Die Versicherungswirtschaft hat keinen einheitlichen Ursprung. Sie ist aus den drei Wurzeln der genossenschaftlichen Zusammenschlüsse, der staatlichen Initiative und der Versicherung auf kaufmännischer Grundlage hervorgegangen.
Das Buch bietet erstmals eine umfassende Geschichte dieses wichtigen Wirtschaftszweiges in Deutschland von den Anfängen bis zur Gegenwart. Es gliedert die Entwicklung in vier Epochen. Der Beginn der Versicherungswirtschaft ist durch erste Ansätze des Versicherungsgedankens bei den mittelalterlichen Gilden und Zünften, aus denen sich selbständige Kassen entwickelt haben, die Errichtung öffentlich-rechtlicher Anstalten und die Entstehung der ersten privaten Versicherungsunternehmen gekennzeichnet. Ihren eigentlichen Aufschwung mit weltweiter Geltung nahm die Branche während des 19. Jahrhunderts. Hektik und Unruhe prägten die Periode zwischen den beiden Weltkriegen, die mit der nicht ausgesparten dunklen Zeit des Nationalsozialismus und dem Zusammenbruch endete. In zwei Abschnitte teilt sich die Epoche nach dem Zweiten Weltkrieg mit den Jahren des Wiederaufbaus bis zur Wiedervereinigung und der sich anschließenden Globalisierung im Zeichen des Europäischen Binnenmarktes ein.
Die Darstellung verbindet die großen Entwicklungslinien innerhalb der Versicherungswirt-schaft mit einer Fülle von Einzelheiten aus allen Teilbereichen. Im Mittelpunkt stehen die Chroniken der zahlreichen deutschen Versicherungsunternehmen, eingebettet in den allgemeinen politischen, wirtschaftlichen und insbesondere auch kulturgeschichtlichen Rahmen. Spezielle Themen bilden namentlich die Sparten, Katastrophen und Großschäden, die Versicherungsvermittlung, die Werbung, die betriebliche Organisation, die Berufsbildung, die Verbände und die rechtlichen Gegebenheiten. Übersichtliche Statistiken konkretisieren den Text.
Es handelt sich sowohl um ein Lesebuch als auch um ein Nachschlagewerk, wobei zur Erleichterung die Lektüre die umfangreichen Literaturnachweise an den Schluss der einzelnen Kapitel verwiesen sind. Der Stoff erschließt sich durch eine Vielzahl von Marginalien und ein ausführliches Register. Ausgewählte Bildvorlagen veranschaulichen die historische Entwicklung.
Das Buch bietet erstmals eine umfassende Geschichte dieses wichtigen Wirtschaftszweiges in Deutschland von den Anfängen bis zur Gegenwart. Es gliedert die Entwicklung in vier Epochen. Der Beginn der Versicherungswirtschaft ist durch erste Ansätze des Versicherungsgedankens bei den mittelalterlichen Gilden und Zünften, aus denen sich selbständige Kassen entwickelt haben, die Errichtung öffentlich-rechtlicher Anstalten und die Entstehung der ersten privaten Versicherungsunternehmen gekennzeichnet. Ihren eigentlichen Aufschwung mit weltweiter Geltung nahm die Branche während des 19. Jahrhunderts. Hektik und Unruhe prägten die Periode zwischen den beiden Weltkriegen, die mit der nicht ausgesparten dunklen Zeit des Nationalsozialismus und dem Zusammenbruch endete. In zwei Abschnitte teilt sich die Epoche nach dem Zweiten Weltkrieg mit den Jahren des Wiederaufbaus bis zur Wiedervereinigung und der sich anschließenden Globalisierung im Zeichen des Europäischen Binnenmarktes ein.
Die Darstellung verbindet die großen Entwicklungslinien innerhalb der Versicherungswirt-schaft mit einer Fülle von Einzelheiten aus allen Teilbereichen. Im Mittelpunkt stehen die Chroniken der zahlreichen deutschen Versicherungsunternehmen, eingebettet in den allgemeinen politischen, wirtschaftlichen und insbesondere auch kulturgeschichtlichen Rahmen. Spezielle Themen bilden namentlich die Sparten, Katastrophen und Großschäden, die Versicherungsvermittlung, die Werbung, die betriebliche Organisation, die Berufsbildung, die Verbände und die rechtlichen Gegebenheiten. Übersichtliche Statistiken konkretisieren den Text.
Es handelt sich sowohl um ein Lesebuch als auch um ein Nachschlagewerk, wobei zur Erleichterung die Lektüre die umfangreichen Literaturnachweise an den Schluss der einzelnen Kapitel verwiesen sind. Der Stoff erschließt sich durch eine Vielzahl von Marginalien und ein ausführliches Register. Ausgewählte Bildvorlagen veranschaulichen die historische Entwicklung.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.08.2012Von der Gilde zum Konzern
Geschichtsband zeichnet präzise den Weg der Assekuranz
Wieso sitzt in München der größte Rückversicherer der Welt? Weshalb wird das Bild des Versicherungsmaklers noch immer durch Hamburger Kaufleute geprägt? Warum operieren eine Gothaer Versicherung von Köln und eine (Alte) Leipziger von Oberursel aus? All diese Fragen lassen sich nur mit einem tiefen Blick in die deutsche Versicherungsgeschichte zufriedenstellend erklären. Liest man mit einiger Ausdauer Peter Kochs gerade erschienene aufwendig recherchierte und sorgsam bebilderte "Geschichte der Versicherungswirtschaft in Deutschland", erfährt man fast alles darüber.
Wie das weltumfassende Modell der Rückversicherung Carl von Thiemes sich anderen Varianten überlegen zeigte: der Aufstieg der heutigen Munich Re. Wie mit dem Seeversicherungsgeschäft auch private Versicherungsunternehmen erstmals in Deutschland Geschäfte machten: der Ausgangspunkt der hanseatischen Assekuradeure. Oder wie im Juli 1945 die sowjetische Militärverwaltung ein Betätigungsverbot für die bestehenden Versicherer in der ostdeutschen Besatzungszone verhängte: eine Heimatsuche im geteilten Staat. Das Buch lässt kaum eine der Fragen an das Versicherungswesen unbeantwortet - auch die nicht, warum Ludwig Erhard trotz der Sozialen Marktwirtschaft Einheitstarife in der Assekuranz schuf.
Der Jurist Peter Koch ist der Versicherungswirtschaft seit Jahrzehnten verbunden und leitete bis Anfang der achtziger Jahre sogar selbst die Aachen und Münchener Rückversicherungsgesellschaft. Zudem hat er sich lange Zeit der Versicherungswissenschaft gewidmet und wichtige Publikationen verantwortet. Mit seinem lesenswerten Geschichtsband stellt er sich der schwierigen Aufgabe, sowohl die Geschichte einer Branche als auch die ihrer Unternehmen zu erzählen. Das Vorhaben ist geglückt: Souverän flicht er die Entwicklung aller bedeutenden Marktteilnehmer ein und verknüpft sie mit den großen Linien der Sozialgeschichte.
So erklärt Koch den Aufschwung der Kraftfahrtversicherung mit der Gefährdungshaftung für Fahrzeughalter, die im späten Kaiserreich im Jahre 1909 eingeführt wurde. Der Leser erfährt vom Sterben vieler berufsständischer Krankenkassen nach den Bismarckschen Sozialreformen - und dem damaligen Überleben der Krankenversicherer, die sich auf die nicht berücksichtigten Bevölkerungsgruppen spezialisierten. Und auch die Entwicklung hin zu einem stärker von Verbraucherschutzgedanken geprägten Wirtschaftszweig zeichnet der Autor präzise nach.
Diese Genauigkeit ist zugleich die Stärke und die Schwäche des 550 Seiten starken Bandes. Er ist nicht gerade flockig geschrieben. Präzision geht eindeutig vor Anschaulichkeit. An konkreten Ereignissen wie dem verheerenden Brand in Hamburg 1842 oder einem Exkurs, der die Reichskristallnacht versicherungstechnisch behandelt, merkt man, wie aus einem interessanten auch ein spannendes Buch werden könnte, wenn ab und zu anschaulich erzählt würde. Auch das Kapital über die Folgen der Inflation von 1923 für die Lebensversicherung oder der Abschnitt über das unseriöse Gebaren der Versicherer nach dem Fall der Mauer lesen sich spannend. Vielleicht ließe sich das in einer hoffentlich notwendigen zweiten Auflage lösen, indem der lange Haupttext durch anekdotische Erzählkästen aufgelockert wird - auch wenn das den Umfang noch einmal steigern würde.
Getröstet wird man durch die Struktur des Textes. Der Band ist mit Stichworten am Seitenrand so übersichtlich gestaltet, dass man auch Seiten überblättern und dennoch bald wieder in die große Erzählung einsteigen kann. Wer mehr an den Hauptlinien interessiert und wem einzelne Firmengeschichten zu detailliert sind, der kann sich auch über die Stichworte zurechtfinden - zumal der chronologische Text Raum für neue Produktarten oder Sparten gibt, mal einen sozialgeschichtlichen Fakt oder eine Region in den Mittelpunkt rückt und auch die Entwicklungen am Versicherungs-Arbeitsmarkt beleuchtet.
Die 28 Seiten zur Geschichte der Versicherungswirtschaft im Nationalsozialismus sind angemessen lang und hinreichend tief für einen Übersichtsband. So erfährt man beispielsweise, dass Goebbels' Bruder Hans in dieser Zeit die Provinzial Versicherungsanstalten in Düsseldorf leitete. Dass Allianz-Direktor Kurt Schmitt nicht nur lange Zeit vor dem Jahr 1933 intensive Kontakte zu NS-Größen pflegte, sondern damit auch einer ihrer wichtigen wirtschaftlichen Wegbereiter war, hätte man vielleicht expliziter formulieren können. Das fügt sich aber in den bewusst nüchternen Ton des Buches. Entsprechend ausführlich wird auch erklärt, warum sich die Assekuranz im Jahre 2000 an der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" beteiligt hat.
Kochs "Geschichte der Versicherungswirtschaft in Deutschland" wird wohl künftig im Regal vieler Vorstandsbüros stehen. Sie hätte aber mehr verdient und ist eine wertvolle Lektüre für jeden Neuling in der Branche, der sich für mehr als Schadenbearbeitung und Überschussbeteiligung interessiert. Und wer genau liest, erfährt dann auch, dass Ludwig Erhard tatsächlich in der Assekuranz eine Ausnahme vom freien Wettbewerb für notwendig hielt.
PHILIPP KROHN.
Peter Koch: Geschichte der Versicherungswirtschaft in Deutschland.
Verlag Versicherungswirtschaft, Karlsruhe 2012, 554 Seiten, 69 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Geschichtsband zeichnet präzise den Weg der Assekuranz
Wieso sitzt in München der größte Rückversicherer der Welt? Weshalb wird das Bild des Versicherungsmaklers noch immer durch Hamburger Kaufleute geprägt? Warum operieren eine Gothaer Versicherung von Köln und eine (Alte) Leipziger von Oberursel aus? All diese Fragen lassen sich nur mit einem tiefen Blick in die deutsche Versicherungsgeschichte zufriedenstellend erklären. Liest man mit einiger Ausdauer Peter Kochs gerade erschienene aufwendig recherchierte und sorgsam bebilderte "Geschichte der Versicherungswirtschaft in Deutschland", erfährt man fast alles darüber.
Wie das weltumfassende Modell der Rückversicherung Carl von Thiemes sich anderen Varianten überlegen zeigte: der Aufstieg der heutigen Munich Re. Wie mit dem Seeversicherungsgeschäft auch private Versicherungsunternehmen erstmals in Deutschland Geschäfte machten: der Ausgangspunkt der hanseatischen Assekuradeure. Oder wie im Juli 1945 die sowjetische Militärverwaltung ein Betätigungsverbot für die bestehenden Versicherer in der ostdeutschen Besatzungszone verhängte: eine Heimatsuche im geteilten Staat. Das Buch lässt kaum eine der Fragen an das Versicherungswesen unbeantwortet - auch die nicht, warum Ludwig Erhard trotz der Sozialen Marktwirtschaft Einheitstarife in der Assekuranz schuf.
Der Jurist Peter Koch ist der Versicherungswirtschaft seit Jahrzehnten verbunden und leitete bis Anfang der achtziger Jahre sogar selbst die Aachen und Münchener Rückversicherungsgesellschaft. Zudem hat er sich lange Zeit der Versicherungswissenschaft gewidmet und wichtige Publikationen verantwortet. Mit seinem lesenswerten Geschichtsband stellt er sich der schwierigen Aufgabe, sowohl die Geschichte einer Branche als auch die ihrer Unternehmen zu erzählen. Das Vorhaben ist geglückt: Souverän flicht er die Entwicklung aller bedeutenden Marktteilnehmer ein und verknüpft sie mit den großen Linien der Sozialgeschichte.
So erklärt Koch den Aufschwung der Kraftfahrtversicherung mit der Gefährdungshaftung für Fahrzeughalter, die im späten Kaiserreich im Jahre 1909 eingeführt wurde. Der Leser erfährt vom Sterben vieler berufsständischer Krankenkassen nach den Bismarckschen Sozialreformen - und dem damaligen Überleben der Krankenversicherer, die sich auf die nicht berücksichtigten Bevölkerungsgruppen spezialisierten. Und auch die Entwicklung hin zu einem stärker von Verbraucherschutzgedanken geprägten Wirtschaftszweig zeichnet der Autor präzise nach.
Diese Genauigkeit ist zugleich die Stärke und die Schwäche des 550 Seiten starken Bandes. Er ist nicht gerade flockig geschrieben. Präzision geht eindeutig vor Anschaulichkeit. An konkreten Ereignissen wie dem verheerenden Brand in Hamburg 1842 oder einem Exkurs, der die Reichskristallnacht versicherungstechnisch behandelt, merkt man, wie aus einem interessanten auch ein spannendes Buch werden könnte, wenn ab und zu anschaulich erzählt würde. Auch das Kapital über die Folgen der Inflation von 1923 für die Lebensversicherung oder der Abschnitt über das unseriöse Gebaren der Versicherer nach dem Fall der Mauer lesen sich spannend. Vielleicht ließe sich das in einer hoffentlich notwendigen zweiten Auflage lösen, indem der lange Haupttext durch anekdotische Erzählkästen aufgelockert wird - auch wenn das den Umfang noch einmal steigern würde.
Getröstet wird man durch die Struktur des Textes. Der Band ist mit Stichworten am Seitenrand so übersichtlich gestaltet, dass man auch Seiten überblättern und dennoch bald wieder in die große Erzählung einsteigen kann. Wer mehr an den Hauptlinien interessiert und wem einzelne Firmengeschichten zu detailliert sind, der kann sich auch über die Stichworte zurechtfinden - zumal der chronologische Text Raum für neue Produktarten oder Sparten gibt, mal einen sozialgeschichtlichen Fakt oder eine Region in den Mittelpunkt rückt und auch die Entwicklungen am Versicherungs-Arbeitsmarkt beleuchtet.
Die 28 Seiten zur Geschichte der Versicherungswirtschaft im Nationalsozialismus sind angemessen lang und hinreichend tief für einen Übersichtsband. So erfährt man beispielsweise, dass Goebbels' Bruder Hans in dieser Zeit die Provinzial Versicherungsanstalten in Düsseldorf leitete. Dass Allianz-Direktor Kurt Schmitt nicht nur lange Zeit vor dem Jahr 1933 intensive Kontakte zu NS-Größen pflegte, sondern damit auch einer ihrer wichtigen wirtschaftlichen Wegbereiter war, hätte man vielleicht expliziter formulieren können. Das fügt sich aber in den bewusst nüchternen Ton des Buches. Entsprechend ausführlich wird auch erklärt, warum sich die Assekuranz im Jahre 2000 an der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" beteiligt hat.
Kochs "Geschichte der Versicherungswirtschaft in Deutschland" wird wohl künftig im Regal vieler Vorstandsbüros stehen. Sie hätte aber mehr verdient und ist eine wertvolle Lektüre für jeden Neuling in der Branche, der sich für mehr als Schadenbearbeitung und Überschussbeteiligung interessiert. Und wer genau liest, erfährt dann auch, dass Ludwig Erhard tatsächlich in der Assekuranz eine Ausnahme vom freien Wettbewerb für notwendig hielt.
PHILIPP KROHN.
Peter Koch: Geschichte der Versicherungswirtschaft in Deutschland.
Verlag Versicherungswirtschaft, Karlsruhe 2012, 554 Seiten, 69 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main