Das Buch beginnt mit der Vor- und Frühgeschichte Japans, führt über den ersten Einheitsstaat, die Zeit der großen Ritterfamilien des Mittelalters bis zur Öffnung Japans am Ende der Edo-Zeit (1868) und die Etablierung des modernen Staates im 20. Jahrhundert. Manfred Pohl beschreibt, wie sich Japan von der Niederlage des 2. Weltkriegs zur wirtschaftlichen Supermacht entwickelte und wie seine Rolle heute im Zeitalter der Globalisierung aussieht.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Für Steffen Gnam schließt Manfred Pohls Japan-Geschichte eine publizistische Lücke. Auf hundert Seiten gelänge es dem Autor, sozusagen im Schnelldurchgang, vom geografischen und kulturellen Isolationismus Japans bis zum Aufstieg als Weltwirtschaftsmacht, die Geschichte des Landes zu rekapitulieren. Pohl liefere entgegen der landläufigen Meinung vom angeblich homogenen japanischen Volk verschiedene Herkunfstheorien zum Urjapaner, berichtet Gnam, ebenso betone er die Rolle Koreas als Kulturvermittler zwischen China und Japan. Insgesamt, heißt es in Gnams Resümee, relativiere Pohl die immer so betonte rasche Modernisierung des Landes, die nach Meinung des Autors auf bereits im 19. Jahrhundert geschaffenen Verwaltungsstrukturen des Nationalstaat beruhe. Schon damals hätte es eine effiziente Elitebürokratie und ein frühmodernes Unternehmertum gegeben.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.10.2002Wer seine Krieger auch im Frieden beschäftigen will, mache sie am besten zu Beamten
Pointierter Schnelldurchgang ohne Fisimatenten: Manfred Pohls Standardwerk zur "Geschichte Japans" schließt eine publizistische Lücke
Manfred Pohl rekonstruiert in seiner Abhandlung zur Geschichte Japans das Auf und Ab der rivalisierenden Clans und Herrscherfamilien, die Hauptstadtwanderungen und die wechselhafte Historie des Kaiserhauses, ohne den Leser mit überflüssigen Details zu verwirren. Den roten Faden in seiner Sicht der Geschichte bilden die Bestrebungen zur Zentralisierung und die allmähliche Herausbildung eines Nationengedankens, wobei paradoxerweise gerade der Kontakt mit dem Ausland für die Identitätsfindung ausschlaggebend war.
Entgegen der vielpostulierten "Homogenität" des japanischen Volkes referiert Pohl Theorien über die "Urjapaner", die wohl aus Wanderbewegungen von Völkern aus Zentralasien über zwei ehemals bestehende Landverbindungen zu Kamtschatka und Korea hervorgingen. Dennoch legitimierten die frühen fingierten Chroniken und Geschichtswerke wie das "Kojiki" oder "Nihongi" aus dem achten Jahrhundert Machtansprüche der Herrscher mit einer geradlinigen Abstammung ihrer Familie von der Sonnengöttin Amaterasu, der "Urahnin" des Kaiserhauses.
Pohl betont die Rolle Koreas als "Kulturbrücke" zwischen China und Japan. Neben Hausbautechnik, medizinischem Wissen, Musik und Literatur kam der Buddhismus nach Japan, der um 600 Staatsreligion wurde und dessen Bedeutung bei den Zentralisierungsbestrebungen Pohl unterstreicht. Bei den Reformen der "Großen Wende" (Taika) von 646 wurde schließlich auch der ordnungspolitische Rahmen eines zentralisierten Beamtenstaates aus China übernommen. Der Verfasser legt in seiner Studie dar, wie mit der Konsolidierung der Zentralgewalt sich weniger die Stellung des Kaisers als vielmehr die Machtposition einflußreicher Familien stabilisierte. Durch die rechtliche Form des Grundbesitzes erstarkte während der Heian-Zeit (794 bis 1185) der landgebundene Adel, während am Kaiserhof von Kyoto der höfische Adel in "äußerstem Raffinement" schöner Künste, in der Kalligraphie, Malerei und Literatur, aber letztlich "in einer Scheinwelt verharrte".
Das Buch zeigt auf, wie im Lauf der Geschichte mehrfach am Kaiser vorbei oder nur vorgeblich in seinem Auftrag regiert wurde, wie abgedankte Kaiser aus klösterlicher Zurückgezogenheit die "herrschenden" Kaiser manipulierten oder zu manipulieren suchten oder wie sich der Hof zeitweise gar in einen "nördlichen und südlichen Kaiser" spaltete. Es schildert den Aufstieg und Fall mächtiger Samurai-Familien, die Errichtung des ersten Shogunats 1192, das "Zeitalter der kämpfenden Provinzen" von der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts bis hin zur endgültigen Einigung des Landes.
Der Band läßt die bewegten Biographien der drei Landeseiniger aufleben: Oda Nobunaga, dessen härteste Gegner die schwerbewaffneten Mönche in den Klöstern auf dem Berg Hiei-zan östlich von Kyoto waren, Toyotomo Hideyoshi, der vom Sohn einfacher Bauern zum Herrscher Japans aufstieg, und der "Vollender" Tokugawa Ieyasu. Das "Hauptproblem eines Siegers nach langen Kämpfen", die weitere Beschäftigung großer Kriegerscharen, wurde in der über zweihundertfünfzig Jahre währenden Pax Tokugawa durch die Einbindung der Samurai in den Verwaltungsapparat gelöst. Der Autor erkennt bereits in der Tokugawa-Zeit (1600 bis 1868) eine politische Kultur, "deren Rechtskodex und Entscheidungssystem Grundvoraussetzungen für die Entstehung eines straff verwalteten Nationalstaates im 19. Jahrhundert" bildeten. Immer wieder relativiert Pohl die rasche Modernisierung und das japanische Wirtschaftswunder, indem er auf eine vorhandene effiziente Elitebürokratie und eine "frühmoderne wirtschaftliche Entwicklung mit einer Reihe erfahrener Unternehmer" verweist. Japan war in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts vielmehr ein "Entwicklungsland" mit den Grundlagen, "sich schnell in die Weltwirtschaft einzuklinken".
Manfred Pohls pointierter Schnelldurchgang durch Nippons Geschichte vom geographisch und kulturell bedingten Isolationismus bis hin zum "Global Player" und G-8-Mitglied schließt eine publizistische Lücke in der deutschsprachigen Geschichtsschreibung Japans.
STEFFEN GNAM
Manfred Pohl: "Geschichte Japans". Verlag C. H. Beck, München 2002. 101 S., br., 7,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Pointierter Schnelldurchgang ohne Fisimatenten: Manfred Pohls Standardwerk zur "Geschichte Japans" schließt eine publizistische Lücke
Manfred Pohl rekonstruiert in seiner Abhandlung zur Geschichte Japans das Auf und Ab der rivalisierenden Clans und Herrscherfamilien, die Hauptstadtwanderungen und die wechselhafte Historie des Kaiserhauses, ohne den Leser mit überflüssigen Details zu verwirren. Den roten Faden in seiner Sicht der Geschichte bilden die Bestrebungen zur Zentralisierung und die allmähliche Herausbildung eines Nationengedankens, wobei paradoxerweise gerade der Kontakt mit dem Ausland für die Identitätsfindung ausschlaggebend war.
Entgegen der vielpostulierten "Homogenität" des japanischen Volkes referiert Pohl Theorien über die "Urjapaner", die wohl aus Wanderbewegungen von Völkern aus Zentralasien über zwei ehemals bestehende Landverbindungen zu Kamtschatka und Korea hervorgingen. Dennoch legitimierten die frühen fingierten Chroniken und Geschichtswerke wie das "Kojiki" oder "Nihongi" aus dem achten Jahrhundert Machtansprüche der Herrscher mit einer geradlinigen Abstammung ihrer Familie von der Sonnengöttin Amaterasu, der "Urahnin" des Kaiserhauses.
Pohl betont die Rolle Koreas als "Kulturbrücke" zwischen China und Japan. Neben Hausbautechnik, medizinischem Wissen, Musik und Literatur kam der Buddhismus nach Japan, der um 600 Staatsreligion wurde und dessen Bedeutung bei den Zentralisierungsbestrebungen Pohl unterstreicht. Bei den Reformen der "Großen Wende" (Taika) von 646 wurde schließlich auch der ordnungspolitische Rahmen eines zentralisierten Beamtenstaates aus China übernommen. Der Verfasser legt in seiner Studie dar, wie mit der Konsolidierung der Zentralgewalt sich weniger die Stellung des Kaisers als vielmehr die Machtposition einflußreicher Familien stabilisierte. Durch die rechtliche Form des Grundbesitzes erstarkte während der Heian-Zeit (794 bis 1185) der landgebundene Adel, während am Kaiserhof von Kyoto der höfische Adel in "äußerstem Raffinement" schöner Künste, in der Kalligraphie, Malerei und Literatur, aber letztlich "in einer Scheinwelt verharrte".
Das Buch zeigt auf, wie im Lauf der Geschichte mehrfach am Kaiser vorbei oder nur vorgeblich in seinem Auftrag regiert wurde, wie abgedankte Kaiser aus klösterlicher Zurückgezogenheit die "herrschenden" Kaiser manipulierten oder zu manipulieren suchten oder wie sich der Hof zeitweise gar in einen "nördlichen und südlichen Kaiser" spaltete. Es schildert den Aufstieg und Fall mächtiger Samurai-Familien, die Errichtung des ersten Shogunats 1192, das "Zeitalter der kämpfenden Provinzen" von der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts bis hin zur endgültigen Einigung des Landes.
Der Band läßt die bewegten Biographien der drei Landeseiniger aufleben: Oda Nobunaga, dessen härteste Gegner die schwerbewaffneten Mönche in den Klöstern auf dem Berg Hiei-zan östlich von Kyoto waren, Toyotomo Hideyoshi, der vom Sohn einfacher Bauern zum Herrscher Japans aufstieg, und der "Vollender" Tokugawa Ieyasu. Das "Hauptproblem eines Siegers nach langen Kämpfen", die weitere Beschäftigung großer Kriegerscharen, wurde in der über zweihundertfünfzig Jahre währenden Pax Tokugawa durch die Einbindung der Samurai in den Verwaltungsapparat gelöst. Der Autor erkennt bereits in der Tokugawa-Zeit (1600 bis 1868) eine politische Kultur, "deren Rechtskodex und Entscheidungssystem Grundvoraussetzungen für die Entstehung eines straff verwalteten Nationalstaates im 19. Jahrhundert" bildeten. Immer wieder relativiert Pohl die rasche Modernisierung und das japanische Wirtschaftswunder, indem er auf eine vorhandene effiziente Elitebürokratie und eine "frühmoderne wirtschaftliche Entwicklung mit einer Reihe erfahrener Unternehmer" verweist. Japan war in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts vielmehr ein "Entwicklungsland" mit den Grundlagen, "sich schnell in die Weltwirtschaft einzuklinken".
Manfred Pohls pointierter Schnelldurchgang durch Nippons Geschichte vom geographisch und kulturell bedingten Isolationismus bis hin zum "Global Player" und G-8-Mitglied schließt eine publizistische Lücke in der deutschsprachigen Geschichtsschreibung Japans.
STEFFEN GNAM
Manfred Pohl: "Geschichte Japans". Verlag C. H. Beck, München 2002. 101 S., br., 7,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main