Marktplatzangebote
27 Angebote ab € 1,49 €
  • Buch mit Leinen-Einband

Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre fand mit der Auflösung der Sowjetunion und der Wiedervereinigung Deutschlands eine radikale Umwälzung der politischen Verhältnisse statt, die seit dem zweiten Weltkrieg wie festzementiert schienen. Mit dem Jahr 1941 beginnend, berichtet Gregor Schöllgen über die großen Politiker, die in den letzten 50 Jahren Weltpolitik schrieben, und geht den politischen, wirtschaftlichen und militärischen Entwicklungen dieser Jahrzehnte nach.

Produktbeschreibung
Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre fand mit der Auflösung der Sowjetunion und der Wiedervereinigung Deutschlands eine radikale Umwälzung der politischen Verhältnisse statt, die seit dem zweiten Weltkrieg wie festzementiert schienen. Mit dem Jahr 1941 beginnend, berichtet Gregor Schöllgen über die großen Politiker, die in den letzten 50 Jahren Weltpolitik schrieben, und geht den politischen, wirtschaftlichen und militärischen Entwicklungen dieser Jahrzehnte nach.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.10.1996

Lust auf Weltpolitik
Um Deutschland und um Deutschland herum

Gregor Schöllgen: Geschichte der Weltpolitik von Hitler bis Gorbatschow 1941- 1991. Verlag C. H. Beck, München 1996. 573 Seiten, 14 Abbildungen, 68,- Mark.

"Frühmorgens brach die Hölle los." Wie bitte? Aber so lautet tatsächlich, man hat nicht aus Versehen einen Konsalik erwischt, der erste Satz dieser Geschichte der Weltpolitik. Gemeint ist der Morgen des 22. Juni 1941, als die Streitkräfte des nationalsozialistischen Deutschland zum Überfall auf die Sowjetunion ansetzten. Außerdem setzen diese Worte gleich den Standard für alle folgenden vierzehn Kapitel. Sie werden jeweils durch einen knalligen Begriff anmoderiert, durch erläuternde Unter-Überschrift mit einer Auskunft zu inhaltlichem Schwerpunkt und zeitlichem Rahmen des Kapitels befrachtet - und dann freuen sich der Leser und die Leserin schon auf den Eingangssatz.

Der für das erste Kapitel wurde schon zitiert. Dieses Kapital heißt: "Weichenstellung. Entscheidungen im Weltkrieg 1941- 1945". Das folgende dann: "Provisorien. Ergebnisse alliierter Europapolitik 1945- 1949", das dritte: "Antwort. Die deutsche Frage in der Weltpolitik 1949-1961".

Weltpolitik wird herkömmlicherweise als Bezeichnung für zwei verschiedene Sachverhalte verwendet. Ein älterer, aber noch aktueller Sprachgebrauch benutzt dieses Wort, um den weitestmöglichen Horizont der Außenpolitik eines Staates zu benennen; gleichzeitig drückt sich darin eine Rangvorstellung aus, denn nur große und mächtige sowie außenpolitisch aktive Staaten können Weltpolitik treiben. Zweitens umfaßt Weltpolitik aber auch die Summe und das Geflecht aller außenpolitischen Vorgänge und Handlungen von mehr als nur lokaler Bedeutung. Eine Reihe von Entwicklungen auf den Gebieten der Wirtschaft, Technologie und Kommunikation hat in den letzten fünfzig Jahren die Verbreiterung und Intensivierung der Weltpolitik in diesem zweiten Wortsinne bewirkt.

Schöllgens Konzept von Weltpolitik liegt irgendwo zwischen diesen beiden Begriffen. Nach dem Stilprinzip "Immer drauflos!" erzählt er die Geschichte des Ost-West-Konflikts zwischen 1941 und 1991 vor allem auch als Geschichte deutscher Weltpolitik, ihrer Hybris, ihrer Beschränkungen, ihrer als Halbierung gemeinten Verdoppelung und ihrer Wiederauferstehung mit der Vereinigung. Über das übrige Weltgeschehen wird hauptsächlich als Rahmenbedingung der Vorgänge in und um Deutschland berichtet. Wegen des hohen Grades der internationalen Verflechtungen werden keine wichtigen weltpolitischen Vorgänge in diesen fünf Jahrzehnten ausgelassen; zuweilen werden sie aber perspektivisch sehr verkürzt. Außerdem überzeugt die Entscheidung Schöllgens nicht so recht, im Sommer 1941 den Kalten Krieg oder, wie er ihn am Schluß nennt, den "Dritten Krieg" anfangen zu lassen. Schon Ernst Nolte hatte mit seinem monumentalen Buch "Deutschland und der Kalte Krieg" vor gut zwei Jahrzehnten eine germanozentrische Beschreibung und Erläuterung des Ost-West-Konflikts vorgelegt. Dort war solche Placierung des Brennpunktes der weltpolitischen Betrachtungen noch von melancholisch-aggressiven Theorie-Exkursen umspielt gewesen. Das spornte zu Auseinandersetzungen an.

Hier nun haben wir es zugleich leichter und schwerer. Nichts von Melancholie oder intellektueller Aggressivität, im Gegenteil. Der Erzählton ist frohgemut und von sanfter Pastoralität - die Hölle der ersten Satzes behelligt niemanden weiter. Aber auch nichts von einigermaßen greifbaren und der Komplexität der beschriebenen Vorgänge angemessenen theoretischen Konzepten. Die politischen Ereignisse werden wie Fernsehnachrichten präsentiert. Wenn es Veränderungen anzukündigen und zu erzählen gibt, etwa beim Übergang vom Kalten Krieg zur Ost-West-Entspannung, dann benutzt Schöllgen folgerichtig die Formulierungen der seinerzeitigen Verfechter solcher Veränderungen: Es habe keine Alternative gegeben. Was sich vollzogen hat, mußte sich eben vollziehen. Das ist eine befriedigende Erklärung nur, wenn man keine haben will.

Warum auch nicht? Wenn es denn richtig ist, daß die Zeitgenossen vor lauter Ablenkungen und Informationslawinen auch die eigene Zeitgeschichte nicht mehr überblicken, dann kann eine solide Gesamtdarstellung - Fakten, Fakten, Fakten - jedenfalls nicht schaden. Und dieses Ziel wird ohne Atemlosigkeit erreicht. Bei allen Schwierigkeiten, das chronologische Konzept durchzuhalten, bei allem Deutschland-Zentrismus und trotz des auf die Dauer ein wenig ungemütlich wirkenden Popularisierungs-Erzählstils des Autors sowie seiner ungebremsten Begeisterung für komplette Vornamenslisten ("Karl-Heinz Egon Bahr") ist doch eine riesige Fülle von Daten und Informationen von ihm in, so gut es ging, übersichtliche Form gebracht worden. Die sorgfältig erarbeitete Bibliographie und die Chronik im Anhang sollen besonders hervorgehoben sein.

So ist Schöllgen ein handliches Propädeutikum zur Zeitgeschichte geglückt, garniert mit vorsichtigen politischen Wertungen, die, weil systematisch zentriert, weitgehend widerspruchsfrei bleiben werden.

WILFRIED VON BREDOW

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr