Das Buch behandelt die zweihundert Jahre seit dem ersten serbischen Aufstand gegen die osmanische Herrschaft 1804 bis zum Beginn der Nach-Milosevic-Ära. Erstmals werden Politik- und Ereignisgeschichte mit Gesellschafts-, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte zu einer Symbiose verbunden. Und erstmals in einer Gesamtdarstellung der neueren Geschichte Serbiens wird kulturwissenschaftlichen Fragestellungen und Ansätzen breiter Raum gewidmet.Serbien, dem eine zentrale Bedeutung für die Stabilisierung des Balkanraumes im 21. Jahrhundert zukommt und wahrscheinlich eine der größten zukünftigen Herausforderungen an die Europäische Union darstellt, hat der Berliner Osteuropaexperte Holm Sundhaussen eine erste umfassende Geschichte gewidmet. 200 Jahre serbische Geschichte werden darin aufgerollt und die Zerreißprobe zwischen Tradition und Moderne in der Nach-Milosevic-Ära verständlich gemacht.In Abwandlung eines geflügelten Wortes des serbischen Schriftstellers und zeitweiligen (rest)jugoslawischen Staatspräsidenten Dobrica Cosic, dass die Serben im Frieden immer verlieren, was sie im Krieg gewonnen haben, haben sie im 20. Jahrhundert und insbesondere in den 1990er Jahren im Krieg verloren, was sie im Frieden hätten gewinnen können. Die (Pyrrhus-)Siege in den Balkankriegen von 1912/13 (mit der Eroberung Kosovos und Vardar-Makedoniens) stellen die wichtigste Zäsur in der neueren serbischen Geschichte dar und erwiesen sich als Problematik, mit der die gespaltene politische Elite Serbiens bis heute nicht fertig geworden ist.Der Autor diskutiert die Gründe des jugoslawischen Staatszerfalls und der Gewalteskalation in den 1990er Jahren. Er rekonstruiert die Rolle der geistigen und politischen Eliten, die im Laufe der Zeit unterschiedlichen Volkskonzepte einschließlich biologistischer und rassistischer Entwürfe, verdeutlicht die innere Differenziertheit der serbischen Gesellschaft und schließt mit einem Ausblick auf die ungelösten Probleme zu Beginn des 21. Jahrhunderts.
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Distanz und Emotion handhabt der Autor in der richtigen Balance, lobt Rezensent Rüdiger Rossig die Herangehensweise des Historikers Holm Sundhaussen an sein "Lebensthema". Rossig schätzt die vom Autor geleistete Pionierarbeit auf dem Gebiet der Erforschung und Darstellung der Serbischen Staatsgeschichte hoch, weil sie die für Serbiens Geschichte so wirkungsmächtigen Mythen mit den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Fakten konfrontiert und die Entwicklung von Wirtschaft und Verwaltung "anschaulich" macht. Für Rossig stellt der Band mit seiner die Rolle der Militärs, der Intellektuellen, Bürger und Bauern gleichermaßen einschließenden Perspektive einen Gegenentwurf zur patriotischen Geschichtsschreibung dar.
© Perlentaucher Medien GmbH
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