Die vorliegende Dissertation setzt sich mit der Geschichte der Veterinäranästhesiologie, ihren Grundsteinen, der Akzeptanz innerhalb der Veterinärmedizin und den Hintergründen der Entwicklung und Etablierung einzelner Methoden auseinander. Thematisiert wurde die Historie der Veterinäranästhesiologie im deutschsprachigen Raum unter Berücksichtigung der Ereignisse im Ausland. Ziel dieser Arbeit war es, die entscheidenden Ereignisse und Beweggründe, die zu der heutigen Veterinäranästhesiologie führten, darzustellen. Im 17. und 18. Jahrhundert erprobten Physiologen die Wirkung verschiedener Substanzen am Tier, um einen Erkenntnisgewinn für den Menschen zu erlangen oder zur Befriedigung ihrer wissenschaftlichen Neugierde. Schmerzhafte Eingriffe an lebenden Tieren fanden dabei in der Regel ohne Analgesie oder Narkose statt. Mit der Zeit nahm die Kenntnis über das Schmerzempfinden von Tieren zu und immer häufiger äußerten einzelne Akteure ihr Mitgefühl. Die Debatte über die Empfindungen bei Tieren brachte manchen Tierarzt zum Nachdenken über sein Handeln, da es an effektiven Analgesieverfahren mangelte. Zwangsmaßnahmen zur Ruhigstellung von Tieren gab es hingegen zahlreich. Die Entdeckung gasförmiger Substanzen schuf eine entscheidende Grundlage für die heutige Inhalationsanästhesie. Zeitnah mit der Einführung der Äthernarkose 1846 in die Humanmedizin folgte 1847 die Etablierung in der Veterinärmedizin. Nicht nur an den tierärztlichen Bildungsstätten wurde diese Methode erprobt, auch praktische Tierärzte berichteten von ihren Erfahrungen, so wie der deutsche Veterinär Hering 1847. Für die Verabreichung der Narkosegase verwendeten die Tierärzte häufig simple Konstruktionen wie die offene Tropfnarkose oder einfach konstruierte Apparate. Die vorhandenen Methoden erwiesen sich allerdings als unzuverlässig. Die erwünschten Effekte stellten sich nicht ein oder es kam zu tödlichen Zwischenfällen, was eine Diskussion über den Nutzen und die Umsetzung der Narkose in der tierärztlichen Praxis auslöste. Die Einführung neuer Wirkstoffe in die Tiermedizin, wie Chloroform (1848), Chloralhydrat (1884) oder Kokain (um 1889), weckte neue Zuversicht. Darüber hinaus setzten sich Tierärzte vermehrt mit der Verbesserung von Narkoseapparaten oder Masken auseinander. Man versuchte außerdem, durch eine Kombination von Wirkstoffen eine bessere Verträglichkeit der Allgemeinanästhesie herbeizuführen, und baute gleichzeitig die Lokalanästhesie aus. 1890 fand in der deutschsprachigen Fachliteratur erstmals die örtliche Anästhesie zur Lahmheitsdiagnostik beim Pferde Erwähnung. Um 1901 führten die Tierärzte Cuillé und Sendrail die subarachnoidale Injektion bei Pferd, Rind und Hund ein. Die zunehmende Etablierung der Anästhesiologie in der Tiermedizin verdeutlichten das Erscheinen des Fachbuchs „Anaesthesia and narcosis of animals and birds“ von Hobday im Jahr 1915 und der Erlass des „Animals (Anaesthetic) Act“ 1919 in Großbritannien. Mit dem Erlass des Reichstierschutzgesetzes 1933 wurde in Deutschland erstmals eine Analgesie und Bewusstseinsausschaltung beim Tier reglementiert. In der tierärztlichen Praxis versuchte man, für verschiedene Tierarten optimale Narkose- oder Analgesieverfahren zu etablieren. Für Pferde galt viele Jahre Chloralhydrat als das einzig zuverlässige Narkotikum. Die Versuche von Berge und Völker im Jahr 1932 führten zu einer neuen Sichtweise über die Möglichkeiten der Äthernarkose beim Pferd. Daneben fand die Extraduralanästhesie großen Anklang in der Großtierpraxis. 1936 erkannten Silbersiepe und Berge den Nutzen von Eunarcon für die Schweinemedizin. Es folgten die Nutzung der endotrachealen Intubation und die Einführung der Barbiturate in die Kleintieranästhesiologie. Insbesondere Pernocton setzte sich in der tierärztlichen Praxis bei Hundenarkosen durch. In Großbritannien führten 1934 Wright und Oyler das Pentobarbital (Nembutal®) in die Kleintiermedizin ein. 1941 erschien das Hand- und Lehrbuch „Veterinary Anaesthesia“ von Wright, welches den mittlerweile vielfältigen Anästhesiemethoden bei unterschiedlichen Tierarten Rechnung trug. 1949 führten Berge und Müller Polamidon® in die Tiermedizin ein. Das Folgepräparat Polamivet® stellte die erste für die Veterinärmedizin hergestellte analgetisch wirksame Substanz dar. Die Kombination von Neuroleptika und Opioiden hielt 1954 durch Berichte von Brass und Fritsch Einzug in die Tiermedizin. 1950 erwähnte Knoblauch den Gebrauch des peripher wirksamen Muskelrelaxans Curare in der Kleintiermedizin. Eine Weiterentwicklung stellte der zentral wirksame Guajakol-Glycerinäther dar, welcher 1954 durch Westhues in die klinische Tiermedizin eingeführt wurde. 1957 hielt das Inhalationsanästhetikum Halothan durch Hall Einzug in die Tiermedizin. Die zunehmende Anzahl narkotisch oder analgetisch wirksamer Substanzen trug dazu bei, dass die Veterinäranästhesiologie eine immer größere Akzeptanz genoss. Die erfolgreiche Einführung weiterer Wirkstoffe und der technische Fortschritt der Narkoseapparate und Hilfsmittel ermöglichten Tierärzten immer kompliziertere Eingriffe. Das Selbstbewusstsein der jungen Disziplin wuchs. Die zunehmende Professionalisierung der Veterinäranästhesiologie spiegelte sich in der Gründung der „Association of Veterinary Anaesthetists“ 1964 wider. 1970 erschien erstmals das „Journal of Veterinary Anaesthesia and Analgesia“. Darüber hinaus wurde das erste deutschsprachige Fachbuch der Veterinäranästhesiologie „Die Narkose der Tiere“ von Westhues und Fritsch in zwei Bänden in den Jahren 1960 und 1961 veröffentlicht. Der Weg zu einer eigenständigen Disziplin war gebahnt. In den Folgejahren entstanden erste Fachabteilungen und Lehrstühle sowie die Möglichkeit zur nationalen oder internationalen Weiterbildung zum Fachtierarzt für Anästhesiologie. Die Anästhesiologie hat sich bis heute zu einem unerlässlichen Fach der Veterinärmedizin entwickelt.