Richard Bauer wirft in dieser reich bebilderten Geschichte Münchens einen konzentrierten Blick auf die Entwicklung der Hauptstadt Bayerns vom Mittelalter bis zur unmittelbaren Gegenwart. Er zeigt die unterschiedlichen Gesichter, die der Stadt von ihren Herrschern und Politikern gegeben wurden, und zeichnet so ein spannendes, vielseitiges Portrait Münchens. "Isarathen" oder "Heimliche Hauptstadt" - in diesen Bezeichnungen Münchens drückt sich der ehrgeizige und anspruchsvolle Charakter der Stadt aus. Jeder Herrscher, sei es Kaiser Ludwig der Bayer, Kurfürst Maximilian I. oder König Ludwig I., gab München ein eigenes Gesicht. In vielen Fällen führte der Geltungsdrang der Landesherren zu überzogenen Ansprüchen an die Rolle Münchens. Gleichzeitig verdankt die Hauptstadt Bayerns gerade diesem Ehrgeiz ihre kulturelle Blüte. Ein prominentes Beispiel ist die Vision König Ludwigs I. (1825-1848) vom "Isarathen". Die Bauten, mit denen er sich ein Denkmal setzte, prägen bis heute maßgeblich das Stadtbild: so zum Beispiel die Glyptothek, Feldherrnhalle, Staatsbibliothek sowie die Pinakotheken. Von den Nationalsozialisten wurde München als "Hauptstadt der Bewegung" instrumentalisiert und städtebaulich entsprechend verändert. Nach 1945 setzte man alles daran, diese Eingriffe in das Stadtbild wieder zu eliminieren. Der Band schließt mit den wichtigsten Ereignissen der jüngeren Geschichte der "Heimlichen Hauptstadt", in denen sich weiterhin der ständige Wunsch nach großartiger Selbstdarstellung spiegelt - von der Sommerolympiade 1972 bis zur Eröffnung der Pinakothek der Moderne im Jahr 2002.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.12.2003Störrisch ist schön
Richard Bauer ist eine fabelhafte Geschichte Münchens gelungen
Der Direktor des Münchner Stadtarchivs, Richard Bauer, zeichnet den Weg der bayerischen Landeshauptstadt, die immer ein bißchen mehr sein wollte, als sie war, durch die Jahrhunderte bis in die unmittelbare Gegenwart nach. Dieser Ehrgeiz fand in Begriffen wie "Deutsches Rom", "Isar-Athen", "Heimliche Hauptstadt Deutschlands" seinen Ausdruck, nicht zu vergessen den ihr von den Nationalsozialisten aufgedrückten Stempel der "Hauptstadt der Bewegung". Solche Ambitionen sollten auch verdecken, daß die Stadt erst spät, nämlich 1258 gegründet wurde und daß sie ihren Ursprung nicht auf die Römer und noch nicht einmal auf ein bedeutendes mittelalterliches Reichskloster zurückführen konnte (ein Mythos, der noch beim achthundertjährigen Stadtjubiläum gepflegt wurde). Den Drang zum Höheren, den seit Kaiser Ludwig dem Bayern im vierzehnten Jahrhundert die Fürsten des Hauses Wittelsbach teilten, verdankt die Stadt indessen auch ihren kulturellen Reichtum.
Bauer ist kein Propagandist des bayerischen Herrschergeschlechts, im Gegenteil. Er zeigt, wie im Lauf der Neuzeit die mittelalterlichen Stadtfreiheiten und -privilegien ausgehöhlt und beseitigt wurden und wie sich die Stadt darüber, besonders im achtzehnten Jahrhundert, in eine störrische, Reformen abgeneigte Trotzhaltung gegenüber den Landesherren flüchtete. Dies gab ihr oft Züge einer muffigen, kleinbürgerlichen Rückwärtsgewandtheit, die auch heute noch gelegentlich auszumachen ist. Folgt man Bauer, so fand das Münchner Bürgertum erst nach dem Zweiten Weltkrieg zu sich, als der auf die Rekonstruktion des historischen Stadtbilds zielende Wiederaufbau, der in der übrigen Bundesrepublik auf Hohn und Ablehnung stieß, von breitesten Schichten getragen wurde.
Der Autor beherrscht nicht nur seinen Stoff souverän, sondern stellt ihn auch völlig unangestrengt dar. Eine so knappe, gut lesbare und mit ansprechenden, informativen Abbildungen versehene Historie wäre jeder Stadt von ähnlichem Rang zu wünschen.
RENATE SCHOSTACK
Richard Bauer: "Geschichte Münchens". Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Verlag C. H. Beck, München 2003. 224 S., 85 Farb- u. S/W-Abb., geb., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Richard Bauer ist eine fabelhafte Geschichte Münchens gelungen
Der Direktor des Münchner Stadtarchivs, Richard Bauer, zeichnet den Weg der bayerischen Landeshauptstadt, die immer ein bißchen mehr sein wollte, als sie war, durch die Jahrhunderte bis in die unmittelbare Gegenwart nach. Dieser Ehrgeiz fand in Begriffen wie "Deutsches Rom", "Isar-Athen", "Heimliche Hauptstadt Deutschlands" seinen Ausdruck, nicht zu vergessen den ihr von den Nationalsozialisten aufgedrückten Stempel der "Hauptstadt der Bewegung". Solche Ambitionen sollten auch verdecken, daß die Stadt erst spät, nämlich 1258 gegründet wurde und daß sie ihren Ursprung nicht auf die Römer und noch nicht einmal auf ein bedeutendes mittelalterliches Reichskloster zurückführen konnte (ein Mythos, der noch beim achthundertjährigen Stadtjubiläum gepflegt wurde). Den Drang zum Höheren, den seit Kaiser Ludwig dem Bayern im vierzehnten Jahrhundert die Fürsten des Hauses Wittelsbach teilten, verdankt die Stadt indessen auch ihren kulturellen Reichtum.
Bauer ist kein Propagandist des bayerischen Herrschergeschlechts, im Gegenteil. Er zeigt, wie im Lauf der Neuzeit die mittelalterlichen Stadtfreiheiten und -privilegien ausgehöhlt und beseitigt wurden und wie sich die Stadt darüber, besonders im achtzehnten Jahrhundert, in eine störrische, Reformen abgeneigte Trotzhaltung gegenüber den Landesherren flüchtete. Dies gab ihr oft Züge einer muffigen, kleinbürgerlichen Rückwärtsgewandtheit, die auch heute noch gelegentlich auszumachen ist. Folgt man Bauer, so fand das Münchner Bürgertum erst nach dem Zweiten Weltkrieg zu sich, als der auf die Rekonstruktion des historischen Stadtbilds zielende Wiederaufbau, der in der übrigen Bundesrepublik auf Hohn und Ablehnung stieß, von breitesten Schichten getragen wurde.
Der Autor beherrscht nicht nur seinen Stoff souverän, sondern stellt ihn auch völlig unangestrengt dar. Eine so knappe, gut lesbare und mit ansprechenden, informativen Abbildungen versehene Historie wäre jeder Stadt von ähnlichem Rang zu wünschen.
RENATE SCHOSTACK
Richard Bauer: "Geschichte Münchens". Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Verlag C. H. Beck, München 2003. 224 S., 85 Farb- u. S/W-Abb., geb., 18,- [Euro].
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