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Dietrich-Alex Kochs Darstellung der Geschichte des Urchristentums umfasst den Zeitraum von der Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem 30 n.Chr. bis etwa 150 n.Chr. Es ist im deutschsprachigen Raum nach Jahrzehnten die erste wissenschaftliche Gesamtdarstellung dieser für das Christentum insgesamt grundlegende Epoche. Die Entstehung und Ausdifferenzierung des Urchristentums begreift Koch einerseits als einen inneren Prozess, andererseits stellt er die Geschichte in den Horizont der hellenistisch-römischen Welt, sowohl der paganen wie auch der jüdischen. Dieser sogenannten »Umwelt« widmet…mehr

Produktbeschreibung
Dietrich-Alex Kochs Darstellung der Geschichte des Urchristentums umfasst den Zeitraum von der Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem 30 n.Chr. bis etwa 150 n.Chr. Es ist im deutschsprachigen Raum nach Jahrzehnten die erste wissenschaftliche Gesamtdarstellung dieser für das Christentum insgesamt grundlegende Epoche. Die Entstehung und Ausdifferenzierung des Urchristentums begreift Koch einerseits als einen inneren Prozess, andererseits stellt er die Geschichte in den Horizont der hellenistisch-römischen Welt, sowohl der paganen wie auch der jüdischen. Dieser sogenannten »Umwelt« widmet Dietrich-Alex Koch zwei einleitende Kapitel. In diesem Rahmen beschreibt er den dynamischen Prozess der Ausbreitung und inneren Pluralisierung des Urchristentums, der beständig die Frage nach den identitätsstiftenden und -sichernden Faktoren hervorruft. Zusätzlich behandelt Koch die Entwicklung der Gemeindeorganisation zwischen 90 und 150 n.Chr. sowie das konfliktreiche Verhältnis zur paganen Mehrheitsgesellschaft.Neben der Darstellung der einschlägigen Fachdiskussion, arbeitet der Autor bewusst aus den Quellen heraus, die häufig zu Wort kommen und kritisch befragt werden. Zahlreiche Beilagen, Exkurse und Abbildungen veranschaulichen die Ausführungen, verschiedene Register erleichtern den Zugang zu diesem Band zusätzlich.Eine optimale Ergänzung bietet Kochs Werk zu den Bildern aus der Welt des Urchristentums: Es war die Welt des Römischen Reichs, das den ganzen Mittelmeerraum umspannte, die Welt der hellenistisch-römischen Kultur und Wirtschaft und der antiken Religionen.Auf über 400 thematisch geordneten, farbigen Abbildungen veranschaulicht der Neutestamentler Koch die vielen sichtbaren Zeugnisse, die von dieser Welt heute noch sichtbar sind.Dieses Buch bereitet wunderbar auf Studienreisen vor. Es ist aber an sich schon eine Lesereise in die Welt des Urchristentums.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Dr. theol. Dietrich-Alex Koch ist Professor em. für Neues Testament an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.10.2013

Paulus der Missionar, Petrus der Verbindungsmann
Mit der Erfindung des Gemeindebriefes beginnt die schriftliche Überlieferung der ersten Christen: Dietrich-Alex Koch zeichnet die Geschichte des Urchristentums nach

Das erste lange Jahrhundert der christlichen Kirche, die Zeit vom Tod Jesu im Jahr 30 bis etwa 150, wird üblicherweise unter dem Epochenbegriff Urchristentum abgehandelt. Vom Urchristentum lassen sich im Wesentlichen drei parallel laufende und ineinander verflochtene Geschichten erzählen: die Geschichte eines Erfolgs, einer Kontroverse und einer Verfolgung.

Die Erfolgsgeschichte der Konsolidierung und Ausbreitung des Christentums von Jerusalem bis Rom ist gekennzeichnet durch missionarischen Eifer, Entstehung einer ersten christlichen Literatur aus Briefen und Evangelien und Erfindung des Bischofsamts. Bei der Kontroverse zwischen Gemeinden, in denen jüdisches Brauchtum gepflegt wird, und solchen, die auf jüdisches Brauchtum ganz oder großenteils verzichten, zeichnet sich der Sieg der Letzteren ab. Die Geschichte des wiederholten Zusammenstoßes christlicher Gemeinden mit jüdischen Autoritäten und der polytheistischen Umwelt führt zu Beginn des zweiten Jahrhunderts zur Kriminalisierung des Christentums, Verfolgung und Martyrium.

Wer diese Ereignisse und Entwicklungen nacherzählt, stellt gewöhnlich die Gestalt des Paulus in den Mittelpunkt, denn über ihn und sein Werk haben wir die meisten Quellen, nämlich seine im Neuen Testament überlieferten Briefe, dann die eher romanhafte, aber auch historische Erinnerung spiegelnde Apostelgeschichte sowie die im griechischen Delphi gefundene Gallio-Inschrift. Der Text dieser Inschrift ist zwar fast ganz zerstört, doch ermöglicht sie, die Anwesenheit des Paulus in Korinth in die Jahre 51 und 52 zu datieren.

Auch die neue "Geschichte des Urchristentums" von Dietrich-Alex Koch, Professor emeritus für Neues Testament an der Universität Münster, stellt Paulus ins Zentrum. Dargestellt wird Paulus als ehemaliger Christenverfolger, über den nur wenige historische Fakten auszumachen sind, und als rastloser Missionar, der zunächst von Antiochia (heute Antakya in der östlichen Türkei), dann von Korinth und Ephesus aus agiert. Als Unruhestifter aus der Stadt Thessaloniki ausgewiesen und dadurch von seiner neugegründeten Gemeinde getrennt, erfindet Paulus den Gemeindebrief. So entsteht im Jahr 51 mit dem ersten Thessalonicherbrief das erste uns erhaltene Dokument des Christentums.

In Jerusalem kommt es zur Gefangennahme des Paulus auf Veranlassung jüdischer Behörden. Bekannt ist seine Verbringung nach Rom, die in der Apostelgeschichte ausführlich erzählt wird. Doch über die Einzelheiten und den Ausgang des Paulus-Prozesses sind wir schlecht informiert. Besaß Paulus das römische Bürgerrecht und wurde deshalb nach Rom überstellt? Nach Koch ist die Zuschreibung des Bürgerrechts vielleicht eine Erfindung des Verfassers der Apostelgeschichte. Über den Ausgang des Prozesses verlautet in der Apostelgeschichte nichts, doch hält Koch den Tod des Paulus in Rom um das Jahr 61 für wahrscheinlich. Ob er allerdings hingerichtet wurde oder den notorisch schlechten Haftbedingungen erlag, lässt sich nicht mehr ausmachen.

Was weiß man über Petrus, die zweite in der Apostelgeschichte hervorgehobene frühchristliche Gestalt? Nach dem Zeugnis der Apostelgeschichte wurde die allererste christliche Gemeinde, die es überhaupt gab, von einer Troika geleitet: Petrus, Johannes Zebedäus und Jakobus, dem Bruder Jesu. Später wird allerdings nur noch Jakobus als Vorsteher genannt. Dafür bietet Koch eine ebenso überraschende wie bedenkenswerte Erklärung an: Petrus habe für sich eine neue Rolle gefunden - die eines "liaison officers". Er habe die Kirche als Netzwerk von Personen verstanden, sich selbst aber als Verbindungsmann zwischen den verschiedenen, neu entstehenden Gemeinden zunächst in Palästina, dann aber darüber hinaus. Er habe sich ständig auf Reisen befunden, um die Gemeinden zu besuchen, Kontakte zu knüpfen und das Auseinanderstreben des jungen Christentums zu verhindern. Liaison, nicht Mission war das Programm des Petrus.

Größere Reisen haben Petrus und seine Frau nach Antiochia und möglicherweise bis nach Korinth und Rom geführt, wo er, nach allerdings kaum zu verifizierender Überlieferung, den Märtyrertod gestorben sein mag. Während bei manchen Historikern derzeit die Parole lautet "Petrus war nie in Rom", zählt Koch zu jenen konservativen Autoren, die einen römischen Petrus zumindest für plausibel halten.

Koch legt keine zusammenhängende Erzählung vor, die man schnell lesen könnte. Seine Darstellungsweise ist untersuchend, oft nahezu als Forschungsprotokoll formuliert. Seine Leser sollen kein fertiges Wissen vorgesetzt bekommen, sondern den Prozess des Wissenserwerbs nachvollziehen; von ihnen wird Mitdenken und sehr viel Geduld erwartet.

In den neunziger Jahren hat der Heidelberger Neutestamentler Gerd Theißen ein nach ähnlicher Methode verfasstes Lehrbuch über den historischen Jesus vorgelegt. Es ist inzwischen mehrfach aufgelegt und ins Englische übersetzt worden. Ob Kochs Geschichte des Urchristentums ebenso erfolgreich sein wird, muss sich zeigen. Dagegen könnte sprechen, dass Koch englischsprachige Forschungsbeiträge nur selten erwähnt und schon gar nicht diskutiert. Dafür spricht, dass es derzeit kein ebenso umfassend orientierendes Werk über das Urchristentum gibt.

BERNHARD LANG

Dietrich-Alex Koch: "Geschichte des Urchristentums". Ein Lehrbuch.

Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2013. 665 S., geb., 79,99 [Euro].

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