen. Während im ersten Teil die Entwicklungsphasen der kroatischen Literatur dargestellt werden, bringt der zweite biobibliographische Kurzdarstellungen von 380 kroatischen Literaten und Literaturwissenschaftlern. Ja, auch Literaturwissenschaftlern: Vielleicht entbehrt es nicht der tieferen Logik, in die Literaturgeschichte nicht nur die Primär-, sondern auch die Sekundärliteratur einzubeziehen. Auch kann man einräumen, daß sich unter den kroatischen Schriftstellern nicht wenige finden, die als Literaturprofessoren arbeiten - aber muß gleich die Zagreber Schule nebst Sprachwissenschaftlern und Volkskundlern vollständig aufgeboten werden?

Doch es wäre ungerecht, die Meriten dieser Literaturgeschichte zu übersehen. In großen Tableaus sind in ihr die Epochen der kroatischen Literaturgeschichte ausgebreitet. Ivo Franges, Humboldt-Preisträger des Jahres 1994, der der romanistischen Stilkritik viel verdankt, entfaltet große Meisterschaft in den Dichterbildern und Kurzinterpretationen der vorgestellten Werke. In wenigen Sätzen gelingt es ihm, die künstlerische oder ideologisch-politische Problematik eines Autors, die wesentlichen inhaltlichen und formalen Komponenten einzelner Werke zu skizzieren.

Daß sich die sprachlich und kulturell verschiedenen regionalen Stränge im Laufe der Jahrhunderte trotz Fremdherrschaft und staatlicher Zerrissenheit zu der einen kroatischen Literatur bündelten, ist, wie Franges zeigt, nicht zuletzt der katalysatorischen Kraft der tief eingewurzelten kroatischen Latinität zu verdanken: "Die kroatischen Schriftsteller auf türkischem, österreichischem und venezianischem Gebiet sowie im freien Dubrovnik waren untereinander und mit der übrigen Welt gerade dank der Universalität des Lateinischen fest verbunden." Das unterscheidet sie von der serbischen Literatur, die, seit dem Vordringen der Osmanen von den Entwicklungen der christlich-lateinischen Welt abgeschottet, für Jahrhunderte auf das orthodoxe Kulturmodell im osmanischen Rahmen zurückgeworfen wurde.

Franges zögert nicht, auch jene "jugoslavischen" Strömungen und Optionen einzelner Autoren anzusprechen, die in der kroatischen Literatur zeitweilig stark zum Ausdruck kamen. Wie inopportun es heute auch klingen mag - die jugoslawische Idee, das Postulat der politischen und/ oder kulturellen Vereinigung der südslawischen Völker, ist von kroatischen Geistern, von dem Humanisten Vinko Pribojevic bis zu Josip Juraj Strossmayer im neunzehnten Jahrhundert, entschiedener betrieben worden als von Serben oder Slowenen. Franges erklärt dies aus dem Bewußtsein der Kroaten, als erstes unter den südslawischen Völkern die Aufgabe der kulturellen Wiedergeburt leisten zu können, die südslawische Toskana zu werden. Die aufschäumende Serbenbegeisterung eines Matos, Krleza oder Ujevic, die jeweils mit herber Ernüchterung endete, wird unter anderem als Versuch verstanden, der kroatischen Enge zu entgehen. Franges verdeutlicht das mit einer Aussage von Matos: "In der Kultur nur Kroate zu sein, bedeutet ein armseliger Kroate zu sein. Ein Mensch, der nur die kulturellen Errungenschaften Kroatiens kennt, kann wohl kein vollkommen gebildeter Mensch sein." Es war der Geist, der die Nähe zu Europa suchte, der der kroatischen Literatur Größe verlieh. Franges hat ihn zur Leitlinie seines Buches gemacht.

Die "Geschichte der kroatischen Literatur" bildet den einstweiligen Höhepunkt der kroatischen Literaturgeschichtsschreibung. Was sein Lehrer und Vorgänger Antun Barac nur im Ansatz verwirklichen konnte, was Slavko Jezic gerundet, doch ohne tragende Methodologie angeboten hatte, wird von Franges mit umfassender Information, kluger Synthese und brillanter Darbietung, nur wenig beeinträchtigt durch gelegentliche stilistische Unsicherheit der Übersetzung, weit überboten.

Vielleicht wäre es zweckmäßig gewesen, für die deutsche Version des Werkes, das vor allem aus der kroatischen Eigenperspektive entworfen wurde, den Vergleich mit den deutschen Verhältnissen noch stärker zu bemühen, als es hier und dort geschehen ist. Allein, als das genommen, was es ist und was es bietet, wird Ivo Franges' Opus magnum allen Wünschen gerecht, die an eine Literaturgeschichte zu stellen sind. Von den Staaten Südosteuropas, die nach 1989 als selbständige Entitäten in den europäischen Raum traten, ist Kroatien der erste, der seine Literatur einem deutschsprachigen Publikum in einer repräsentativen Darstellung zugänglich macht. Das ist ein ansehnlicher Gewinn für beide Seiten. REINHARD LAUER

Ivo Franges: "Geschichte der kroatischen Literatur". Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Aus dem Kroatischen übersetzt von Claudia Schnell nach einer Rohübersetzung von Jutta Bozic. Böhlau Verlag, Köln, Weimar und Wien 1995. 988 S., geb., 218,- DM.

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