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Die Anfänge des Kinos 1895 mit den Projektionen des Cinématographen Lumiere markieren keineswegs eine Stunde Null. Sie sind vielmehr eine Schnittstelle aus den historischen Entwicklungen eines Ensembles von optischen Apparaten und ihrer vielfältigen Bilderwelten, die seit der frühen Neuzeit die mediale Wahrnehmung modelliert haben. Das Spektrum der in diesem Zusammenhang untersuchten Bildermaschinen reicht von der Camera obscura und der Lust am trügerischen Augenschein, wie sie sich in den barocken Blickinszenierungen manifestiert, über die unterhaltenden wie belehrenden Projektionen der…mehr

Produktbeschreibung
Die Anfänge des Kinos 1895 mit den Projektionen des Cinématographen Lumiere markieren keineswegs eine Stunde Null. Sie sind vielmehr eine Schnittstelle aus den historischen Entwicklungen eines Ensembles von optischen Apparaten und ihrer vielfältigen Bilderwelten, die seit der frühen Neuzeit die mediale Wahrnehmung modelliert haben. Das Spektrum der in diesem Zusammenhang untersuchten Bildermaschinen reicht von der Camera obscura und der Lust am trügerischen Augenschein, wie sie sich in den barocken Blickinszenierungen manifestiert, über die unterhaltenden wie belehrenden Projektionen der Laterna magica bis zu den zeitmodellierenden populären Bildmedien des 19. Jahrhunderts. Zu ihnen gehören u. a. das Diorama, die Chronophotographie oder auch die ersten kinematographischen Apparaturen. Ihre Fundierung findet die Studie in der poststrukturalistischen Dispositivtheorie, die um eine kulturhistorische Perspektive erweitert ist. Sie ermöglicht es zu zeigen, wie die Geschichte der optischen Medien die kinematographische Wahrnehmung präfiguriert hat.
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Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

In einer Sammelrezension bespricht Michael Jeismann den Band zusammen mit "Flimmerkiste" (herausgegeben von Nina Schindler bei Gerstenberg) und der "Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland" (hg. von Jürgen Wilke im Böhlau Verlag).
1) "Geschichte der optischen Medien"
Das Buch biete einen Streifzug von der Laterna Magica bis hin zum Kino und beschreibe wie die Wahrnehmung der Wirklichkeit durch diese Medien regelrecht geformt wurde. Es sei zwar nicht leicht zu lesen, erlaube aber einen großen Erkenntnisgewinn.
2) "Flimmerkiste"
Dieser Band biete eine Art "Familienalbum" der deutschen Fernsehgeschichte und einen unterhaltsamen Streifzug durch die Geschichte der Fernsehgattungen von der Talkshow bis zum Polit-Magazin.
3) "Mediengeschichte der Bundesrepublik"
Die von Wilke zusammengestellten Essays lobt Jeismann als "

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.1999

Glotzbrocken
Testbilder aus der Mediengeschichte / Von Michael Jeismann

Das ideale Medium weiß nichts von sich selbst. Es ist geschichtslos, augenblicklich, durchsichtig. Das ideale Medium gibt es nicht. Ob es sich um die mordenden Medien der antiken Tragödie handelt, die Wort und Sinn erheben wie Pfeil und Gift, oder um das Fernsehen, das die wirkliche Welt erfindet, bevor es sie zeigt, das Medium verbindet sich so eng mit dem Dargestellten, dass es dieses schon geprägt und erst hervorgebracht hat. Gleichzeitig gelingt es ihm meistens, ganz im Dargestellten aufzugehen. Und je öfter das Medium erscheint, umso flüchtiger wird es, je mehr man es befragt, desto verschwiegener ist es. Kein Wunder, dass es schwer fällt, sich von den Medien ein Bild zu machen.

In diesem Herbst kann man sich gleich dreimal ein Bild machen. Eine Galerie gestochen scharfer Passbilder ist der von Jürgen Wilke herausgegebene Sammelband "Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland". Der Band führt von den Neugründungen in Presse und Rundfunk in der Zeit der alliierten Besatzung bis in die Gegenwart, ein Kompendium, das sich vor allem durch die Fülle an Informationen und weiterführenden Gesichtspunkten auszeichnet. So sind nicht allein die sich wandelnden institutionellen Rahmenbedingungen, Inhalte und Programme, Rezeption und Publikum berücksichtigt. Es ist zudem gelungen, die Bedeutung von Werbung und Öffentlichkeitsarbeit in und für die Medien zu akzentuieren sowie die Massenmedien in der DDR wenigstens kursorisch darzustellen. Über Orientierungen des journalistischen Selbstverständnisses in Deutschland nach 1945 wird man in einem Beitrag von Wolfgang Donsbach unterrichtet. Hatte der Nestor der deutschen Zeitungswissenschaft, Emil Dovifat, Mitte der sechziger Jahre in einer Berufskunde der Bundesanstalt für Arbeit das Profil des Journalisten als eine künstlerisch veranlagte Persönlichkeit, mit opferbereiter idealistischer Einstellung und ohne Gehbehinderung gezeichnet und rechnete Rainer M. Lepsius den Journalisten zum Typus des Intellektuellen, dessen Impuls zur Kritik und dessen Kompetenz nicht in einem Ausbildungsgang gelehrt werden könne, so hat sich das Bild des Journalisten in jüngster Zeit noch einmal verändert. Donsbach umschreibt diese Veränderung als eine Entwicklung vom "Begabungs- zum Ausbildungsberuf" (der Begabung nicht gänzlich ausschließt). Der Anteil an Hochschulabsolventen unter den Redakteuren in allen Medienbranchen liegt seit fast einem Vierteljahrhundert bei rund sechzig Prozent; anders als in früheren Jahrzehnten ist der Studienabbrecher nicht mehr der herrschende Typus (1974 waren Redakteure zu neununddreißig Prozent Abbrecher, 1992 nur noch zu siebzehn Prozent), sondern derjenige mit abgeschlossenem Hochschulstudium. Zu Recht hebt Donsbach die Ubiquität und Durchlässigkeit der Medienberufe vom Journalismus bis zur Öffentlichkeitsarbeit hervor. Kein Wunder, dass heute mehr Journalisten als früher angeben, ihnen sei das materielle Interesse bei ihrem Beruf sehr wichtig, und dafür im gleichen Maß das persönliche, von Überzeugungen geleitete Engagement als Motiv für die Berufswahl seltener wird.

Das Spiel der Effekte hat weit über die Boulevardblätter hinaus an Bedeutung gewonnen, seltsamerweise gerade in einem Augenblick, da die Ausbildung der Journalisten eine stärkere Sachorientierung eigentlich nahe legen sollte. Dieser Widerspruch löst sich jedenfalls teilweise auf, wenn man bedenkt, dass angesichts wachsender Konkurrenz die Qualifikation performative Eigenschaften einzuschließen hat - was gelegentlich zu Konfusionen über die Aufgabe des Journalismus führt, im Glücksfall aber zu einer durch Kompetenz und Kenntnis gezügelten und inspirierten Darstellung. Drastischer noch ist diese Entwicklung im Fernsehen zu beobachten: Hatte das Fernsehen in den frühen Jahren eine Art volkspädagogischen Bildungsauftrag, der bis in die Spielshows wirkte, so führt die Fragmentierung der Programme zu einer immer stärkeren Konkurrenz der Reize, deren Folgen noch nicht abzusehen sind.

Vom besonderem Interesse ist natürlich der Zusammenhang von Mediengeschichte und allgemeiner Geschichte. Ein Zusammenhang, der schwer zu fassen ist, wenn man einmal von trivialsten Propagandaeffekten absieht. Jürgen Wilke ist diesem Zusammenhang in seinem Beitrag über die Massenmedien und die "Vergangenheitsbewältigung" nachgegangen, der Direktor des Berliner Instituts für Kommunikationsgeschichte, Bernd Sösemann, in einem Beitrag über die Achtundsechziger-Bewegung. Wilke hebt unter anderem die Spannung zwischen Geschichtswissenschaft und Publizistik hervor und vermisst gewissermaßen die wechselnden Abstände zwischen beiden. Sösemann betont die konstitutive Rolle der Medien für die Achtundsechziger Bewegung: Haltungen und Einstellungen wurden vorgeführt und medial vermittelt. Die Medien waren Faktor und Indikator gesellschaftlicher Umbrüche. Dabei schieden sich die Medien für die Aktivisten in Freund und Feind, bis am Ende, zum Jubiläum im vergangenen Jahr, auch die Erinnerung und die Selbstverständigung über das, was vor dreißig Jahren geschah, in den Medien stattfand. Eine Geburtstagsfeier nur mit geladenen Gästen, Unvorhersehbares, Gegenwärtiges musste draußen bleiben.

Im breiten Spektrum der Themen, die der Band bietet, ist der wirtschaftliche Aspekt, also die Analyse der Medienindustrie mit ihren Elefantenhochzeiten und Milliardenumsätzen, freilich zu kurz gekommen; gerade weil er im nationalen Rahmen nicht mehr zu behandeln ist, hätte er in diesem Band stärkere Berücksichtigung verdienst ebenso übrigens wie die Medienkritik, der kein eigener Beitrag gewidmet ist. Die "Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland" spiegelt ohne Zweifel den gegenwärtigen Stand der zeitgeschichtlichen publizistischen Forschung. Weiterführende und übergeordnete Gesichtspunkte tauchen in den Beiträgen zwar auf, sie werden aber nicht in leitende Fragen weiterentwickelt. Trotzdem: Die "Mediengeschichte der Bundesrepublik" wird in den kommenden Jahren ein unentbehrliches Handbuch sein, gerade dort, wo man die reine Gattungsgeschichte verlässt.

Steht bei diesem Band also wie bei einem guten Passfoto die Identifizierbarkeit im Vordergrund, so handelt der von Nina Schindler herausgegebene Band "Flimmerkiste - Ein nostalgischer Rückblick" mehr von der Identifikation, der Innenansicht der Medien, und ist insofern das Familienalbum unter den hier besprochenen Werken. Der Band handelt vor allem davon, "wie wir zu Fernsehzuschauern" wurden, lässt aber auch Akteure vor der Kamera zu Wort kommen. Der Band geht in rund zwanzig Beiträgen die einzelnen Genres des Fernsehens durch - Politmagazine etwa, unter dem sehr treffenden Titel "Journalisten fragen nicht, Politiker antworten trotzdem" - und lässt sie in der subjektiven Erfahrung der Autoren spiegeln.

Es ist ein unterhaltsames Buch, das zu jedem Beitrag noch jeweils eine "Bildstörung" und ein "Fernsehmuseum" stellt, in denen anekdotisch die Fernseherfahrung erinnert wird. Der Band gibt sich nostalgisch, rückwärtsgewandt. Liest man ihn in die andere Richtung von der Vergangenheit in die Gegenwart, so enthält er nicht weniger als Elemente einer Erwartungs- und Kommunikationsgeschichte des Fernsehens unter besonderer Berücksichtigung der Jugendkultur. Wenn die Moderatorin des legendären "Beat Club", Uschi Nerke, erzählt, wie sie sich den Rock kürzte und immer weiter kürzte, dann weiß man, welche Professionalisierung das Spiel der Effekte in den Medien mittlerweile durchlaufen hat. Und man sieht auch die Verluste: Die Medien sind so professionell, selbst im Unprofessionellen, dass der Aufmarsch an Serien und Talkshows ungefähr so gelöst und inspiriert wirkt wie einst die Abnahme der Militärparade zum 1. Mai durch Leonid Breschnew. Aus diesem Band könnten die Fernsehmanager lernen, wie es war, als das Fernsehen ohne Quote fesselte.

Das letzte Bild stammt von Ulrike Hick. "Die Geschichte der optischen Medien" ist im Verhältnis zu den beiden anderen Bänden mit einem genetischen Fingerabdruck vergleichbar. Schwer zu lesen also, aber sicher mit Gewinn. Denn die Studie versucht zu ergründen, wie die Wahrnehmung im Doppelschritt von Geschichte und Technik verändert und modelliert wird. Ulrike Hick arbeitet deutlich heraus, wie das cinematographische Verfahren und ein entsprechender Blick durch die allgemeine Fragmentierung der Bewegungen und Perspektiven im Zuge der Industrialisierung vorbereitet war. Das neunzehnte Jahrhundert wird als Umschlagpunkt in der Geschichte der optischen Medien sichtbar: Die stabile Beziehung zwischen Betrachter und Betrachtetem wird aufgehoben, der Betrachter selbst rückt in den Blickpunkt. Die Autorin zeigt minutiös, wie die Welt der Wahrnehmung in Bewegung kam, noch bevor die Bilder das Laufen lernten.

Es scheint so, als habe das weitgehende Auswirkungen etwa auf das allgemeine Verständnis von Tradition gehabt, deren Zusammenhang allenfalls noch in einer Kette einzelner, isolierter Erlebnisse bestand. Es geht mithin darum, wie das Künstliche zum Natürlichen wurde, und diese Geschichte verfolgt die Autorin von der Camera obscura über den Projektionszauber der Laterna magica bis zum Kino, und zwar jeweils als kulturelle Praxis, also mitsamt dem, was man über die Zuschauer und die Vorführungspraxis in Erfahrung bringen kann. Wer heute im abgedunkelten Kino sitzt, hat also eine ganze Archäologie der Wahrnehmung im Blick.

Jürgen Wilke (Hrsg): "Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland". Böhlau Verlag, Köln 1999. 846 S., Abb., geb., 68,- DM.

Nina Schindler (Hrsg.): "Flimmer-Kiste". Ein nostalgischer Rückblick. Gerstenberg Verlag, Hildesheim 1999. 463 S., Abb., geb., 49,80 DM.

Ulrike Hick: "Geschichte der optischen Medien". Wilhelm Fink Verlag, München 1999. 372 S., br., 78,- DM.

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